Die Energiewende führt in die Sackgasse

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Aus­stiegs­de­bat­te Wa­rum Atom­strom wei­ter­hin eine Zu­kunft hat.

Von Hans-Rudolf Lutz*)

Die Atom­auf­sichts­be­hör­de ENSI hat stets je­de Mit­ver­ant­wor­tung ab­ge­lehnt, nach­dem im letz­ten Ju­ni in der Schutz­hül­le des AKW Leib­stadt sechs Bohr­lö­cher ent­deckt wur­den. Es sei der Feh­ler der Be­trei­ber­kan­to­ne Zü­rich und Bern — das ENSI üb­te in un­ge­wohnt schar­fem Ton Kri­tik: Noch nie ha­be es eine sol­che Ver­let­zung des Schutz­man­tels ge­ge­ben. Ein Be­richt des Schwei­ze­ri­schen Ver­eins für tech­ni­sche In­spek­tio­nen wi­der­spricht die­ser Ein­schät­zung und schreibt dem ENSI eine Mit­schuld TOP zu: Ge­mäss die­sem Be­richt müs­sen die In­spek­to­ren die Schutz­hül­le min­des­tens al­le vier Jah­re von Auge prü­fen. Die Bohr­lö­cher wa­ren 2008 an­ge­bracht wor­den, sie hät­ten al­so spä­tes­tens 2012 ent­deckt wer­den müs­sen. Das ENSI weist wei­ter­hin je­de Schuld von sich, Kri­ti­ker las­sen das nicht gel­ten: Die Be­hör­de wür­de vi­su­el­le Kon­trol­len mit ge­schlos­se­nen Augen durch­füh­ren, sagt ein Atom­ex­per­te bei Green­pea­ce.

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Die his­to­risch wuch­ti­ge Ab­leh­nung der grün­li­be­ra­len «Ener­gie- statt Mehr­wert­steu­er»â€“Ini­tia­ti­ve vor zwei Wo­chen hat klar ge­zeigt, dass im Schwei­zer Volk ein Stim­mungs­wan­del hin­sicht­lich Ener­gie- und Strom­steu­ern statt­ge­fun­den hat. Das wird — trotz der fast ver­zwei­fel­ten Ver­nei­nung durch die Pro­ta­go­nis­ten — auch auf die Ener­gie­stra­te­gie 2050 Aus­wir­kun­gen ha­ben.

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Es wird jetzt vie­len klar, dass die deut­sche Ener­gie­wen­de kei­nes­wegs so ziel­füh­rend ist, wie — un­ter an­de­ren — Ru­dolf Strahm in sei­ner TA-Ko­lum­ne uns weis­ma­chen woll­te. Sei­nem Schluss­satz «Deut­schland hat es (die Ener­gie­wen­de) vor­ge­macht und pro­fi­tiert jetzt da­von» kann man ein Zi­tat aus der «Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung» ent­ge­gen­hal­ten: «Ein­fluss­rei­che Tei­le der deut­schen Wirt­schaft be­wer­ten die Ener­gie­po­li­tik als De­sas­ter.» Vor kur­zem ti­tel­te die glei­che Zei­tung so­gar: «Trep­pen­wit­ze der Ener­gie­wen­de». Ja, man kann Deut­schland zum Vor­bild neh­men. Aber nur als schlech­tes Bei­spiel.

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Strom­markt de­sta­bi­li­siert

Mit der aus dem Ru­der ge­lau­fe­nen För­de­rung der «Flat­ter­strom­pro­duk­ti­on» von Fo­to­vol­ta­ik- und Wind­kraft­an­la­gen hat un­ser nörd­li­cher Nach­bar den Strom­markt vor al­lem in den Som­mer­mo­na­ten völ­lig de­sta­bi­li­siert. Da­zu nur zwei Zah­len: Die bei­den Strom­pro­duk­ti­ons­ar­ten wer­den ge­gen­wär­tig jähr­lich mit über 20 Mil­li­ar­den Euro sub­ven­tio­niert und ge­ne­rie­ren da­bei beim Ver­kauf die­ses Stroms auf dem Spot­markt Ein­nah­men von et­was mehr als 2 Mil­li­ar­den Euro.

