Zukunfts-Vision der SVP für die Schweiz

Zum 1. August 2016

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Im Tages-Anzeiger vom 30. Ju­li 2016 be­fas­sen sich meh­re­re Ar­ti­kel mit dem Na­tio­nal­fei­er­tag mit sinn­vol­len Über­le­gun­gen. Auf Sei­te 5 folgt dann ein recht per­sön­li­ches In­se­rat des neu­en SPV-Par­tei­prä­si­den­ten Al­bert Rö­sti zum 1. August mit fol­gen­dem Ti­tel:

Titel

In dem In­se­rat wer­den auf im­mer glei­che Art auf die Stand­punk­te der SVP be­schwo­ren. Eini­ge da­von sind tat­säch­lich Gund­pfei­ler un­se­res Lan­des:

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Da­bei wird im­mer wie­der auf die 725-jäh­ri­ge Schweiz hin­ge­wie­sen. Die­ses Al­ter ist nicht nur “sa­gen­haft”, son­dern be­ruht im We­sent­li­chen auf einer Sa­ge (wie sie auch an­dern­orts, z.B. in Nor­we­gen vor­kommt) und auf de­ren Wei­ter­ent­wick­lung durch einen Dich­ter. — Si­cher liegt der An­fang der Eid­ge­nos­sen­schaft et­wa in je­ner Zeit; si­cher ist die Schweiz aus der Eid­ge­nos­sen­schaft her­vor­ge­gan­gen, wenn auch durch eine schmerz­li­che Trans­for­ma­ti­on. Bis vor et­wa 200 Jah­ren war das ja nur ein lo­ser Hau­fen zer­strit­te­ner Or­te, die sich un­ter sich be­krieg­ten, die über Un­ter­ta­nen­ge­bie­te ab­so­lut herrsch­ten und die sich mit der Zeit TOP zu einem Staa­ten­bund durch­mau­ser­ten, eini­ges ge­mein­sam hat­ten, aber auch im­mer noch auf ih­re Selb­stän­dig­keit poch­ten und sich wei­ter­hin be­krieg­ten, so­gar in frem­den Hän­deln als Un­ter­stüt­zer bei­der Kriegs­par­tei­en auf­tra­ten, är­ger als was die heu­ti­ge EU bie­tet. Und die Ent­schei­de der ober­sten ge­mein­sa­men Be­hör­de, der Tag­sat­zung (be­vor Aarau Haupt­ort der Eid­ge­nos­sen wur­de, tag­te sie zu­letzt noch in Ba­den), wur­den oft nicht von al­len Or­ten ernst ge­nom­men.

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Das ist et­wa wie wenn sich heu­te Herr­li­berg we­der an kan­to­na­les noch an Bun­des­recht hal­ten wür­de.

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Ein Bun­des­staat, den man Schweiz nen­nen kann, gibt es ge­ra­de mal 200 Jah­re. Und we­sent­li­che Ge­set­ze, die gross­teils noch heu­te gül­tig sind, hat uns ein Fran­zo­se na­mens Na­po­lé­on auf­ge­zwun­gen. So ent­hält der «Co­de Ci­vil» [fran­zö­si­scher Na­me un­se­res ZGB] im we­sent­li­chen den In­halt des «Co­de Na­po­lé­on».

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Auch wenn heu­te ein An­schluss an die EU si­cher nicht zur De­bat­te steht, scheint Herr Rö­sti eine pa­ni­sche Angst vor der EU zu ha­ben. Man will zwar "den bi­la­te­ra­len Weg er­hal­ten", aber nur oh­ne die da­zu­ge­hö­ri­gen Be­din­gun­gen zu ak­zep­tie­ren. Wir wol­len am Le­ben der Welt teil­ha­ben, bei Kul­tur und Wirt­schaft mit­mi­scheln und vor al­lem mit­ver­die­nen, aber oh­ne auf die an­de­ren als Part­ner ein­zu­ge­hen. Da­bei geht oft ver­ges­sen, dass wir in vie­len Be­lan­gen die sel­ben In­ter­es­sen ha­ben, wie an­de­re Län­der auch, z.B. bei der Ver­eite­lung von Gau­ne­rei­en.

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Mit dem, was das In­se­rat an­preist, kann ich ein­ver­stan­den sein oder eben auch nicht.
Angst macht mir vor al­lem der Ti­tel un­ter dem nach­fol­gen­den Cou­pons:

Coupon-Titel
Wer­den Sie jetzt Mit­glied der SVP, da­mit Sie auch in Zu­kunft noch sel­ber be­stim­men kön­nen…

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Was heisst das?

Darf ich in Zu­kunft in un­se­rem Land nur noch mit­be­stim­men, wenn ich nicht Mit­glied der SVP bin?

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Das darf ja wohl nicht sein. Un­ser gröss­tes Gut ist doch ge­ra­de die «di­rek­te De­mo­kra­tie», in der al­le mit­be­stim­men kön­nen, und in der auch Min­der­hei­ten eine Stim­me ha­ben.

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Ent­dec­ken wir hier ge­ra­de ein neu­es Pro­gramm der SVP: den Ein-Par­tei­en-Staat als Dik­ta­tur? Oder war die Par­tei et­wa schon im­mer auf die­ses Ziel ge­rich­tet?

