Chefs ver­die­nen Mil­lio­nen fürs Nichts­tun

Der ge­schei­ter­te Zu­rich-CEO er­hält nach sei­nem Ab­gang bis zu 7,2 Mil­lio­nen, der Ex-Hol­cim-Chef be­kommt 5 Mil­lio­nen

Peter Burkhardt, Karin Kofler und Victor Weber

Zürich — Mit im­mer neu­en Tricks um­ge­hen Fir­men die aus Tho­mas Min­ders Ab­zoc­ker­ini­tia­ti­ve ent­stan­de­ne Ver­fas­sungs­be­stim­mung, wo­nach An­tritts- und Ab­gangs­ent­schä­di­gun­gen ver­bo­ten sind. Al­len vor­an der Ver­si­che­rungs­kon­zern Zu­rich. Sein ab­ge­setz­ter Chef Mar­tin Senn er­hält im Jahr 2018 bis zu 7,2 Mil­lio­nen Fran­ken in Form von Ak­ti­en. Dies sei Teil eines Bo­nus­pro­gramms, das «auf die lang­fris­ti­ge Wert­schöp­fung» aus­ge­rich­tet sei, be­grün­det der Kon­zern. Da­bei kann Senn die Leis­tung gar nicht mehr be­ein­flus­sen — er muss­te im De­zem­ber den Hut neh­men.

«Das ist nichts an­de­res als eine Ab­gangs­ent­schä­di­gung auf Ra­ten», kri­ti­siert Min­der. «Da­bei heisst es in der Ver­fas­sungs­bes­tim­mung ganz klar, dass sol­che Zah­lun­gen un­ter­sagt sind.» Schuld sei der Bun­des­rat, der eine löch­ri­ge Über­gangs­ver­ord­nung in Kraft ge­setzt ha­be. Im Be­son­de­ren Jus­tiz­mi­nis­te­rin Si­mo­net­ta Som­ma­ru­ga, die noch im­mer kei­nen Ge­set­zes­ent­wurf vor­ge­legt ha­be.

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Holcim zahlte Topmanagern 11,1 Millionen Halteprämie

Eine wach­sen­de Zahl von Un­ter­neh­men macht sich die­se Ge­set­zes­lüc­ke zu­nut­ze. Sie er­fin­den im­mer neue Be­grif­fe, um das Ver­bot von An­tritts- und Ab­gangs­ent­schä­di­gun­gen zu um­ge­hen. Der Ze­ment­kon­zern Hol­cim zahl­te be­stimm­ten Ma­na­gern eine Hal­te­prä­mie von to­tal 11,1 Mil­lio­nen Fran­ken, da­mit sie bis zur Fu­si­on mit La­far­ge im Un­ter­neh­men blei­ben. Der neue Chef des In­dust­rie­kon­zerns Sul­zer be­kam zum An­tritt 3,4 Mil­lio­nen. Und der ge­schei­ter­te Ex-Chef des Rei­se­kon­zerns Kuo­ni wird 2016 min­des­tens 3,3 Mil­lio­nen kas­sie­ren — ob­wohl er das Un­ter­neh­men längst ver­las­sen hat.

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Die Ab­zoc­ker sind zu­rück

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Mit millionen­schweren Tricks ver­gol­den die Fir­men ihre Chefs — und um­ge­hen da­mit die Min­der-Ini­tia­ti­ve

Peter Burk­hardt, Ka­rin Kof­ler, Vic­tor We­ber (Text) und Ve­ro­ni­que Stoh­rer (Il­lust­ra­ti­on)
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Zürich — 7,2 Mil­lio­nen Fran­ken in Form von Ak­ti­en. So viel kann Mar­tin Senn, der im De­zem­ber un­ter dem Druck un­zu­frie­de­ner In­ves­to­ren ab­rupt zu­rück­ge­tre­te­ne Chef des Ver­si­che­rungs­kon­zerns Zu­rich, im Jahr 2018 er­hal­ten. Die po­ten­zi­el­le Mil­lio­nen­ver­gü­tung sei Teil des Bo­nus­pro­gramms zur Mo­ti­va­ti­on von Füh­rungs­per­so­nal durch Schaf­fung lang an­hal­ten­der Leis­tungs­an­rei­ze, sagt ein Spre­cher. «Die Zie­le des Long Term In­cen­ti­ve Plan sind auf die lang­fris­ti­ge Wert­schöp­fung aus­ge­rich­tet.»

