BERN — Die Bernischen Kraftwerke (BKW) schalteten vergangenen Donnerstag, von der Öffentlichkeit unbemerkt, einen brisanten Bericht auf ihrer Website auf. Er enthält die Kritik der Osart-Mission, einer Delegation der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die das Werk letztes Jahr während dreier Wochen überprüft hatte.
Im Gegensatz zu dem im letzten Herbst veröffentlichten Kurzbericht zeigt der Schlussbericht Missstände im Management, im Anlagebetrieb und in der Überwachung auf. So sei etwa das Onthe-Job-Training mangelhaft, das Management zu wenig auf der Anlage präsent, und Korrekturmassnahmen würden nicht innert Frist umgesetzt. Weiter würden Übergabeprotokolle ungenügend ausgefüllt, und nicht immer seien ausgebildete Feuerwehrleute auf dem Areal.
In einer am letzten Freitag veröffentlichten Mitteilung fordert das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) die Umsetzung der Empfehlungen der IAEA. Antonio Sommavilla, Sprecher der BKW, sagt, dass derzeit geeignete Massnahmen geprüft würden. Man sei bestrebt, die Sicherheitskultur weiterzuentwickeln. Im Rahmen der Osart-Folgemission in etwa 18 Monaten würden dann die umgesetzten Massnahmen präsentiert.
Für Jürg Joss, Mitglied von Fokus Anti-Atom, ist diese Frist zu lang. Wegen der hochkomplexen Abläufe in einem AKW sei die Organisation das Wichtigste. Sei die Struktur aber fehlerhaft, würden im Notfall falsche Entscheide gefällt oder die Kommandos zeitlich verzögert. Das könne «verheerende Folgen» haben. Weiter sei es bei einem Vorfall unverzichtbar, dass Feuerwehrleute auf dem Areal seien. Dies war laut Bericht in 8 von 1054 Schichten nicht der Fall.
Das klinge zwar nach wenig, sagt Joss, doch man müsse an die Folgen denken, wenn ein Unfall passiert wäre. Die grösste Überraschung für Joss war aber die Erkenntnis der Osart-Kontrolleure, dass der Kommandoraum des Notstandssystems Susan, so wie es heute bestehe, über einen längeren Zeitraum von einem Notfallteam nicht bewohnbar sei. Fukushima habe aber gezeigt, dass die Kommandozentrale bei einem Super-GAU über Wochen besetzt sein müsse und nur von dort aus das Werk unter Kontrolle gebracht werden könne.
Das Ensi habe bereits ein weiterentwickeltes Notfallmanagement-Konzept für die Bewältigung ausserordentlicher Ereignisse verlangt, kontert Sommavilla die Kritik. Das Konzept werde gegenwärtig erarbeitet. Im Krisenfall würde die Arbeit aber auch von externen BKW-Stellen unterstützt. Für den Ingenieur Joss sticht das Argument nicht. Bei einem Unfall könne das Werk, wenn überhaupt, nur vor Ort in der Notfallsteuerzentrale gesteuert werden.
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Missstände in Mühleberg
Missstände in Mühleberg
Im Bericht der Delegation der Internationalen Atomenergiebehörde über das AKW Mühleberg steht, dass das Management zu wenig auf der Anlage präsent sei. Zudem sei der Kommandoraum des Notstandssystems nicht über längere Zeit bewohnbar, und es seien nicht immer ausgebildete Feuerwehrleute auf dem Areal. Schön nach dem Motto: Wenn was los ist, die Anlage im Stich lassen und den Staat um Hilfe rufen. Solchen Leuten dürfte man nicht nur kein AKW anvertrauen, nein, überhaupt keine Anlage zur Stromerzeugung oder -verteilung. Gebt ihnen einen Sandhaufen. Sie schaffen es sicher, auch diesen zum Gefahrenherd für die Gesellschaft umzufunktionieren.
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