Denkmalschutz und Fundamen­talismus

Heinrichstr. 37

Sie ge­rie­ten in die Müh­len der Bau­ämter: Bern­hard und Ruth Tho­mas-Fehr vor ihrem Haus im Zür­cher In­dus­trie­quar­tier.

Foto: Reto Oeschger (TA)

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Über­eifer im Denk­mal­schutz führt zu Fun­da­men­ta­lis­mus und wird zur Ge­fahr für Mensch und Heimat

Tagesanzeiger© vom 3.2.2011
⇒ Original-Artikel im Tages-Anzeiger©
(www.zumkuckucksei.net/Fundm/hmschutz-TA.html)

Die Anfänge

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Der Tages-An­zei­ger be­rich­tet über die Fierz-Häu­ser im Zür­cher In­du­strie­quar­tier. Die Sied­lung ist im In­ven­tar der schüt­zens­wer­ten Ob­jek­te auf­ge­führt. Sie wur­de in den 1870­er-Jah­ren als ers­te ge­nos­sen­schaft­li­che Sied­lung Zü­richs ge­baut. Die Häu­ser wa­ren klei­ne, zwei­stöc­ki­ge Dop­pel­häu­ser und hat­ten 83m² Wohn­flä­che pro Woh­nung, was heu­te et­wa dem Stand einer Zwei­zim­mer­woh­nung ent­spricht.

Szenen aus der Fierz-Siedlung

Szene 1
Szene 2
Szene 3

(aus Google Street­view)

Sze­nen aus der Fierz-Sied­lung

Szene 1
Szene 2
Szene 3

(aus Google Street­view)

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Al­ler­dings müs­sen die­se Häu­ser viel Grün rund her­um ha­ben. Sonst hät­te sich wohl der Vor­ste­her des Hoch­bau­de­par­te­ments, An­dré Oder­matt, kaum zu der Aus­sa­ge ver­lei­ten las­sen: “Auf­grund ih­rer Aus­deh­nung er­reicht die Sied­lung eine ho­he städ­te­bau­li­che Präg­nanz und bil­det eine grü­ne Oa­se mit über­durch­schnitt­li­cher Wohn­qua­li­tät.”

In den 1970­er Jah­ren woll­te ein In­ves­tor al­les ab­reis­sen und durch eine Gross­über­bau­ung er­set­zen. Der Wi­der­stand im Quar­tier ver­hin­der­te den Ab­bruch.

Szene aus der Fierz-Siedlung

Szene 1
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An eini­gen Häu­sern er­folg­ten sehr un­ter­schied­li­che Um­bau­ten und Er­wei­te­run­gen. Da gibt es wel­che mit Flach­dach, an­de­re ha­ben die Ein­gän­ge ver­än­dert oder ein gros­ses Fens­ter ein­ge­baut, wie ein Schau­fens­ter für einen La­den oder eine Werk­statt. Al­len ge­mein­sam ist, dass die ur­sprüng­li­che Bau­sub­stanz im Spar­mo­dus er­stellt wur­de. Und wo das nicht spä­ter im Rah­men des Un­ter­halts ver­bes­sert wur­de, be­ste­hen heu­te aku­te Män­gel.

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Die Denkmal­pflege

En­de der 1980­er Jah­re wur­de die Sied­lung ins In­ven­tar der schüt­zens­wer­ten Ob­jek­te auf­ge­nom­men. Was das für die Eigen­tü­mer und den Un­ter­halt die­ser Häu­ser be­deu­tet, scheint noch heu­te mehr als flies­send zu sein.

Szenen aus der Fierz-Siedlung

Szene 2
Szene 3

(aus Google Street­view)

Der im Ta­ges-An­zei­ger ge­schil­der­te Fall zeigt den eine Fa­mi­lie aus die­ser Sied­lung. Ein Paar kauft ein sol­ches Haus im Jahr 1980. Mit den Kin­dern wird das Haus aber rasch zu klein. Sie ver­mie­ten es an eine WG und zie­hen aus der Stadt Zü­rich weg. 2009, die Kin­der sind jetz aus­ge­zo­gen, möch­te das El­tern­paar wie­der in ihr Stadt­haus zu­rück zie­hen.