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Doch Senn kann die Leis­tung des Kon­zerns gar nicht be­ein­flus­sen, da er nicht mehr an Bord ist. Die Stimm­rechts­be­ra­ter des kri­ti­schen An­la­ge­fonds Ethos em­pfehlen dar­um, den Ver­gü­tungs­be­richt an der Ge­ne­ral­ver­samm­lung vom 30. März ab­zu­leh­nen. Es ge­he nicht an, dass Senn vom leis­tungs­ab­hän­gi­gen He­bel von bis zu 200 Pro­zent pro­fi­tie­ren kön­ne, da er zur Leis­tung der Zu­rich nichts mehr bei­tra­ge.

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Bei einer Neu­an­stel­lung wäh­rend der ein­jäh­ri­gen Kün­di­gungs­frist wer­de Senns Ver­gü­tung um den ent­spre­chen­den Be­trag aus dem neu­en Ar­beits­ver­hält­nis ge­kürzt, be­schwich­tigt der Zu­rich­Spre­cher. Bei der de­fi­ni­ti­ven Über­tra­gung der Ak­ti­en, die ihm An­fang letz­ten Jah­res in be­ding­ter Form zu­ge­teilt wur­den, kommt ein leis­tungs­ab­hän­gi­ger Mul­ti­pli­ka­tor zum Zug, der von 0 bis 200 Pro­zent rei­che. Senn kann also leer aus­ge­hen, wenn der Kon­zern nicht auf Tou­ren kommt.

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Das täuscht nicht dar­über hin­weg, dass das Un­ter­neh­men das Ver­bot von Ab­gangs­ent­schä­di­gun­gen um­geht, das seit der An­nah­me der Ab­zoc­ker­ini­tia­ti­ve in der Bun­des­ver­fas­sung ver­an­kert ist. Dar­in heisst es: «Die Or­gan­mit­glie­der er­hal­ten kei­ne Ab­gangs- oder an­de­re Ent­schä­di­gung, kei­ne Ver­gü­tung im Vor­aus, kei­ne Prä­mie für Fir­men­käu­fe und -ver­käu­fe.»

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11,1 Mil­lio­nen «Halte­prämie» für die Chefs von Holcim

Zurich ist nicht der ein­zi­ge Kon­zern, der das Ver­bot um­geht. Der Ze­ment­her­stel­ler Hol­cim hat vor der Fu­si­on mit La­far­ge aus­ge­wähl­ten Mit­glie­dern der Kon­zern­lei­tung und des obe­ren Ma­na­ge­ments eine «Hal­te­prä­mie» von ins­ge­samt 11,1 Mil­lio­nen Fran­ken aus­be­zahlt, da­mit sie bis zur Fu­si­on im Un­ter­neh­men blei­ben. Das geht aus dem Ge­schäfts­be­richt her­vor, den La­far­ge-Hol­cim die­se Wo­che ver­öf­fent­licht hat.

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Alleine Hol­cim-Chef Ber­nard Fon­ta­na, der das Un­ter­neh­men im Ju­li 2015 ver­las­sen muss­te, er­hielt einen Bo­nus von 4,97 Mil­lio­nen Fran­ken, einen gu­ten Teil da­von als Hal­te­prä­mie. Doch war­um soll einer der best­be­zahl­ten Schwei­zer Ma­na­ger, der im Vor­jahr 5,2 Mil­lio­nen Fran­ken ver­dien­te, dar­über hin­aus noch eine Hal­te­prä­mie be­kom­men? Fon­ta­na sei für das Ge­lin­gen der Fu­si­on wich­tig ge­we­sen, be­grün­det der Kon­zern­chef von La­far­ge-Hol­cim, Eric Ol­sen. Laut einem Spre­cher ha­ben nebst Fon­ta­na al­le sechs wei­te­ren Mit­glie­der der da­ma­li­gen Kon­zern­lei­tung eine Hal­te­prä­mie er­hal­ten. Bei drei Mit­glie­dern wä­re die­se in­des nicht nö­tig ge­we­sen: Sie sind ak­tu­ell in der Kon­zern­lei­tung von La­far­ge-Hol­cim.

