Ex­per­te sieht Flug­zeu­ge als gros­ses Si­cher­heits­ri­si­ko für die AKWs

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Die Ato­mauf­sichts­be­hör­de des Bun­des ver­schlep­pe längst fäl­li­ge Un­ter­su­chun­gen, sagt ein TOP Ex-Swiss­air-Pi­lot.

Mühleberg

Die Re­ak­tor­hül­le ist im obe­ren Be­reich bloss 15 Zen­ti­me­ter dick: Atom­kraft­werk Müh­le­berg bei Bern.

Foto: Urs Hubacher (Keystone)

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Die Re­ak­tor­hül­le ist im obe­ren Be­reich bloss 15 Zen­ti­me­ter dick: Atom­kraft­werk Müh­le­berg bei Bern.

Foto: Urs Hubacher (Keystone)

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Von Stefan Häne

Die Atom­auf­sichts­be­hör­de des Bun­des (ENSI) will die Ge­fahr von Flug­zeug­ab­stür­zen neu be­ur­tei­len. Mehr als ein Jahr ist seit die­ser An­kün­di­gung ver­stri­chen, doch neue Re­sul­ta­te lie­gen noch nicht vor. Dies zei­gen Ant­wor­ten, die das ENSI im Tech­ni­schen Fo­rum Kern­kraft­wer­ke ge­ge­ben und vor­ges­tern auf sei­ner Ho­me­pa­ge auf­ge­schal­tet hat. In die­sem Fo­rum ste­hen si­cher­heits­tech­ni­sche Fra­gen rund um die AKW zur De­bat­te.

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Der ehe­ma­li­ge Swiss­air-Pi­lot Max Tob­ler woll­te wis­sen, wie viel Ra­dio­ak­ti­vi­tät in die Luft ent­weicht, soll­te ein schwe­res Flugz­eug wie zum Bei­spiel ein Air­bus A380 mit 770 km/h ins Re­ak­tor­ge­bäu­de des AKW Müh­le­berg kra­chen. Das ENSI geht mit Ver­weis auf Stu­di­en im Nach­gang zu den Ter­ror­an­schlä­gen vom 11. Sep­tem­ber 2001 auf die­se Fra­ge nur in all­ge­mei­ner Form ein. So sei zwar mit «schwe­ren Per­so­nen- und Sach­schä­den» in einer An­la­ge zu rech­nen, TOP soll­te ein Flug­zeug vor­sätz­lich in ein AKW flie­gen, wie dies bei einem Ter­ror­an­schlag der Fall sein könn­te. Dass da­bei ra­dio­ak­ti­ve Stof­fe frei­ge­setzt wür­den, hält das ENSI je­doch für we­nig wahr­schein­lich. Als Re­fe­renz­flug­zeug gilt al­ler­dings nicht et­wa ein Air­bus 380, son­dern eine Boe­ing 707 — eine Ma­schi­ne al­so, die cir­ca fünf­mal leich­ter ist und de­ren Ge­schwin­dig­keit mit bloss 370 km/h be­rech­net wur­de. Das ENSI re­la­ti­viert dies mit dem va­gen Hin­weis, es be­stün­den «wei­te­re Si­cher­heits­re­ser­ven».

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An­flug auf AKW «kein Pro­blem»

Die Aufsichts­be­hör­de be­tont zu­dem, Müh­le­berg sei mit einem «ge­bun­ker­ten Not­stand­sys­tem» nach­ge­rüs­tet wor­den, wes­halb es im welt­wei­ten Ver­gleich einen «sehr ho­hen» Si­cher­heits­stan­dard auf­wei­se. Ge­mäss ENSI müss­te ein Flug­zeug schliess­lich mit ho­her Ge­schwin­dig­keit in ein AKW stür­zen, da­mit eine «lo­ka­le Durch­drin­gung» des Re­ak­tor­ge­bäu­des mög­lich sei. Bei sol­chen Tem­pi in­des sei es schwie­rig, den Mei­ler so zu tref­fen, dass er schwer be­schädigt wür­de.