Doch da müs­sen sie fest­stel­len, das Haus ist in einem denk­bar schlech­ten Zu­stand:

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Die Eigen­tü­mer pla­nen, zu­sam­men mit dem Hoch­bau­de­par­te­ment, die Sa­nie­rung so­wie eine klei­ne Er­wei­te­rung. Die Zu­sam­men­ar­beit klappt bes­tens. Es sieht nach kei­nen Ein­wän­den von Sei­ten des Am­tes aus. Als aber die of­fi­ziel­le Bau­ein­ga­be er­folgt, heisst es plötz­lich, die Er­wei­te­rung dürf­te nicht be­wil­ligt wer­den, weil das Haus in die­sem In­ven­tar der schüt­zens­wer­ten Ob­jek­te auf­ge­führt ist.

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Die Eigen­tü­mer zie­hen die Bau­ein­ga­be zu­rück. Sie er­kun­di­gen sich bei der Denk­mal­pfle­ge be­züg­lich des Un­ter­halts. Sie er­fah­ren, «sie sei­en ver­pflich­tet zum Un­ter­halt». Im­mer­hin be­steht aku­te Ge­fahr für Haus und Be­woh­ner. Der In­ge­ni­eur rät da­zu, sämt­li­che Dach­bal­ken aus­zu­wech­seln; sie sei­en faul. Und wie macht man das? Man reisst das Dach ab, um es mit neu­en Bal­ken wie­der ge­nau gleich auf­zu­bau­en.

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Aber HALT !

So­bald das Dach weg ist, ver­fügt die Stadt auf­grund der Denk­mal­schutz-Auf­la­gen einen Bau­stopp. Dies vor da­rum, weil die Stadt vom Bau­re­kurs­ge­richt ge­rügt wur­de, sie hät­te den Um­bau eines Vil­len­gar­tens zu rasch be­wil­ligt, näm­lich oh­ne vor­he­ri­ge gründ­li­che denk­mal­pfle­ge­ri­sche Be­gut­ach­tung.

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Die Ord­ner fül­len sich. Die Brie­fe ge­hen hin und her. Das Haus steht schon 10 Mo­na­te oh­ne Dach da, und eine Lö­sung zeich­net sich noch bei Wei­tem nicht ab. Die Stadt rech­net noch mit Mo­na­ten bis zu einem Ent­scheid. Doch dann wird es si­cher noch Re­kur­se ge­ben. Der Bau­stopp dürf­te da­her noch sicher ein paar Jah­re wei­ter gel­ten.

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Und das Dach darf so­lan­ge nicht (zwar mit neu­en Bal­ken) in den ur­sprüng­li­chen Zu­stand ge­bracht wer­den!

Und es wird so­lan­ge noch rein­reg­nen!

Und bis da­hin wird das Haus ein­deu­tig AB­BRUCH­REIF sein!

Und das wohl al­les auf Kos­ten des Eigen­tü­mers!

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Der Eigen­tü­mer woll­te nur das Haus in sei­ner be­ste­hen­den Art un­ter­hal­ten, das heisst er­hal­ten, weil für die Be­woh­ner (wenn nicht auch für Pas­san­ten) Le­bens­ge­fahr be­stand.

Wel­cher Be­am­te oder Denk­mal­pfle­ger hät­te wohl per­sön­lich die Ver­ant­wor­tung über­nom­men, wenn die Eigen­tü­mer ein­fach zu­ge­war­tet hät­ten und es wä­re in der Zwi­schen­zeit zum einem (viel­leicht) töd­li­chen Un­fall ge­kom­men? Auf die­se Art wird Denk­mal­schutz zur To­des­fal­le!

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Herr Spin­ner meint da­zu, das sei kei­ne ‘Schi­ka­ne’ der Stadt. Doch nicht ge­nug da­mit. Die Eigen­tü­mer soll­ten un­ter an­de­rem einen ‘Schutz­ver­trag’ un­ter­zeich­nen, der selbst die In­nen­ein­rich­tung (wohl auch die Möb­lie­rung) vor­schreibt. Das ist doch eher un­zu­läs­sig und da­her als “Nö­ti­gung” zu qua­li­fi­zie­ren.

Über­ei­fer im Denk­mal­schutz ist auch sek­tie­re­ri­scher Fa­na­tis­mus und als sol­cher Fun­da­men­ta­lis­mus.
Das ist ge­nau­so ge­fähr­lich wie die «Taliban».