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«Direkte Demokratie»

Direk­te De­mo­kra­tie ist doch das, wo­rum uns so vie­le be­nei­den. Da kön­nen al­le mit­re­den und mit­be­stim­men, nicht nur eine Partei, und zwar auch bei Sach­fra­gen. Da sind auch die Be­hör­den (sowohl Le­gis­la­ti­ve als auch Exe­ku­ti­ve) un­ter der Kon­trol­le des Vol­kes. Ge­gen un­lieb­sa­me Ge­set­ze, die ja nach Ver­fas­sung durch das Par­la­ment (Na­tio­nal- und Stän­de­rat, al­le­samt ge­wähl­te Volks­ver­tre­ter) er­las­sen wer­den, kön­nen Bür­ger in­nert an­ge­mes­se­ner Frist vor In­kraft­tre­ten ein Re­fe­ren­dum er­grei­fen.

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Und ab­so­lut je­de Än­de­rung der Ver­fas­sung muss zwin­gend von Volk uns Stän­den an­ge­nom­men wer­den. Letz­te­res wur­de mal als Min­der­hei­ten­schutz ein­ge­führt. Aber auch eine grös­se­re Zahl von Bür­gern kann per Ini­tia­ti­ve eine Ver­fas­sungs­än­de­rung vor­schla­gen. Lei­der wird die­se Mög­lich­keit zu­neh­mend von den po­li­ti­schen Par­tei­en zu Wer­be­zwec­ken miss­braucht, ob­wohl ihr Ein­fluss eigent­li­che auf Par­la­ments­ebe­ne er­fol­gen soll­te.

Original Inserat Rösti:

➔ Original Inserat Rösti aus dem Tages-Anzeiger© vom 30. Juli 2016, Seite 5. [PDF, 370 kB]

➔ www.zumkuckucksei.net/Politik/exzs/images/TA-SVP.pdf Original Inserat Rösti aus dem Tages-Anzeiger© vom 30. Juli 2016, Seite 5. [PDF, 370 kB]

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Und am 2. Aug. doppelt der Übervater der SVP gleich nach

In der fol­gen­den Aus­ga­be des Ta­ges-An­zei­ger, d.h. am 2. August, an glei­cher Stel­le (auch wie­der Sei­te 5) folgt wie­der ein ganz­sei­ti­ges In­se­rat, dies­mal mit einem In­ter­view von Chri­stoph Blo­cher. Eigen­ar­ti­ger­wei­se gibt es nir­gends einen Hin­weis dar­auf, wer da mit Herrn Blo­cher ein In­ter­view ge­führt hat. Viel­leicht so­gar er selbst.

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Darin be­rei­tet die graue Emi­nenz der SVP wie­der mal breit sei­ne EU­pho­bie aus. Und er geis­selt, dass das Bun­des­ge­richt auf der Ein­hal­tung ein­mal un­ter­schrie­be­ner Ver­trä­ge be­harrt. Da­bei gilt das doch auch für uns ge­wöhn­li­che Pri­vat­per­so­nen; ent­we­der man hält ge­schlos­se­ne Ver­trä­ge ein, oder man Kün­digt sie or­dent­lich. Viel­leicht gilt die­ses Prin­zip nicht mehr, wenn man ein ge­nü­gend gros­ses Por­te­mo­naie hat.

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Auch hier ist wie­der ein An­mel­de-Ta­lon dran, dies­mal für den Bei­tritt zum «Ko­mi­tee ge­gen den schlei­chen­den EU-Bei­tritt». Of­fen­bar ist Herrn Blo­cher ent­gan­gen, dass heu­te nur noch we­ni­ge Schwei­zer der EU bei­tre­ten möch­ten. Ein ent­spre­chen­de Volks­ab­stim­mung wür­de heu­te nie durch­kom­men. Die ak­tu­el­len Prob­le­me der EU hat­te un­ser Land schliess­lich schon vor gut 200 Jah­ren.

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Der Coupon-Ti­tel heisst dies­mal: «Für den bi­la­te­ra­len Weg — Nein zur EU-An­bin­dung». Na ja, pro­bie­ren kann man es. Mal se­hen, wie das die Ver­trags­part­ner se­hen. Einer Ver­trags­än­de­rung müs­sen ja schliess­lich bei­de zu­stim­men, sonst bleibts beim Al­ten, oder man kün­digt.

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Original Inserat Blocher:

➔ Original Inserat Blocher aus dem Tages-Anzeiger© vom 2. Aug. 2016, Seite 5. [PDF, 83 kB]

➔ www.zumkuckucksei.net/Politik/exzs/images/TA-SVP.pdf Original Inserat Blocher aus dem Tages-Anzeiger© vom 2. Aug 2016, Seite 5. [PDF, 83 kB]


Übrigens noch et­was Ge­mein­sa­mes ha­ben die bei­den In­se­ra­te: Auf die­sen Sei­ten steht nir­gends, dass es sich um eine Sei­te des Ta­ges-An­zei­gers han­delt, auch kein Da­tum und kei­ne Sei­ten-Num­mer. Viel­leicht soll die ge­sam­te Me­di­en­land­schaft im­mer wie­der da­mit über­rollt wer­den.