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Mil­lio­nen­schwe­re Tricks wie bei Zu­rich und Hol­cim sind mög­lich, weil es bis heu­te kein Ge­setz gibt, das die von Tho­mas Min­der durch­ge­drück­te Ver­fas­sungs­be­stim­mung um­setzt. Die Über­gangs­ver­ord­nung des Bun­des­rats setzt die Ab­zoc­ker­ini­tia­ti­ve trotz des ein­deu­ti­gen Volks­wil­lens nicht voll­stän­dig um. An­tritts­bo­ni et­wa sind wei­ter­hin zu­ge­las­sen. Das macht sich un­ter an­de­rem der In­dust­rie­kon­zern Sul­zer zu­nut­ze. Er zahl­te sei­nem neu­en Kon­zern­chef Greg Poux-Guil­lau­me zum Amts­an­tritt 3,4 Mil­lio­nen Fran­ken. Da­von wer­den 2,9 Mil­lio­nen aus­ge­wie­sen als «Er­satz­prä­mi­en, um ver­fal­le­ne ver­trag­li­che An­sprü­che bei frü­he­ren Ar­beit­ge­bern in­fol­ge des Ein­tritts bei Sul­zer zu kom­pen­sie­ren». Sol­che Zah­lun­gen sind bei im­mer mehr Fir­men üb­lich.

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Das The­ma der ver­deck­ten An­tritts­prä­mi­en wird am Don­ners­tag gros­se Wel­len schla­gen. Dann ver­öf­fent­licht die Cre­dit Suis­se ih­ren Ver­gü­tungs­be­richt, in dem sie dar­le­gen muss, wie hoch der «ga­ran­tier­te Bo­nus» ist, den Kon­zern­chef Tid­ja­me Thiam er­hal­ten hat. Auf wel­chen An­teil hat er «frei­wil­lig» ver­zich­tet? War­um er­hält er über­haupt einen Bo­nus, wenn der Kon­zern einen Ver­lust von 2,9 Mil­li­ar­den Fran­ken ein­ge­fah­ren hat? Und vor al­lem: Wie viel zahlt ihm die Bank als Ent­schä­di­gung für den fi­nan­zi­el­len Nach­teil, den er durch sei­nen frei­wil­li­gen Ab­gang beim Ver­si­che­rungs­kon­zern Pru­den­ti­al er­lit­ten hat? Die Ner­vo­si­tät der Ver­ant­wort­li­chen ist spür­bar.

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Der Ex-Kuo­ni-Chef er­hält Mil­lio­nen — oh­ne Lei­stung

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Beim Rei­se­kon­zern Kuo­ni ist eben­falls kei­ne Be­schei­den­heit bei den Be­zü­gen sicht­bar — ob­wohl an­ge­sichts des hap­pi­gen Jah­res­ver­lus­tes von 294 Mil­lio­nen Fran­ken, des ver­lust­brin­gen­den Ver­kaufs des Rei­se­ver­an­stal­ter­ge­schäfts und des ab­seh­ba­ren En­des von Kuo­ni al­les da­für spre­chen wür­de.

