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Geld wie Heu

Der Krösus der Wirt­schafts­politik

Christoph Blocher wird in den nächsten Jahren den Kurs der Schweiz in Wirtschaftsfragen noch stärker prägen. Dank der Ems-Chemie ist seine Kasse prall gefüllt. Eine Einschätzung von Arthur Rutishauser

Geld wie Heu

Politisch lief es Chri­stoph Blo­cher in letz­ter Zeit nicht mehr ganz so rund. Seit En­de 2007 ist er nicht mehr Bun­des­rat. Als er vorletz­tes Jahr Stän­de­rat wer­den woll­te, un­ter­stütz­ten ihn im Hei­mat­kan­ton Zü­rich nur ge­ra­de 123'939 Stimm­bür­ger, oder gut halb so vie­le wie Fe­lix Gutz­wil­ler (239'005) und Ve­re­na Die­ner (214'436). Bei der Ab­zoc­ker­ini­tia­ti­ve kämpf­te er im Feb­ru­ar mit der Eco­no­mie­suis­se auf der fal­schen Sei­te und ver­lor mit 30 zu 70 Stim­men­pro­zen­ten ge­gen den Ein­zel­kämp­fer Tho­mas Min­der. Et­was un­ter­ge­gan­gen ist da­bei, dass die wirt­schaft­li­che Schlag­kraft Blo­chers in den letz­ten Jah­ren um ein Mehr­fa­ches ge­stie­gen ist. Das könn­te bei den an­ste­hen­den Ab­stim­mun­gen über Wirt­schafts­vor­la­gen ent­schei­dend wer­den.

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Ems mit Rekordumsatz

Gestern hat­te Mag­da­le­na Mar­tul­lo-Blo­cher, Chri­stoph Blo­chers äl­tes­te Toch­ter, ih­ren gros­sen Tag. Die Halb­jah­res­zah­len der Ems-Che­mie ver­blüff­ten selbst die op­ti­mis­tisch­sten Ana­lys­ten. Nach einem Um­satz­plus von 5,9 Pro­zent im letz­ten Jahr er­wirt­schaf­te­te Ems im ers­ten Halb­jahr 2013 mit 954 Mil­lio­nen Fran­ken noch­mals ein Um­satz­plus von 5,5 Pro­zent. Dies al­les bei einer fa­bel­haf­ten Mar­ge von 19 Pro­zent und einem Be­triebs­ge­winn (Ebit) von 183 Mil­lio­nen Fran­ken. Kein Wun­der, ent­wic­kel­te sich die Ems-Ak­tie zu einer re­gel­rech­ten Kurs­ra­ke­te. Al­lein ges­tern stieg der Wert der Ak­ti­en, die im Be­sitz der Blo­chers sind (rund 70 Pro­zent, sie­he Grafik) um 250 Mil­lio­nen Fran­ken. To­tal ist die Ems-Che­mie heu­te 7 Mil­li­ar­den Fran­ken wert, der An­teil der Fa­mi­lie Blo­cher liegt bei 5 Mil­li­ar­den Fran­ken. Das sind 2 Mil­li­ar­den mehr als vor Jah­res­frist. Hin­zu kom­men fast 150 Mil­lio­nen Fran­ken für Di­vi­den­den.

Die Halb­jah­res­zah­len der Ems-Che­mie ver­blüf­fen selbst die op­ti­mis­tisch­sten Ana­lys­ten.

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Vor den Me­di­en lässt es sich Mar­tul­lo-Blo­cher je­weils nicht neh­men, ganz im Sin­ne ih­res Va­ters ein paar po­li­ti­sche Sta­te­ments ab­zu­ge­ben. So sag­te sie im Vi­deo-In­ter­view mit dem «Ta­ges-An­zei­ger», der Bun­des­rat agie­re in der Aus­sen- und In­du­strie­po­li­tik völ­lig kon­zept­los.Ein knap­pes Lob gab es im­mer­hin für das Frei­han­dels­ab­kom­men mit Chi­na, von dem die Ems-Che­mie an­geb­lich nichts ha­be, weil die Zöl­le für die Ems-Pro­duk­te nicht ge­senkt wür­den. An­sons­ten sprach sie von einer stän­di­gen Ver­schlech­te­rung des Wirt­schafts­stand­or­tes Schweiz. Auf die­sem Ge­biet kommt es in den näch­sten zwei Jah­ren zu ent­schei­den­den Ab­stim­mun­gen, bei de­nen Blo­cher die ge­stei­ger­te wirt­schaft­li­che Po­tenz sei­ner Fa­mi­lie gut ge­brau­chen kann. Denn mit der Ein­wan­de­rungs­ini­tia­ti­ve, der Eco­pop-Ini­tia­ti­ve und sei­nem Nein zu jeg­li­cher in­sti­tu­tio­nel­len An­nä­he­rung an die EU steht Blo­cher mit sei­ner SVP dia­met­ral im Wi­der­spruch zum Wirt­schafts-Es­tab­lish­ment.

Als der Bun­des­rat vor zwei Wo­chen aus­führ­te, wie er künf­tig mit der EU eine Lö­sung für die drän­gend­sten Streit­fra­gen fin­den will — im We­sent­li­chen in dem die Schweiz ein EU-Ge­richt ak­zep­tiert, al­ler­dings mit der Mög­lich­keit im Par­la­ment ab­wei­chen­de Ge­set­ze zu be­schlies­sen — sag­te Blo­cher, er wer­de wie­der durch die Lan­de zie­hen und ge­gen den fak­ti­schen EU-An­schluss kämp­fen.

