An der Eröffnung von Hufschmieds Tropenhaus in Frutigen, 2009: BKW-Chef Kurt Rohrbach (l.), Hufschmied (r.)
FOTO: B. KREIENBÜHL
An der Eröffnung von Hufschmieds Tropenhaus in Frutigen, 2009: BKW-Chef Kurt Rohrbach (l.), Hufschmied (r.)
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BRUGG Peter Hufschmied, der oberste Chef der Schweizer AKWPrüfer, unterhält seit Jahren beruflich enge Beziehungen auch finanzieller Art mit der BKW, die das AKW Mühleberg betreibt.
Hufschmied ist Präsident des Ensi-Rats und beaufsichtigt das Nuklearinspektorat (Ensi), das nach der Katastrophe in Fukushima die Sicherheit der Schweizer AKW überprüft. Vom Ensi-Urteil nächste Woche hängt ab, ob die AKW in der Schweiz weiterlaufen dürfen. Das Ensi steht in der Kritik, weil es trotz negativen deutschen Gutachten den Energiekonzern BKW nicht zwingt, Risse im Kernmantel von Mühleberg zu reparieren.
Ensi-Ratspräsident Hufschmied ist seit Jahren mit der BKW im Geschäft. Drei bis vier Millionen Franken soll laut Insidern der Energiekonzern in sein Projekt, das Tropenhaus Frutigen, eingeschossen haben — einen Teil als Darlehen, einen Teil mit dem Kauf von Aktien. Es besteht ein Zusammenarbeitsvertrag. Hufschmied ist Verwaltungsratspräsident des Tropenhauses. Er gilt als Pionier und Planer des alpinen Erlebnisparks. Mit Warmwasser aus dem Lötschberg züchten der Ensi-Chef und sein Team Störfische zur Produktion von Kaviar und exotische Pflanzen — im Gourmetrestaurant nebenan gibt es Erlebnisgastronomie mit Produkten aus der eigenen Zucht. Hufschmied lancierte das Projekt 2002, im November 2009 eröffnete er die Anlage. Am Anlass anwesend war auch Kurt Rohrbach, Geschäftsleitungsmitglied der BKW. Das Logo der BKW und von Coop — einem weiteren Partner — prangt auf der Internetsite des Tropenhauses.
Auf die Verbindungen angesprochen, sieht Hufschmied keinen Interessenkonflikt: «Das sind rein kommerzielle Beziehungen», sagt er. Weitere Anfragen beantwortete der Ensi-Präsident gestern nicht, er weilt in Russland. Die BKW will die Geschäftsbeziehungen nicht erläutern. Über den Inhalt vertraglicher Abmachungen «haben die Vertragsparteien Stillschweigen vereinbart», sagt BKW-Sprecher Sebastian Vogel.
Das Departement von Bundesrätin Doris Leuthard sieht trotz der Recherchen der SonntagsZeitung keinen Anlass, «an der Unabhängigkeit des Ensi-Ratspräsidenten zu zweifeln» — obwohl die Umweltministerin in einem persönlich unterschriebenen Brief Anfang April betonte, «die fachliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit gegenüber den beaufsichtigten Organisationen» sei für ein Ensi-Ratsmitglied wichtig. Der Brief war an Martin Neukom gerichtet — der Grüne hatte sich für den Ensi-Rat beworben und von Leuthard eine Absage erhalten.
Eng wird es für ETH-Professor Horst-Michael Prasser. Er soll laut Insidern nicht mehr für die nächste Amtsperiode des EnsiRats vorgeschlagen werden. Seine Unabhängigkeit wurde in der Presse angezweifelt, weil Prassers Professur von Swissnuclear finanziert wird, einer Fachgruppe der Energiekonzerne.
Bund sieht keinen Anlass, an Hufschmied zu zweifeln
VR-Präsident Hufschmied und Aktionäre wie Coop und BKW können auf ein gutes Geschäftsjahr zurückblicken. Ãœber 100'000 Besucher reisten nach Frutigen, der Umsatz soll vergangenes Jahr 60 Prozent über Budget gelegen haben. Zurzeit läuft die Ausstellung «Warum ist die Erde warm?» — mit fachlicher Unterstützung und 50'000 Franken von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), die zu 97 Prozent den AKW-Betreibern gehört. Das Ensi beaufsichtigt auch die Nagra.
Hufschmied hatte in der Vergangenheit auch geschäftliche Beziehungen zum AKW Mühleberg. Ab 2006 war das Berner Ingenieurgeschäft Emch + Berger für verschiedene Bauten auf dem Areal verantwortlich. Hufschmied war 2004 bis 2007 CEO der Firma. Trotz diesen Geschäften wählte ihn der Bundesrat auf Vorschlag des Departements von Moritz Leuenberger 2007 zum Ensi-Präsidenten.
