AKWs müssen nachrüsten

Die Atom­auf­sicht Ensi stellt nach Fu­ku­shi­ma Si­cher­heits­män­gel bei al­len AKW fest, vor al­lem bei Müh­le­berg und Bez­nau. Ab­schal­ten will das Ensi noch kein Werk — die Be­trei­ber müs­sen aber TOP rasch nach­rüs­ten.

Kontrollraum

Blick in den Kontrollraum des stark bemängelten Atomkraftwerks Mühleberg.

Foto: Gaëtan Bally (Keystone)

Kontrollraum

Blick in den Kon­troll­raum des stark be­män­gel­ten Atom­kraft­werks Müh­le­berg.

Foto: Gaëtan Bally (Keystone)

Von Simon Thönen, Bern
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Abschottung und Of­fen­heit hiel­ten sich ges­tern beim Sitz des Eid­ge­nös­si­schen Nuk­lear­si­cher­heits­in­spek­to­rats (Ensi) in Brugg die Waa­ge. Jour­na­lis­ten muss­ten gleich drei Kon­trol­len pas­sie­ren — schliess­lich de­mon­strier­te vor dem Ein­gang ein bun­ter Trupp AKW-Geg­ner. Zug­leich wa­ren Ver­tre­ter von Green­pea­ce of­fi­ziell an die Pres­se­kon­fe­renz des Ensi zur Si­cher­heit der Schwei­zer Atom­kraft­wer­ke nach Fu­ku­shi­ma ein­ge­la­den.

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Eine grosse Spann­wei­te wie­sen auch die Bot­schaf­ten des Ensi auf. «Die Aus­sa­ge, dass die schwei­ze­ri­schen Kern­kraft­wer­ke si­cher be­trie­ben wer­den, gilt bis zum heu­ti­gen Tag», be­ton­te Ensi-Di­rek­tor Hans Wan­ner. Doch die Haupt­bot­schaft des Ensi war eine an­de­re: Al­le fünf AKW in der Schweiz wei­sen Si­cher­heits­män­gel auf. Dies hat die Aus­wer­tung der Be­rich­te er­ge­ben, wel­che die AKW-Be­trei­ber nach der Re­ak­tor­ka­ta­stro­phe in Ja­pan ein­rei­chen muss­ten.

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Am längsten ist die Lis­te der Si­cher­heits­män­gel beim AKW Müh­le­berg: Es braucht eine neue Was­ser­ver­sor­gung zur Küh­lung. Nach einem Erd­be­ben oder einer Über­flu­tung wä­re die Küh­lung des AKW und der Bec­ken mit den Brenn­ele­men­ten un­ge­nü­gend. Ab­ge­se­hen vom Punkt Was­ser­ver­sor­gung sieht es bei den zwei an­de­ren al­ten AKW Bez­nau I und II nicht bes­ser aus. Bei den ver­gleichs­wei­se jün­ge­ren AKW Leib­stadt und Gös­gen ist die Lis­te hin­ge­gen kurz.

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Vor­erst kein AKW ab­schal­ten …

Trotz der fest­ge­stell­ten Si­cher­heits­de­fi­zi­te will das Ensi kein AKW ab­schal­ten. «Es be­steht kei­ne un­mit­tel­ba­re Ge­fahr für die Be­völ­ke­rung», sag­te Wan­ner. Die­se Aus­sa­ge stützt das Ensi dar­auf, dass ex­tre­me Na­tur­ka­ta­stro­phen in der Schweiz sehr sel­ten sind.

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Hätte die Region Bern al­ler­dings das Pech, in nächs­ter Zeit von einem Erd­be­ben in einer Schwe­re, wie sie in der Schweiz grund­sätz­lich mög­lich ist, er­schüt­tert zu wer­den — dann wä­re die La­ge in Müh­le­berg kri­tisch. Dies zeig­ten die Ant­wor­ten des stell­ver­tre­ten­den Ensi-Di­rek­tors Georg Schwarz auf ent­spre­chen­de Nach­fra­gen. Wenn bei dem Be­ben der na­he Woh­len­see-Stau­damm brä­che, dann könn­ten die Was­ser­ver­sor­gung und die ex­ter­ne Strom­zu­fuhr weg­fal­len. «Auch dann ist nicht al­les ver­lo­ren», sagte Schwarz zwar. Mit dem im AKW vor­han­de­nen Was­ser kön­ne der Re­ak­tor drei bis fünf Ta­ge lang ge­kühlt wer­den – falls die Not­strom­die­sel dann funk­tio­nie­ren und Strom für die Pum­pen lie­fern. Soll­ten auch die­se ver­sa­gen, gibt es Bat­te­rien, die aber nur zehn bis zwölf Stun­den lau­fen wür­den.

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Das Risiko, dass Natur­ka­ta­stro­phen auch AKW-Un­fäl­le aus­lö­sen, sei nicht trag­bar, kri­ti­sier­te Green­pea­ce ges­tern. Die drei äl­tes­ten AKW Müh­le­berg und Bez­nau müss­ten vor­läu­fig still­ge­legt wer­den. Die Si­cher­heits­män­gel sei­en zu be­he­ben, «be­vor ein Wei­ter­be­trieb in Be­tracht ge­zo­gen wird».

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… aber Fristen für Nach­rüstung

Die­ses Vor­ge­hen zieht das Ensi nicht in Be­tracht — noch nicht. Vor­läu­fig ab­schal­ten will die Atom­auf­sicht die AKWs aber, falls ih­re Be­trei­ber die­se Nach­wei­se nicht frist­ge­recht er­brin­gen kön­nen: — Bis zum 30. Juni 2011 müs­sen sie nach­wei­sen, dass ihre AKW ein Hoch­was­ser über­ste­hen wür­den, wie es ein­mal in 10'000 Jah­ren vor­kommt. — Bis zum 31. März 2012 muss der­sel­be Nach­weis für ein eben­so sel­te­nes Erd­be­ben ge­lin­gen. Zum glei­chen Zeit­punkt müs­sen die Be­trei­ber nach­wei­sen, dass ih­re AKW auch die Kom­bi­na­tion eines Erd­be­bens und des Bruchs der Stau­däm­me von na­hen Was­ser­kraft­wer­ken meis­tern könn­ten.

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Es muss ausge­schlos­sen wer­den kön­nen, dass bei sol­chen Ka­ta­stro­phen zu viel ra­dio­ak­ti­ve Strah­lung aus­tritt. Ge­lingt der Nach­weis für ein AKW nicht, wird das Ensi das Werk vor­läu­fig ab­schal­ten. Der Be­trei­ber könn­te es zwar nach­rüs­ten — bis dies er­le­digt wä­re, blie­be das AKW aber ab­ge­schal­tet.