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Diese Ant­wort über­zeugt Tob­ler nicht. «Das ENSI wie­der­holt al­te, längst wi­der­leg­te Be­haup­tun­gen», sagt der Fach­mann, der heu­te als Flug­si­mu­la­tor-In­struk­tor ar­bei­tet. Tob­ler il­lust­riert dies mit einem Bei­spiel: Müh­le­berg ist En­de der 60er-Jah­re oh­ne Vor­ga­ben hin­sicht­lich eines Flug­zeug­ab­stur­zes er­stellt wor­den. Erst 1986 mach­te die Vor­gän­ger­or­ga­ni­sa­ti­on des ENSI, die Haupt­ab­tei­lung für die Si­cher­heit der Kern­an­la­gen (HSK), einen Ver­such mit einem 20 Ton­nen schwe­ren Mi­li­tär­jet, der mit 5 Ton­nen Treib­stoff und 770 km/h in eine Be­ton­wand TOP flog. Da­raus fol­ger­te sie, dass die Re­ak­tor­hül­le min­des­tens 1,50 Me­ter dick sein müs­se. Bei Müh­le­berg, so wen­det Tob­ler ein, be­tra­ge die Dic­ke im obe­ren Be­reich aber bloss 15 Zen­ti­me­ter und in der Wand­mit­te de­ren 60. Die Ma­schi­nen sei­en heut­zu­ta­ge zu­dem bis zu 20-mal schwe­rer und trü­gen bis zu 50-mal mehr Treib­stoff mit sich als im HSK-Ver­such. Laut dem Flug­ex­per­ten ist es zu­dem kein Prob­lem, eine gros­se Ma­schi­ne in ein AKW zu steu­ern. «Dies zei­gen Ver­su­che am Si­mu­la­tor.» Aus Nord­wes­ten, wo ein ganz nor­ma­ler An­flug mög­lich sei, ste­he der Müh­le­berg-Re­ak­tor völ­lig frei.

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Uvek setzt kei­ne Dead­li­ne

Tobler wirft dem ENSI Ob­struk­ti­on vor, «da es in nuk­le­ar­freund­li­cher Art die Achil­les­fer­se der Re­ak­to­ren zu ver­ber­gen sucht». Das ENSI ver­wahrt sich ge­gen die­se Kri­tik. Man ver­fol­ge lau­fend die Ent­wick­lung von For­schung und Tech­nik, Si­cher­heits­ana­ly­sen wür­den pe­rio­disch ak­tua­li­siert, sagt ein Spre­cher. Dies be­an­spru­che aber Zeit. Über die neu­en Er­geb­nis­se wer­de das ENSI nicht vor En­de 2015 in­for­mie­ren, stellt er klar. Al­so erst nach der Ab­stim­mung über die kan­to­na­le Ini­tia­ti­ve «Müh­le­berg vom Netz», die eine so­for­ti­ge Still­le­gung des Ber­ner AKW ver­langt. Der Ur­nen­gang fin­det am 18. Mai statt.

 PDF:
akwsicherheit.tagesanzeiger.ch
(www.zumkuckucksei.net/PDF/ENSI-35800.pdf)
 PDF:
akwsicherheit.tagesanzeiger.ch
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Eine Dead­line für den Ab­schluss der Un­ter­su­chung nennt das ENSI nicht. Und es er­hält auch kei­ne. Das Uvek, das De­par­te­ment von Ener­gie­mi­ni­ste­rin Do­ris Leut­hard, sieht es nicht als sei­ne Auf­ga­be, dem ENSI «Ter­mi­ne für Mass­nah­men zu set­zen, die in sei­ne Kom­pe­tenz fal­len». Ob die Öf­fent­lich­keit nach 2015 mehr er­fah­ren wird, ist oh­ne­hin frag­lich. Sen­sib­le Da­ten ta­xiert das ENSI näm­lich als ge­heim; dies sei mit den OECD-Län­dern ver­ein­bart — zum Schutz der AKW und da­mit der Be­völ­ke­rung.

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