Swissair: Brug­gis­ser & Co. droht nun doch noch Mil­li­ar­den­kla­ge

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ZÜRICH — Laut Ober­ge­richt hat der Swiss­air-Li­qui­da­tor im Fall Flight­lease den fal­schen und einen viel zu klei­nen Scha­den gel­tend ge­macht. Statt 63 Mil­lio­nen Fran­ken hät­te er zwei Mil­li­ar­den ein­kla­gen sol­len. Eine wei­te­re Kla­ge ist aber mög­lich.

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Im Fall der Swiss­air-Toch­ter Flight­lease hat der Swiss­air-Li­qui­da­tor die ehe­ma­li­gen Swiss­air-Chefs bloss für den Aus­fall eines Dar­le­hens von 63 Mil­lio­nen Fran­ken ver­klagt. Und da­mit ist er vor dem Zür­cher Ober­ge­richt erst noch ab­ge­blitzt, wie die­se Zei­tung ges­tern be­kannt mach­te.

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Eine Ana­ly­se des 247 Sei­ten star­ken Ur­teils zeigt nun: Nach An­sicht des Ober­ge­richts hät­te der Li­qui­da­tor Karl Wüth­rich im Fall Flight­lease einen an­de­ren Scha­den — den so­ge­nann­ten In­sol­venz­scha­den — ein­kla­gen müs­sen. Er ist mit zwei Mil­li­ar­den Fran­ken nicht nur sehr viel hö­her, er hät­te wohl auch um eini­ges bes­se­re Er­folgs­chan­cen. Weil die­ser Scha­den nicht ein­ge­klagt war, durf­te ihn das Ober­ge­richt nicht be­rück­sich­ti­gen. Es hat des­halb auch nicht ab­schlies­send ge­klärt, ob die Ex-Swiss­air-Ma­na­ger tat­säch­lich haft­bar ge­macht wer­den kön­nen .

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Wüthrich wartet ab

Fest steht aber: Zwi­schen die­sem viel grös­se­ren In­sol­venz­scha­den und dem Kla­ge­vor­wurf gibt es laut Ge­richt an­ders als beim klei­nen Dar­le­hens­scha­den eine so­ge­nann­te adä­qua­te Kau­sa­li­tät. Sie ist eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für den Er­folg der Kla­ge.

Liqui­da­tor Wüth­rich er­wägt, zu ge­ge­be­nem Zeit­punkt den In­sol­venz­scha­den noch ein­zu­kla­gen. Er be­teu­ert, dass er da­mit be­wusst zu­ge­war­tet ha­be, weil das ge­wähl­te Vor­ge­hen von den Li­qui­da­ti­ons­or­ga­nen vor eini­gen Jah­ren fest­ge­legt wor­den sei. TOP Wüth­rich ist der Ver­tre­ter von Hun­der­ten von Swiss­air-Gläu­bi­gern, die ih­re Er­spar­nis­se bei der si­cher ge­glaub­ten Swiss­air an­ge­legt hat­ten und ver­lo­ren. Die ehe­ma­li­gen Swiss­air-Chefs Ma­rio Cor­ti, Phi­lip­pe Brug­gis­ser oder Eric Ho­neg­ger muss­ten bis­lang aber nicht für den wirt­schaft­li­chen Scha­den nach dem Groun­ding 2001 ge­ra­de­ste­hen. Nach der im Flight­lease-Ur­teil ent­hal­te­nen Auf­fas­sung des Ober­ge­rich­tes könn­te eine Kla­ge auf In­sol­venz­scha­den dies aber än­dern.

red

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Ur­teil zeigt: Swiss­air-Li­qui­da­tor hät­te viel hö­h­eren Scha­den ein­kl­agen kön­nen

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ZÜRICH — Auf Ex-Swiss­air-Chefs dürf­te einen neue Mil­li­ar­den­kla­ge zu­kom­men. Der Grund: Laut Ober­ge­richt hät­te der Swiss­air-Li­qui­da­tor im Fall Flight­lease bei den Chefs statt des Scha­dens von 63 Mil­lio­nen Fran­ken einen an­de­ren, viel hö­he­ren TOP ein­kla­gen kön­nen.