Das ge­schieht nicht nur über die klas­si­schen Kam­pag­nen auf dem Dorf­platz und in den Turn­hal­len, son­dern im­mer mehr auch über die Me­di­en, die von Blo­cher kon­trol­liert wer­den. Erst ging das über die «Welt­wo­che», die al­ler­dings nur ein re­la­tiv klei­nes Pub­li­kum er­reicht. Seit eini­gen Jah­ren ist zu be­obach­ten, dass Blo­cher di­rekt oder in­di­rekt ver­mehrt mit­bie­tet, wenn Re­gio­nal­zei­tun­gen ver­kauft wer­den. In Ba­sel war dies wirt­schaft­lich an­fäng­lich zwar mit ho­hen Ver­lus­ten ver­bun­den. Doch Blo­chers Ein­stieg bei der «Bas­ler Zei­tung», samt der Sa­nie­rung der Pen­sions­kas­se, hat die Fa­mi­lie we­ni­ger ge­kos­tet wie die Di­vi­den­den­ein­nah­men bei Ems für ein ein­zi­ges Jahr.

Wirtschaftszahlen
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Appetit auf weitere Zeitungen

Wie zu hö­ren ist, ver­sucht Blo­cher im Zei­tungs­markt wei­ter zu wach­sen. Ein En­ga­ge­ment bei Pe­ter Wan­ners «Mit­tel­land-Zei­tung» ist zwar vor­läu­fig ge­schei­tert, doch Blo­cher kann er­war­ten, dass die Schwie­rig­kei­ten der Re­gio­nal­zei­tun­gen da­zu füh­ren, dass wei­te­re Ver­la­ge auf den Markt kom­men.

Mit der prall ge­füll­ten Por­to­kas­se steht die Fa­mi­lie Blo­cher im Kampf um die künf­ti­ge Wirt­schafts­po­li­tik viel mäch­ti­ger da als der Rest des bür­ger­li­chen Es­tab­lish­ments. Die Eco­no­mie­suis­se ist im Mo­ment de fac­to füh­rungs­los. Wie die künf­ti­ge Fi­nan­zie­rung und wie die Kam­pag­nen­füh­rung der Wirt­schafts­ver­bän­de or­ga­ni­siert wird, weiss bis­her auch noch nie­mand.

Die Mit­te­par­tei­en CVP und FDP lei­den zu­dem seit Jah­ren un­ter Geld­not und Wäh­ler­schwund. Da die Lin­ke auch nicht gros­ses In­ter­es­se hat an einer wirt­schafts­freund­li­chen Zu­wan­de­rungs­po­li­tik, könn­te es da­rum in der Schweiz bald so weit sein wie in Eng­land oder Ita­li­en, wo schwer­rei­che In­du­stri­el­le über ih­re Me­di­en­un­ter­neh­men die Po­li­tik ent­schei­dend be­ein­flus­sen. Und es sieht ganz so aus, als könn­te Blo­cher dank sei­ner Fi­nanz­kraft für die Wirt­schafts­po­li­tik wich­ti­ger wer­den als der Spit­zen­ver­band Eco­no­mie­suis­se.

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Ems-Chemie

Die Besitzverhältnisse in der Familie Blocher

(ar)

2005 wur­de die von Blo­chers Sohn Mar­kus ge­führ­te Ems Dot­ti­kon ab­ge­spal­ten und als eigen­stän­di­ges Un­ter­neh­men an die Bör­se ge­bracht. Die drei Schwes­tern über­lies­sen ih­re An­tei­le ih­rem Bru­der und er­hiel­ten im Ge­gen­zug sei­ne An­tei­le an der Eme­sta Hol­ding AG. Da­mit hiel­ten die drei Schwes­tern die Ak­ti­en­mehr­heit der Ems-Che­mie Hol­ding.

2007 re­du­zier­te Mi­ri­am Blo­cher ih­re Be­tei­li­gung an der Ems-Che­mie Hol­ding, die Mehr­heit war nun via die Eme­sta Hol­ding AG im Be­sitz von Mag­da­le­na Mar­tul­lo-Blo­cher und Ra­hel Blo­cher. Mi­ri­am Blo­cher hält pri­vat knapp 9 Pro­zent der Ems-Che­mie-Ak­ti­en.

Chris­toph Blo­cher hielt sei­ne Be­tei­li­gung von 60 Pro­zent an der Ems-Che­mie lan­ge Zeit über eine Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft, die Eme­sta Hol­ding AG. 2001 trat Blo­chers äl­te­ste Toch­ter Mag­da­le­na Mar­tul­lo in das Un­ter­neh­men ein. Als Blo­cher am 10. De­zem­ber 2003 in den Bun­des­rat ge­wählt wur­de, muss­te er die Be­tei­li­gung an der Ems-Che­mie an sei­ne vier Kin­der ab­tre­ten. Sei­ne Toch­ter Mag­da­le­na über­nahm am 1. Ja­nu­ar 2004 als Vi­ze­prä­si­den­tin und De­le­gier­te des Ver­wal­tungs­rats die Grup­pen­lei­tung.

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