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Fliesst des­halb nun we­ni­ger Geld an die Ver­ant­wort­li­chen? Fehl­an­zei­ge. Für den frü­he­ren Kon­zern­chef Pe­ter Mei­er, der im No­vem­ber 2015 des Am­tes ent­ho­ben wur­de, ent­puppt sich der Ver­kauf der Kuo­ni Group an die schwe­di­sche Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft EQT, zu dem er nichts bei­ge­tra­gen hat, so­gar als Glücks­vfall. Denn er kann nun al­le Ak­ti­en­zu­tei­lun­gen aus den letz­ten drei Jah­ren vor­zei­tig be­zie­hen und sie zum of­fe­rier­ten Preis von at­trak­ti­ven 370 Fran­ken ver­kau­fen. So kommt für den un­tä­ti­gen Ex-Chef eine statt­li­che Sum­me zu­stan­de.

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Meier steht noch bis No­vem­ber auf der Lohn­lis­te. Da­für kas­siert er die­ses Jahr ein Grund­ge­halt von 917'000 Fran­ken. Auch der kurz­fris­ti­ge Bo­nus im Wert von 438'000 Fran­ken wird ihm aus­be­zahlt. Und das, ob­wohl im Ge­schäfts­be­richt fest­ge­hal­ten ist, dass die­ser «eine Leis­tungs­mess­grös­se dar­stellt, die spe­zi­fisch, quan­ti­fi­zier­bar und eine Her­aus­for­de­rung ist». Fragt sich: Was soll Mei­er leis­ten, wenn er gar nicht mehr im Amt ist?

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Zählt man die von Kuo­ni of­fen­ge­leg­te Zahl der an Mei­er zu­ge­teil­ten Ak­ti­en aus dem lang­fris­ti­gen An­reiz­pro­gramm und dem Pro­gramm für auf­ge­scho­be­ne Ver­gü­tun­gen zu­sam­men und mul­ti­pli­ziert sie mit dem Preis von 370 Fran­ken pro Ti­tel, kommt die Sum­me von min­des­tens 3,3 Mil­lio­nen Fran­ken zu­sam­men, die mit­samt Grund­ver­gü­tung die­ses Jahr an Pe­ter Mei­er fliesst.

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Im Ge­schäfts­be­richt steht, das lang­fris­ti­ge An­reiz­pro­gramm sol­le «die Kon­zern­lei­tung für ih­ren Bei­trag zum lang­fris­ti­gen Er­folg des Un­ter­neh­mens und zur Schaf­fung von Ak­ti­onärs­wert be­loh­nen». Und: «Die auf­ge­scho­be­ne Ver­gü­tung kop­pelt die Ent­schä­di­gung von Füh­rungs­kräf­ten an die Schaf­fung eines Mehr­werts für die Ak­tio­nä­re und un­ter­stützt die Bin­dung der Kon­zern­lei­tungs­mit­glie­der an das Un­ter­neh­men.»

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Im Fall des ent­las­se­nen Ma­na­gers Mei­er macht das we­nig Sinn. Bei den Noch­ak­tio­nä­ren hält sich die Freu­de am Ver­gü­tungs­be­richt des­halb in Gren­zen. «Wir wer­den das si­cher sehr kri­tisch an­schau­en», sagt Ethos-Di­rek­tor Vin­cent Kauf­mann.

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«Das ist Ver­fas­sungs­bruch»

Thomas Minder, Ur­he­ber der Ab­zoc­ker­ini­tia­ti­ve, är­gert sich über Fir­men, die ver­deck­te An­tritts­bo­ni und TOP Ab­gangs­ent­schä­di­gun­gen zah­len

Thomas Minder
T.Minder

Bern — Am 3. März 2013 wur­de die Ab­zoc­ker­ini­tia­ti­ve des Schaff­hau­ser Stän­de­rats und Un­ter­neh­mers Tho­mas Min­der mit einem Ja-Stim­men-An­teil von 67,9 Pro­zent an­ge­nom­men. Doch in ein Ge­setz ge­gos­sen wur­de die Ver­fas­sungs­be­stim­mung noch im­mer nicht.

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Herr Min­der, zu­neh­mend um­ge­hen Fir­men das von Ih­nen durch­ge­setz­te Ver­bot von An­tritts- und Ab­gangs­ent­schä­di­gun­gen. Ih­re Re­ak­ti­on?