Karl Wüthrich

Laut Gericht hat der Swiss­air-Li­qui­da­tor Karl Wüth­rich im Fall Flight­lease den fal­schen Scha­den ein­ge­klagt.

Flurin Bertschinger/Ex-Press

Karl Wüthrich

Laut Gericht hat der Swiss­air-Li­qui­da­tor Karl Wüth­rich im Fall Flight­lease den fal­schen Scha­den ein­ge­klagt.

Flu­rin Bert­schin­ger/ Ex−Press

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Bis­lang sind die ehe­ma­li­gen Swiss­air-Chefs den Klä­gern stets ent­kom­men: Das Be­zirks­ge­richt Bü­lach hat sie 2007 straf­recht­lich ent­las­tet. Statt Stra­fen gabs Ent­schä­di­gun­gen. Da­nach konn­ten die ehe­ma­li­gen Top­ka­der der na­tio­na­len Flug­ge­sell­schaft auch Zi­vil­kla­gen vor Ge­richt ab­wim­meln. So muss­ten Ma­rio Cor­ti, Phi­lip­pe Brug­gis­ser, Eric Ho­neg­ger und die an­de­ren Swiss­air­Chefs bis­lang nie für den wirt­schaft­li­chen Scha­den nach dem Groun­ding ge­ra­de­ste­hen.

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Das könn­te sich — mehr als ein Dut­zend Jah­re nach dem Groun­ding — über­ras­chend än­dern. Das Ober­ge­richt des Kan­tons Zü­rich er­wähnt in einem ak­tu­el­len Ur­teil zur Swiss­air-Toch­ter Flight­lease eher bei­läu­fig, dass es aus dem Swiss­air-De­ba­kel noch einen Scha­den ge­be, der bis jetzt nie ein­ge­klagt wor­den sei. Und zwar einen gros­sen. Er wird auf zwei Mil­li­ar­den Fran­ken be­zif­fert. Bei dem Scha­den geht es um den so­ge­nann­ten In­sol­venz- oder Nach­lass­scha­den. TOP Er ent­steht, ver­ein­facht ge­sagt, weil bei einem Kon­kurs einer Fir­ma Be­sitz­tum und Li­zen­zen stark an Wert ver­lie­ren. Zwei Mil­li­ar­den Fran­ken könn­ten die Swiss­air-Gläu­bi­ger al­so bei einem ge­richt­li­chen Sieg bei den ver­ant­wort­li­chen Ver­wal­tungs­rä­ten und CEOs ein­trei­ben. Meh­re­re Schä­den, für wel­che die Top­ka­der bis­lang er­folg­los ein­ge­klagt wur­den, sind da­ge­gen ein Klacks. Bei drei bis­her ab­ge­han­del­ten Ver­ant-wort­lich­keits­kla­gen ging es um Schä­den in der Grös­sen­ord­nung von je 100 Mil­lio­nen Fran­ken.

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Pikant an den rich­ter­li­chen Be­mer­kun­gen: Sie ge­ben einen Hin­weis dar­auf, dass eine Kla­ge ge­gen die­sen Nach­lass­scha­den bes­se­re Chan­cen hät­te als die jüngst ab­ge­wie­se­ne Kla­ge zur Swiss­air-Toch­ter Flight­lease.