Auf die Verbindungen angesprochen, sieht Hufschmied keinen Interessenkonflikt: «Das sind rein kommerzielle Beziehungen», sagt er. Weitere Anfragen beantwortete der Ensi-Präsident gestern nicht, er weilt in Russland. Die BKW will die Geschäftsbeziehungen nicht erläutern. Über den Inhalt vertraglicher Abmachungen «haben die Vertragsparteien Stillschweigen vereinbart», sagt BKW-Sprecher Sebastian Vogel.
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BERN Peter Hufschmied, Chef der Schweizer AKW-Prüfer, liess sich dieses Jahr von einer Tochterfirma der Mühleberg-Betreiberin BKW für ein Beratermandat bezahlen. Er hat seine Kommission — entgegen den Regeln — nicht darüber informiert.
Die Firma Sol-E Suisse, für die Hufschmied arbeitete, ist eine 100-prozentige BKW-Tochtergesellschaft. Hufschmied war dort im Bereich erneuerbare Energie tätig. Pikant: Der Präsident des Ensi-Rats nahm das Engagement an, obwohl ihm der Rat vor zwei Jahren ein gleiches Mandat untersagt hatte. Auch damals wollte er sich als Berater im Bereich erneuerbare Energie von der BKW bezahlen lassen. «Unser Gremium hat es als nicht opportun erachtet, einen solchen Auftrag anzunehmen», bestätigt Anne Eckhard, Vizepräsidentin des EnsiRates. Für Eckhard selber ist klar: «Ich arbeite nie für einen Kernkraftwerkbetreiber oder eine Organisation, die einem Betreiber nahesteht.»
Nach Informationen der SonntagsZeitung hat Hufschmied vor zwei Jahren tro0tz des damaligen Ratsentscheides für Sol-E Suisse gearbeitet. Das Mandat vor zwei Monaten hat er dem Rat schon gar nicht zur Begutachtung vorgelegt — wohl aus Angst vor einer weiteren Ablehnung.
«Ich kann mich an die Diskussion vor zwei Jahren nicht erinnern», sagt Hufschmied. Das Gesetz erlaube ihm eine solche Tätigkeit aber. Zudem seien die Mitglieder der Milizkommission auf eine zusätzliche Erwerbstätigkeit angewiesen. Letzte Woche machte die SonntagsZeitung publik, dass die BKW in Hufschmieds Tropenhaus-Projekt mehrere Millionen investiert hatte.
Belege der SonntagsZeitung zeigen zudem, dass die AKW-Betreiber wiederholt versuchten, die obersten AKW-Prüfer «anzufüttern». Die Planungsgesellschaft Resun, die für die Energiekonzerne Alpiq, Axpo und BKW in der Schweiz zwei neue AKW bauen wollte, versuchte vor wenigen Monaten, einen Beratervertrag mit Horst-Michael Prasser abzuschliessen. Prasser ist Professor für Kernenergiesysteme an der ETH Zürich und sitzt im EnsiRat. Seit einiger Zeit steht er in der Kritik, weil sein Lehrstuhl von Swissnuclear finanziert wird, einer Fachgruppe der Energiekonzerne. Er sollte für Resun Expertisen für die neuen AKW erstellen — das Ensi ist gleichzeitig zuständig für die Bewilligung neuer Werke.
«In dieser Position kann man sich nichts erlauben»
Prasser hat das Angebot nicht sogleich ausgeschlagen. Er war unsicher und konfrontierte die Ratskollegen mit der Offerte.
So steht es im Protokoll des Ensi-Rates vom 25. August 2010, in das die SonntagsZeitung unter Berufung auf das Öffentlichkeitsgesetz Einblick nahm. Vom Ensi-Rat und der Ensi-Geschäftsleitung kam dann eine klare Antwort: Die Kollegen erachteten das Ansinnen Prassers und der AKW-Betreiber «als heikel». Sie sahen hier «einen echten Interessenkonflikt». Es sei nicht auszuschliessen, «dass es die Absicht der Resun ist, das Ensi über den Vertrag in eine gewisse Richtung zu verpflichten». Auch die Beznau-Betreiberin Axpo versuchte, einen Ensi-Ratsexperten einzukaufen. Hans-Jürgen Pfeiffer bestätigt, dass ihm der Kraftwerkkonzern 2009 einen Auftrag offeriert habe. Dabei ging es um die Sanierung von radioaktiv verseuchtem Kies in der Aare. «Ich habe sofort abgelehnt», sagt Pfeiffer. Und: «In dieser Position kann man sich nichts erlauben, was den Anschein von Befangenheit macht.»
Die Vorgänge im Ensi-Rat rufen Politiker, unter anderem CVP-Chef Christophe Darbellay, auf den Plan. Die Präsidentin der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission (GPK), Maria Roth-Bernasconi, ist alarmiert: «Wenn die Vorwürfe gegen Herrn Hufschmied zutreffen, bestünde eine unrechtmässige Abhängigkeit zwischen dem Ensi-Ratspräsidenten und der BKW.» Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Bundesrat die Sache nicht prüfe. Wenn die Regierung ihre Aufsichtspflicht vernachlässige, müsse das die GPK untersuchen, sagt Roth-Bernasconi.
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