Das ist eine bo­den­lo­se Frech­heit. Die Ini­tia­ti­ve sah wort­wört­lich vor, sol­cher­lei Hin­ter­tür­chen zu schlies­sen. Jetzt er­fin­den die Fir­men im­mer neue Be­grif­fe, um doch An­tritts- und Ab­gangs­zah­lun­gen zu leis­ten. Das ist ein ein­deu­ti­ger Ver­fas­sungs­bruch.

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War es nicht eine Il­lu­si­on, zu glau­ben, man kön­ne al­le Tricks ver­bie­ten?

Ich se­he das an­ders. Schuld ist der Bun­des­rat. Sei­ne Über­gangs­ver­ord­nung von An­fang 2014 ist löch­rig wie ein Em­men­ta­ler. Sie lässt An­tritts­bo­ni aus­drück­lich zu, ob­wohl der neue Ver­fas­sungs­ar­ti­kel sie aus­schlies­st.

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Der ab­ge­setz­te Zu­rich-Chef Mar­tin Senn kann 2018 Ak­ti­en im Ma­xi­mal­wert von 7,2 Mil­lio­nen Fran­ken er­hal­ten, ob­wohl er dann schon längst weg ist. Was hal­ten Sie da­von?

Das ist nichts an­de­res als eine Ab­gangs­ent­schä­di­gung auf Ra­ten. Da­bei heisst es in der Ver­fas­sungs­be­stim­mung ganz klar, dass sol­che Zah­lungen un­ter­sagt sind. Es kommt doch nicht dar­auf an, wie man die­se 7,2 Mil­lio­nen be­nennt, zu­mal die Ini­tia­ti­ve be­wusst vor­sah, dass je­de «an­de­re Ent­schä­di­gung» die­ser Art ver­bo­ten ist — ob sie jetzt Kon­troll­prä­mie, gol­de­ner Fall­schirm, Ka­renz­ent­schä­di­gung oder wie auch im­mer heisst.

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Immer mehr Fir­men zah­len neu ein­ge­stell­ten Ma­na­gern eine Ent­schä­di­gung für ent­gan­ge­ne An­sprü­che beim vor­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber. Hat das nicht sei­ne Be­rech­ti­vvvgung?

Über­haupt nicht. Eine Ent­schä­di­gung für ent­gan­ge­ne Bo­ni zu zah­len, um je­man­den einer an­de­ren Fir­ma ab­zu­luch­sen, ist ab­surd. Es muss doch nicht die neue Fir­ma für einen fal­schen An­reiz­plan der al­ten Fir­ma hin­ste­hen. Über­dies ver­langt auch hier die Ini­tia­ti­ve schwarz auf weiss: «Die Or­gan­mit­glie­der er­hal­ten kei­ne Ver­gü­tung im Vor­aus.»

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Ihre Ini­tia­ti­ve läuft ins Lee­re. Was läuft schief?

Es ist stos­send, dass es noch im­mer kein Ge­setz gibt, das die Ab­zoc­ker­ini­tia­ti­ve um­setzt. Bun­des­rä­tin Som­ma­ru­ga be­treibt Ar­beits­ver­wei­ge­rung. Die Ini­tia­ti­ve wur­de vor drei Jah­ren an­ge­nom­men, und noch im­mer liegt vom Jus­tiz- und Po­li­zei­de­par­te­ment kein Ge­set­zes­ent­wurf vor. Das ist ein Ar­muts­zeug­nis. Die Um­set­zung wur­de in die hän­gi­ge Ak­ti­en­rechts­re­vi­si­on ver­packt, die vom Par­la­ment viel­leicht in drei Jah­ren ab­ge­seg­net wird. Falls sie das Volk ab­lehnt, wird es auch in fünf Jah­ren noch kein aus­füh­ren­des Ge­setz ge­ben.

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Was dann? Wer­den Sie eine Durch­set­zungs­ini­tia­ti­ve zur Ab­zoc­ker­ini­tia­ti­ve lan­cie­ren?