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Und wer be­zahlt das? Ers­tens al­le deut­schen Strom­ver­brau­cher. Da­bei sind vor al­lem die Mie­ter die Dum­men. Sie ha­ben näm­lich nor­ma­ler­wei­se we­der die Mit­tel noch die Mög­lich­keit, sich eine eige­ne Fo­to­vol­ta­ik­an­la­ge aufs Dach mon­tie­ren zu las­sen, um von den luk­ra­ti­ven, für 20 Jah­re ga­ran­tier­ten Ein­spei­se­ver­gü­tun­gen zu pro­fi­tie­ren.

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Zwei­tens sind es in­di­rekt die Elek­tri­zi­täts­wer­ke in Deut­schland, aber auch im um­ge­ben­den Aus­land. Was Deut­schland be­trifft, kann man wie­der in der «Frank­fur­ter All­ge­mei­nen» le­sen: «Zu den ak­tu­el­len Prei­sen an der Strom­bör­se kann kein Kraft­werk sei­ne Kos­ten ver­die­nen. Die Braun­koh­le ver­dient kein Geld mehr, die Stein­koh­le ist un­ter Was­ser, Gas ist rich­tig ab­ge­sof­fen.»

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In der Schweiz sind es vor al­lem die Pump­spei­cher-, aber auch die Lauf­kraft­wer­ke, die von der deut­schen Strom­schwem­me ge­trof­fen wer­den und zum Teil nicht mehr ren­tie­ren. Die so­eben von der Alpiq-CEO Ja­smin Staib­lin auf­ge­stell­te For­de­rung nach einem «Was­ser­rap­pen» ist ver­ständ­lich — markt­wirt­schaft­lich aber ab­surd.

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Wegen zu star­ker Sub­ven­tio­nie­rung der einen er­neu­er­ba­ren Strom­pro­duk­ti­on, muss die an­de­re, seit 100 Jah­ren be­währ­te nach­hal­ti­ge Strom­pro­duk­ti­on eben­falls sub­ven­tio­niert wer­den. Ja, es geht noch wei­ter: Auch die Gross­ver­brau­cher von Strom müs­sen ge­stützt wer­den. Ih­re Be­frei­ung von den Zu­schlä­gen zur För­de­rung er­neu­er­ba­rer Ener­gi­en ist im Prin­zip eben­falls eine Sub­ven­ti­on: schö­ne neue Ener­gie­wen­de-Welt!

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All das wä­re nicht nö­tig, wenn Deut­schland und die Schweiz – wie min­des­tens 30 an­de­re Staa­ten auf der Welt — nicht aus der Kern­ener­gie aus­stei­gen und die to­tal ver­kehr­te So­lar­ener­gie-Sub­ven­tio­nie­rung un­ver­züg­lich stop­pen wür­den.

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Der ja­pa­ni­sche Re­gie­rungs­chef Abe hat Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel vor kur­zem bei ih­rem Be­such in Ja­pan ganz klar die­se Bot­schaft ver­mit­telt: Deutsch­land ist auf dem Holz­weg, und Ja­pan wird den gröss­ten Teil sei­ner mo­men­tan noch ab­ge­stell­ten Kern­kraft­wer­ke wie­der in Be­trieb neh­men.

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Chi­na drängt auf den Markt

Auch China ver­stärkt sei­ne Ak­ti­vi­tä­ten im Nuk­le­ar­sek­tor. Es will sei­nen mo­men­tan noch be­schei­de­nen Kern­ener­gie-An­teil von 2 Pro­zent der Elek­tri­zi­täts­pro­duk­ti­on bis zum Jah­re 2020 ver­drei­fa­chen, und es ver­sucht gleich­zei­tig, mit sei­nem eige­nen Dritt­ge­ne­ra­ti­ons­reak­tor in den euro­päi­schen Markt vor­zu­drin­gen.

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Selbst wenn al­so Deutsch­land und die Schweiz durch­zie­hen, was ich als Jahr­hun­dert­dumm­heit be­zeich­ne, den Aus­stieg aus der Kern­ener­gie, wird sie in einer ste­tig zu­neh­men­den Zahl von Län­dern noch weit ins 22. Jahr­hun­dert an­zu­tref­fen sein.


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