15'000 GLÄUBIGER
Bisher ist der Swiss­air-Li­qui­da­tor be­reits mit meh­re­ren Ver­ant­wort­lich­keits­kla­gen ge­gen Ex- Swiss­air-Ka­der ge­schei­tert. Eine der de­fi­ni­tiv ab­ge­wie­se­nen Kla­gen hat­te er bis ans Bun­des­ge­richt ge­zo­gen. Eine zwei­te ist dort zur­zeit noch hän­gig. Ge­mäss Li­qui­da­tor­spre­cher Fi­lip­po Beck sind der­zeit drei wei­te­re Ver­ant­wort­lich­keits­kla­gen bei an­de­ren Ge­rich­ten hän­gig. Er­folg­rei­cher war der Li­qui­da­tor bei den so­ge­nann­ten An­fech­tungs­kla­gen. TOP Mit die­sen Kla­gen ge­gen Fi­nanz­in­sti­tu­te — dar­un­ter die Zür­cher Kan­to­nal­bank — konn­te der Li­qui­da­tor eine hal­be Mil­li­ar­de Fran­ken in die Kas­se der Swiss­air-Gläu­bi­ger zu rück­füh­ren. Schon jetzt ist aber klar: Im bes­ten Fall wer­den die Gläu­bi­ger am Schluss al­ler Ver­fah­ren ge­ra­de mal 10 und 20 Pro­zent ih­res Gel­des zu­rück­be­kom­men. Ins­ge­samt war­ten 15'000 Gläu­bi­ger noch auf ihr Geld. Das sind Pen­si­ons­kas­sen und Pri­vat­an­le­ger, die ihr Ver­mö­gen bei der für si­cher ge­hal­te­nen Swiss­air an­leg­ten. Vie­le Gläu­bi­ger sind auch ehe­ma­li­ge Zu­lie­fe­rer.

ma.

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Mil­li­ar­den­klage

Für Kla­gen ge­gen die Swiss­air-Chefs ist der Swiss­air-Li­qui­da­tor und Sach­wal­ter Karl Wüth­rich zu­stän­dig. Er ist der Ver­tre­ter von Hun­der­ten von Swiss­air-Gläu­bi­gern. Das sind Pen­sions­kas­sen, ehe­ma­li­ge Zu­lie­fe­rer der Swiss­air, Tau­sen­de von Klein­ob­li­ga­tio­nä­ren und Ak­tio­nä­ren, die ih­re Er­spar­nis­se bei der si­cher ge­glaub­ten Swiss­air an­ge­legt hat­ten. Wüth­rich lässt über sei­nen Spre­cher Fi­lip­po Beck aus­rich­ten, dass man sich be­wusst sei, dass es die­sen In­sol­venz­scha­den ge­be, für den man die Top­ka­der der Swiss­air bis­lang noch nicht ein­ge­klagt ha­be. Er be­stä­tigt auch, dass die­ser zwei Mil­li­ar­den Fran­ken be­tra­ge. Und: Laut Beck er­wä­gen der Li­qui­da­tor und der Gläu­bi­ger­aus­schuss tat­säch­lich eine Kla­ge, um den Scha­de­ner­satz da­für noch ein­zu­trei­ben — auch wenn seit dem Groun­ding gut ein Dut­zend Jah­re ver­stri­chen sind. TOP Beck sagt zwar, man hal­te einen solc­hen Pro­zess zum jet­zi­gen Zeit­punkt für nicht op­por­tun. Er sagt aber aus­drück­lich, dass sich der Gläu­bi­ger­aus­schuss und der Li­qui­da­tor vor­be­hal­ten, einen sol­chen Pro­zess noch an­zu­stren­gen. Das sei im­mer noch mög­lich. Denn der Fall sei nicht ver­jährt, weil die Ver­jäh­rung durch an­de­re Kla­gen «re­gel­mäs­sig un­ter­bro­chen wur­de». Wann und un­ter wel­chen Um­stän­den die­ser neue Pro­zess an­ge­strengt wür­de, woll­te Beck nicht sa­gen, weil «die Fra­ge auf tak­ti­sche Über­le­gun­gen» ab­zie­le, die er nicht of­fen­le­gen kön­ne.

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Wildwest bei Swissair?

Als Ursache für den Scha­den kann der Li­qui­da­tor das Ri­si­ko gel­tend ma­chen, dass die Swiss­air­Ma­na­ger mit dem Be­trieb des zen­tra­len, Swiss­air-in­ter­nen, bank­ar­ti­gen Cash­pools ein­ge­gan­gen sind. Die ein­zel­nen Swiss­air-Toch­ter­ge­sell­schaf­ten muss­ten in den Jah­ren vor dem Groun­ding ih­re Ta­ges­ein­nah­men all­abend­lich in die­sen zen­tra­len Pool ab­lie­fern. Weil das Geld dort aber nicht wie bei einer Bank ge­si­chert war, be­stand für die recht­lich eigen­stän­di­gen Swiss­air-Töch­ter ein Ri­si­ko, dass sie beim Aus­fall des Cash­pools zah­lungs­un­fä­hig wür­den. Ge­nau das ist dann un­ter an­de­rem bei der Flight­lease, der wohl wich­tigs­ten Swiss­air-Toch­ter, beim Groun­ding ge­sche­hen.