Ich will nicht dro­hen. Aber ich kann je­den ver­ste­hen, der eine Durch­set­zungs­ini­tia­ti­ve zu sei­nem Volks­be­geh­ren star­tet, das vom Volk an­ge­nom­men wur­de, aber von Re­gie­rung und Par­la­ment miss­ach­tet wird.

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Welche poli­ti­schen Fol­gen hat es, wenn die Un­ter­neh­men die Ab­zoc­ker­ini­tia­ti­ve um­ge­hen?

Die Wirt­schaft klagt im­mer über zu viel Re­gu­lie­rung. Aber wenn sie über­bor­det, muss sie nicht über­rascht sein, wenn wie­der eine Volks­ini­tia­ti­ve kommt, wel­che die Frei­heit der Un­ter­neh­men wei­ter ein­schränkt. Das ist dann schlicht und ein­fach selbst ver­ur­sacht.

Peter Burkhardt

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Das wa­ren die Ab­sah­ner der er­sten Ge­ne­ra­ti­on

Sie ha­ben fi­nan­zi­ell aus­ge­sorgt, blei­ben aber oft ge­sell­schaft­lich ge­äch­tet

Daniel Vasella
D.Vasella

Zürich — Zü­rich An­fang Feb­ru­ar nahm er in der Sonn­tags­Zei­tung Stel­lung zur Über­nah­me des Ag­rar­kon­zerns Syn­gen­ta durch die chi­ne­si­sche Chem­chi­na, vor drei Wo­chen gab er ein In­ter­view im «Sonn­tags­Blick». TOP Dan­iel Va­sel­la ver­sucht sein Co­me­back in der Schweiz. «Ich habe auch Feh­ler ge­macht, das ist ganz klar», sagt er. Er ha­be «völ­lig un­ter­schätzt, wie ex­plo­siv die Stim­mung im Um­feld der Min­der-Ini­tia­ti­ve war». 2013, kurz vor der Ab­stim­mung zur Ab­zoc­ker­ini­tia­ti­ve, war be­kannt ge­wor­den, dass der ab­tre­ten­de No­var­tis-Chef 72 Mil­lio­nen Fran­ken als Ab­gel­tung für eine sechs­jäh­ri­ge Kon­kur­renz­klau­sel in An­spruch neh­men woll­te. Eine Wel­le der Em­pö­rung ver­half der Ini­tia­ti­ve zur An­nah­me, führ­te zur An­nul­lie­rung des Ver­trags und trieb Va­sel­la ins Exil. In der Schweiz ge­sell­schaft­lich ge­mie­den, zog er in die USA und spä­ter nach Mo­na­co. Jetzt kehrt er zu­rück und zahlt wie­der Steu­ern in Risch ZG.

Marcel Ospel
M.Ospel
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Ob ihm das Come­back ge­lingt, ist of­fen. Ma­na­ger, die, nach­dem sie ihr Un­ter­neh­men an den Rand des Ab­grunds ge­führt ha­ben, oh­ne ent­spre­chen­de Leis­tung Mil­lio­nen kas­sie­ren, gel­ten als Ab­zoc­ker. Sie ha­ben fi­nan­zi­ell aus­ge­sorgt, blei­ben aber oft ge­sell­schaft­lich ge­äch­tet. TOP Kein Zu­rück gab es et­wa für Mar­cel Os­pel. Als UBS-Ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent kas­sier­te er ein Jah­res­sa­lär von 26,6 Mil­lio­nen Fran­ken. Sei­ne ris­kan­te Wachs­tums­stra­te­gie in den USA führ­te ins De­sas­ter. In der Fi­nanz­kri­se 2008 muss­te die UBS von der Na­tio­nal­bank vor dem Zu­sam­men­bruch ge­ret­tet wer­den. Da­nach zahl­te die Bank Mil­liar­den an Bus­sen für die Bei­hil­fe zur Steu­er­hin­ter­zie­hung von US-Kun­den. Os­pel hat sich völ­lig aus der Öf­fent­lich­keit zu­rück­ge­zo­gen und gilt in man­chen Krei­sen nach wie vor als Per­so­na non gra­ta.

