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Zwist um Zentimeter am Gotthard

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Die Tun­nel­dec­ke im Gott­hard-Stras­sen­tun­nel wird von 4,50 auf 4,80 Me­ter an­ge­ho­ben. — Foto: Gatan Bally (Keystone)

Ein Think­tank wirft dem Bund vor, die Sa­nie­rung des Gott­hard­tun­nels aus tak­ti­schen Grün­den zu über­la­den. Als Ver­gleich zieht er den Arl­berg-Stras­sen­tun­nel in Öster­reich her­an: Dort wird schlan­ker sa­niert.

Stefan Häne

Braucht es einen zwei­ten Auto­tun­nel durch den Gott­hard? Wie auch im­mer das Stimm­volk am 28. Feb­ru­ar 2016 ent­schei­det: Die be­ste­hen­de Röh­re be­darf so oder so einer Sa­nie­rung. Die Fra­ge ist, wie weit die­se ge­hen soll. Der Tes­si­ner Think­tank Rail Val­ley, ein Ver­ein zur För­de­rung der In­no­va­ti­on im Schie­nen­ver­kehr, wirft dem Bun­des­rat vor, die Sa­nie­rung der be­ste­hen­den Röh­re be­wusst zu über­la­den. Dies mit dem Kal­kül, so der Vor­wurf, die Sa­nie­rung und da­mit die Tun­nel­sper­re in die Län­ge zu zie­hen und die Chan­cen einer zwei­ten Röh­re an der Ur­ne zu er­hö­hen.

Rail Val­ley hat den Gott­hard mit dem ös­ter­rei­chi­schen Arl­berg­tun­nel ver­gli­chen — einem ähn­li­chen Bau­werk. Bei der Sa­nie­rung der bei­den gibt es aber Un­ter­schie­de: Beim Arl­berg­tun­nel ha­ben die drei­jäh­ri­gen Ar­bei­ten im Herbst 2014 be­gon­nen. Eine To­tal­schlies­sung, wie am Gott­hard wäh­rend 980 Ta­gen ge­plant, gibt es aber nur pha­sen­wei­se, so et­wa heu­er vom Ap­ril bis im No­vem­ber.

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Die Tun­nel­dec­ke im Gott­hard-Stras­sen­tun­nel wird von 4,50 auf 4,80 Me­ter an­ge­ho­ben.
Foto: Gatan Bally (Keystone)

Die Sa­nie­rung des Arl­berg­tun­nels schlägt mit um­ge­rech­net 170 Mil­lio­nen Fran­ken zu Bu­che; beim Gott­hard sind mit 750 Mil­lio­nen weit mehr bud­ge­tiert. Rail Val­ley er­klärt die­se Preis­dif­fe­renz da­mit, dass im Arl­berg­tun­nel die An­pas­sun­gen im Rah­men der Nor­men für exi­stie­ren­de Tun­nel er­fol­gen. Am Gott­hard hin­ge­gen soll das Tun­nel­in­ne­re kom­plett er­neu­ert wer­den in der Ab­sicht, den EU-Nor­men für Tun­nel­neu­bau­ten na­he zu kom­men — ein Schritt, der laut Rail Val­ley we­der ge­setz­lich ver­langt wer­de noch sinn­voll sei.

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Keine Totalsperrung nötig?

Wei­ter will der Bund die Fahr­bahn im Gott­hard von der Mit­te zu den Rän­dern hin stär­ker als heu­te ab­sen­ken, zu­dem will er die Tun­nel­zwi­schen­dec­ke von 4,50 auf 4,80 Me­ter an­he­ben. «Bei­de Mass­nah­men ver­bes­sern die Funk­tio­na­li­tät nicht, sie er­hö­hen auch die Si­cher­heit nicht», sagt Ste­fan Kreb­ser, Prä­si­dent von Rail Val­ley. Die Ma­xi­mal­hö­he für Fahr­zeu­ge be­tra­ge 4 Me­ter. Da blei­be ge­nug Platz für ein si­che­res Durch­kom­men. Auch die Fahr­bahn stär­ker zu nei­gen, er­ge­be im Tun­nel­in­ne­ren we­nig Sinn, sagt Kreb­ser. Be­rech­tigt sei die­se Mass­nah­me nur aus­ser­halb von Tun­neln, um den Was­ser­ab­lauf bei Re­gen zu ge­währ­lei­sten.

Könnte der Gott­hard­tun­nel auch we­sent­lich gün­sti­ger und ein­fa­cher sa­niert wer­den? Be­für­wor­ter einer zwei­ten Gott­hard­röh­re be­zeich­nen die Ana­ly­se von Rail Val­ley als po­li­tisch ge­färb­te Ar­beit. SVP-Na­tio­nal­rat Ul­rich Gie­zen­dan­ner: «Ge­ra­de grü­ne Krei­se müss­ten ein In­ter­es­se da­ran ha­ben, dass die Tun­nel­dec­ke an­ge­ho­ben wird.» So ent­ste­he mehr Raum für Frisch­luft im Gott­hard, die Ab­lüf­tung wer­de ver­bes­sert. Auch die Fahr­bahn­nei­gung hält Gie­zen­dan­ner für wich­tig, et­wa bei Un­fäl­len. Eine stär­ker ge­neig­te Fahr­bahn ge­währ­leis­te den Ab­fluss all­fäl­lig bren­nen­der Flüs­sig­kei­ten bes­ser.

Das fe­der­füh­ren­de Bun­des­amt für Stras­sen (Ast­ra) zer­zaust die The­se des Think­tanks: «Die Tun­nel­zwivschen­dec­ke muss sa­niert wer­den, weil sie sonst ein­stürzt», sagt Spre­cher Tho­mas Rohr­bach — ob auf 4,50 oder 4,80 Me­ter, ha­be we­der Ein­fluss auf die Kos­ten noch auf die Dau­er. Das­sel­be gel­te für den Stras­sen­be­lag, der nach 35 Jah­ren er­setzt wer­den müs­se, ob mit 2 oder 2,5 Pro­zent Quer­nei­gung, sei un­er­heb­lich.

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Aufwendiger wäre es, wenn der Tun­nel auf 5,2 Me­ter er­höht wür­de, wie dies die Schwei­zer und EU-Norm für Neu­bau­ten vor­sieht. Die 4,8 Me­ter sei­en da­her ein Kom­pro­miss, sagt Rohr­bach.

Zwar dürf­ten die Fahr­zeu­ge tat­säch­lich nur 4 Me­ter hoch sein, al­ler­dings schlü­gen im Tun­nel­wind die Bla­chen von Last­wa­gen oft über die­se Mar­ke hin­aus. «Nach oben et­was mehr Platz zu ha­ben», ent­geg­net Tho­mas Rohr­bach ent­schie­den, «ist des­halb si­cher­heits­tech­nisch sinn­voll.»

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