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Fal­schen Scha­den be­klagt

Genau auf die­sem Cash­pool-Ri­si­ko hat­te der Li­qui­da­tor die jüngst vom Ge­richt ab­ge­schmet­ter­te Flight­lease-Kla­ge auf­ge­baut. Sei­ne Ar­gu­men­ta­ti­on: Die Swiss­air-Ver­ant­wort­li­chen hät­ten mit dem Be­trieb des ris­kan­ten Cash­pool-Sys­tems ih­re Pflich­ten ver­letzt. Der Li­qui­da­tor woll­te die Swiss­air-Ma­na­ger so für ein ver­lo­re­nes Dar­le­hen von 63 Mil­lio­nen Fran­ken haft­bar ma­chen. Der Clou da­ran: Das Ge­richt hat die Kla­ge nicht et­wa ab­ge­lehnt, weil es den Vor­wurf nicht nach­voll­zie­hen konn­te, son­dern weil der Li­qui­da­tor den fal­schen Scha­den be­klagt hat­te. Laut Ober­ge­richt hät­te er den viel grös­se­ren In­sol­venz­scha­den gel­tend ma­chen sol­len.

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Das musste auch der Li­qui­da­tor zur Kennt­nis neh­men. Beck räumt ein: «Das Ge­richt ist der Mei­nung, es sei beim von der Flight­lease vor­ge­brach­ten Kla­ge­vor­wurf nicht der er­lit­te­ne Ver­lust im Cash­pool als Scha­den gel­tend zu ma­chen, son­dern der In­sol­venz­scha­den.» Auf gut Deutsch: Laut Ober­ge­richt hät­te der Li­qui­da­tor statt des klei­nen Dar­le­hens­aus­falls von 63 Mil­lio­nen Fran­ken den zwei Mil­li­ar­den schwe­ren In­sol­venz­scha­den be­kla­gen müs­sen. Denn der In­sol­venz­scha­den ist laut dem Ge­richt tat­säch­lich die kau­sa­le Fol­ge des Cash­pool-Ri­si­kos. Of­fen liess das Ober­ge­richt bloss, wie weit das ris­kan­te Ver­hal­ten tat­säch­lich pflicht­wid­rig war. Li­qui­da­tor-Spre­cher Beck will denn auch be­tont ha­ben, dass das Ober­ge­richt die Fra­ge, ob Swiss­air-Ver­ant­wort­li­che für den tat­säch­li­chen In­sol­venz­scha­den haft­bar ge­macht wer­den kön­nen, nicht be­ur­teilt hat.

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Nach den rich­ter­li­chen Fest­stel­lun­gen stellt sich die Fra­ge, ob der Li­qui­da­tor statt der vie­len klei­nen, schliess­lich er­folg­lo­sen Kla­gen nicht bes­ser die­se eine gros­se In­sol­venz­kla­ge ein­ge­reicht hät­te. Li­qui­da­tor-Spre­cher Beck ant­wor­tet auf die Fra­ge bloss: «Das ge­wähl­te Vor­ge­hen wur­de von den Li­qui­da­ti­ons­or­ga­nen vor eini­gen Jah­ren fest­ge­legt. Im Mo­ment be­steht kei­ne Ver­an­las­sung, vom ein­ge­schla­ge­nen Weg ab­zu­wei­chen.»

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Klagen verschlafen

Insider sa­gen al­ler­dings, dass es prob­le­ma­tisch sei, so vie­le Jah­re nach dem Groun­ding noch neue Kla­gen ein­zu­rei­chen. Die Be­weis­füh­rung sei jetzt sehr viel schwie­ri­ger. Die Fra­ge, ob der Li­qui­da­tor die­se In­sol­venz­kla­ge nicht schon viel frü­her hät­te ein­rei­chen müs­sen, sei be­rech­tigt.

Mischa Aebi

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