Mario Corti
M.Corti
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Wie Va­sel­la ha­ben auch an­de­re Ma­na­ger nach ih­rem Sturz das Land ver­las­sen, sind aber nicht mehr zu­rück­ge­kehrt. Ma­rio Cor­ti, der letz­te Chef der Swiss­air vor dem Groun­ding, hat­te sich 2001 das Sa­lär von 12,5 Mil­lio­nen schon vor Amts­an­tritt aus­zah­len las­sen. Die Em­pö­rung dar­über konn­te er nicht ver­ste­hen. In sei­ner Ent­täu­schung über das Aus­blei­ben einer Swiss­air-Ret­tung zog er in die USA.

Hans Vögeli
H.Vögeli
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Rolf Hüp­pi hat­te seit 1995 als Ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent und Kon­zern­chef mit der Zu­rich Fi­nan­ci­al Ser­vi­ces einen ris­kan­ten Ex­pan­si­ons­kurs ge­fah­ren und auf eine All­fi­nanz­stra­te­gie ge­setzt. 2002 ging er von Bord — mit einer Ab­gangs­ent­schä­di­gung von 5 Mil­lio­nen Fran­ken. Sein Nach­fol­ger muss­te die Alt­las­ten be­sei­ti­gen, 4500 Stel­len ab­bau­en und einen Re­kord­ver­lust von 3,4 Mil­li­ar­den Fran­ken ver­bu­chen. Hüp­pi wan­der­te in die USA aus und star­te­te 2007 das Mi­kro­ver­si­che­rungs­in­sti­tut Pa­ra­li­fe. Ihm mach­te es Hans Vö­ge­li nach. Der frü­he­re Chef der Zür­cher Kan­tonal­bank muss­te 2007 den Hut neh­men. Ob­wohl sie die Haus­bank des Ma­schi­nen­kon­zerns Sul­zer war, hat­te die ZKB dem rus­si­schen Mil­li­ar­där Vik­tor Vek­sel­berg und der ös­ter­rei­chi­schen Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft Vic­to­ry zur Macht­über­nah­me in Win­ter­thur ver­hol­fen. Vö­ge­li hat­te zu­dem auch noch pri­vat mit Sul­zer-Ak­ti­en spe­ku­liert. Er lebt heu­te im US-Bun­des­staat Ne­va­da.

Lukas Mühlemann
L.Mühlemann
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Aus der Öf­fent­lich­keit, aber nicht aus der Schweiz zu­rück­ge­zo­gen hat sich Lu­kas Müh­le­mann. Der Ex-Chef der Cre­dit Suis­se muss­te 2002 zu­rück­tre­ten, nach­dem die Bank in Schief­la­ge ge­ra­ten war. Sie mach­te 3,3 Mil­li­ar­den Ver­lust, aber Müh­le­mann kas­sier­te bei sei­nem Ab­gang 17 Mil­lio­nen Fran­ken.

Pery Barnevik
P.Barnevik
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Aus­ge­löst wur­de die Ab­zoc­ker­de­bat­te in der Schweiz An­fang 2002 durch die ABB-Ma­na­ger Per­cy Bar­ne­vik und Gö­ran Lin­dahl. Bei ih­rem Aus­schei­den aus der Fir­ma kas­sier­ten sie 233 Mil­lio­nen Fran­ken, ob­wohl sie ABB bei­na­he rui­niert hat­ten. 90 Mil­lio­nen zahl­te Bar­ne­vik schliess­lich zu­rück. Kurz da­nach deck­te die Sonn­tags­Zei­tung die Ma­chen­schaf­ten an der Spit­ze der Swiss Li­fe auf. Die Chefs um Man­fred Zobl und Ro­land Chla­pow­ski hat­ten 1999 bis 2002 un­zu­läs­si­ge Ak­ti­en­deals auf eige­ne Rech­nung or­ga­ni­siert.

Armin Müller

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