Im Nachgang zur Finanzkrise wird der Ruf nach einer Weissgeldstrategie immer lauter. Zuerst erfolgt der Ruf recht sachte von einigen wenigen verantwortungsvollen Bänkern, mit Verweis auf das liechtensteinische Modell; dem schliessen sich bald einige "linke" Politiker an.
Nachdem sich auch die deutsche FDP unter Guido Westerwelle für eine Weissgeld-Strategie stark macht, kommen immer mehr Schweizer Unternehmer auf den Geschmack. Und unter deren Druck schwenkt auch die Parteiführung der Schweizer FDP um und überrumpelt damit ihre eigenen Mitglieder.
In diesen Zusammenhang wird immer heftiger darum gestritten, ob das Schweizer "Bankgeheimnis" noch zeitgemäss sei, und ob an der Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug weiterhin festgehalten werden soll.
Von "links" nach "rechts" wächst die Einsicht täglich, dass kein Weg an einer strikten Weissgeldstrategie vorbeiführt, wenn auch nur ein klein wenig Privatsphäre von diesem Bankgeheimnis übrigbleiben soll.
Interessant ist, welche Personen sich am lautstarksten gegen die Aufhebung dieser Unterscheidung wehren. Es sind im wesentlichen genau diejenigen, für die sich eine kaum zu betrafende Hinterziehung auf Grund ihres Vermögens am meisten lohnt. Sie versuchen jetzt gar, über eine Volksinitiative das alte Bankgeheimnis in der Bundesverfassung zu verankern.
Bis ungefähr zum Jahr 1800 war das Gebiet der heutigen Schweiz ein Gebiet mit ausgesprochener Armut und regelmässigen Hungersnöten. Davon zeugen nicht nur die bekannten Tessiner Geschichten:
In der Innerschweiz ertranken verarmte Bauern ihre Sorgen im Kartoffelschnaps, eine wahre Landplage. Die jungen Männer — ohne jegliche Zukunftsaussichten — zogen als Söldner in fremde Kriegsdienste, wo sie sich mit der ganzen Welt schlagen konnten — und oft nicht zurückkehrten.
Der wirtschaftliche Aufschwung begann erst, als Schweizer Geldinstitute begannen, fremdes Geld zu horten. Dank eines rigurosen Bankgeheimnisses, das alle Kunden schützte, wurde immer mehr Geld einerseits von Verfolgten, anderseits aus dubiosen Kanälen auf Schweizer Banken angelegt.
Dieses System hat — wie alles auf der Welt — zwei Seiten. Dank dieses Bankgeheimnisses konnten zum Beispiel während des 2. Weltkriegs Juden in Europa ihr Geld auf Schweizer Banken in Sicherheit bringen, ohne dass der Nazi-Staat davon Wind bekam, resp. darauf zugreifen konnte. Dass verschiedene Institute nach dem Krieg keine Anstrengungen unternahmen, um die Eigentümer der "namenlosen" Vermögen zu finden und oft auch Erben von im Krieg umgebrachten Personen nicht anerkannten, ist die weniger rühmliche Seite dieser Vorkommnisse. So gingen diese Gelder in aller Stille ins Eigentum des Geldinstituts über.
Natürlich haben sich auch schamlose und ruchlose Potentaten, Mafiosi und andere Verbrecher dieses Bankgeheimnis zu Nutze gemacht. Sie deponierten unrechtmässig erworbenes Vermögen unter dessen Schutz in der Schweiz, um im Falle eines Umsturzes saniert zu sein. Da diese Gelder in aller Regel aus kriminellen Handlungen jeglicher Art stammten, wurden sie später Blutgeld genannt. — Auch hier konnte das Geldinstitut damit rechnen, dass nicht alle diese Personen später noch in der Lage seien, ihr Geld wieder zu beziehen oder auch nur nachzuweisen, dass es ihnen gehört.
In den letzten Jahren wurde es dank schärferer Gesetze immer schwieriger, mit solchen Geldern Geschäfte zu machen. Es wurde eine neue Kundschaft entdeckt: reiche Leute, die ihr Vermögen nicht versteuern wollten oder "schwarze" Kassen zu verbergen hatten. Nebst Geldwäscherei steht heute vor allem diese Form von Schwarzgeld am Pranger.
Es ist klar, dass die Aufgabe von Geschäften mit jeder dieser Formen von unsauberem Geld für die betroffenen Institute eine wirtschaftliche Einbusse bedeutete. Und bei jeder Verschärfung der entsprechenden Gesetze wurde zeter-mordio gerufen, dass dies das Ende der Konkurrenzfähigkeit bedeute. Und trotzdem sind die Gewinne auch darnach wieder gestiegen.
31. Dezember 2010 — Vatikan
Benedikt ⅩⅥ. verordnet der päpstlichen Bank
eine moderne Aufsicht.
Er will die dunklen Kapitel der vatikanischen
Finanzen definitiv beenden.
2008 ist die grosse Bankenkrise. Der Staat muss die UBS stützen. Alle Beteiligten schwören, es würden sofort daraus Lehren gezogen.
2012 — Am 5. Februar meldet die Sonntagszeitung überraschend, nachdem im Dezember erneut massive Probleme mit der US-Steuerbehörde aufkamen: "Bund plant Weissgeld-Offensive" — Ende Februar!