Vor der Wahl — Tagesanzeiger© vom 3.2.2011
Krankheitsbedingt musste Ruedi Reich im Herbst nach 17 Jahren als reformierter Kirchenratspräsident des Kantons Zürich demissionieren. Am 15. März wählt die Synode seinen Nachfolger. Es wird zur Kampfwahl kommen zwischen Kirchenrat Andrea Bianca (50), Pfarrer in Küsnacht, und dem Thalwiler Pfarrer Michel Müller (46). Der Winterthurer Pfarrer Stephan Denzler sagt, was viele denken: «Es sind zwei valable Kandidaten, aber eine grosse Begeisterung zugunsten eines Favoriten findet man nicht.»
Der Tagesanzeiger© meldet:
Wo ist die Politik, wo die Kirche, wo die Religion, wo die Fanatiker?
Die Frommen, die Evangelisch-Kirchlichen,
die Evangelikalen, die Religiös-Sozialen, …
Das tönt schon fast wie
“Nur wer die Kinder züchtigt, der liebts sie auch!”.
Wenn die Kirche die Nächstenliebe und andere moralische Grundsätze aktiv propagiert, ist das sicher OK. Wenn aber "Religiöse" mir Verhalten aufzwingen wollen, das sie sich selber (womöglich zur Strafe, oder um gottesfürchtig zu erscheinen) auferlegen, dann beginnt da schon der Fundamentalismus, und der ist immer schlimm, ob christlich, jüdisch oder islamistisch. Und daraus wird fast immer Terror, manchmal versteckt, manchmal offen.
Was waren denn die christlichen Kreuzzüge anderes als Terror? Wo steckt denn das israëlisch-palästinensische Problem fest? Und auch wenn sich der Vatikanstaat in unsere Politik einmischt (oder politische Verträge über Würdenträger-Wahlen bricht) müsste das von der Verfassung her geahndet werden.
In welchem Jahrhundert leben wir?
Wohl noch im Mittelalter! Warum soll ein geschiedener Pfarrer untragbar sein, wieso als Kirchenratspräsident nicht wählbar? Er kennt offenbar die Nöte vieler Gemeindeglieder aus eigener Erfahrung. Diese Scheinheiligkeit ist der Reputation einer Kirche nur abträglich! Eine Scheidung ist tausendmal besser, als wenn sich die Eheleute die Hölle bescheren, weil sie dem "Schein nach aussen" zu liebe zusammen bleiben. Auch Pfarrersleute sollen ehrlich dazu stehen, wenn sie es zusammen nicht schaffen. Eine andere Frage ist, wie sie auseinandergehen. Ein öffentliches Theater draus zu machen ist sicher falsch, sowohl für die Beteiligten als auch für die fundamentalistischen Voyeure in der Gemeinde.
Da lobe ich mir einige Aussagen dieser beiden Kandidaten, resp. über sie: «Er sei politisch ungebunden, theologisch reflektiert, verstehe es aber, Themen verständlich zu formulieren.» Oder: «Man kann Minarette nicht verbieten. Aber man muss die Ängste, die diese auslösen, ernst nehmen.» Oder: «Wo ist die Kirche, wenn es schiefgeht?»
Religiöser Fanatismus ist immer Fundamentalismus.
Fundamentalismus wird fast immer zu Terrorismus.