«Die Schweiz wird sich die Finger verbrennen, wenn sie nichts macht.» So eindringlich warb Aussenminister Didier Burkhalter gestern im Nationalrat für das Potentatengeldergesetz. Dabei geht es um die Vermögen, die gestürzte Diktatoren und deren Clans auf Schweizer Banken haben. Das Gesetz soll regeln, unter welchen Umständen die Schweiz die Gelder sperren, einziehen und an die Staaten zurückerstatten kann. Burkhalters Werben war umsonst. Der Nationalrat hiess das Gesetz zwar gut, schwächte es aber in zwei entscheidenden Punkten ab.
Die bürgerliche Mehrheit aus CVP, FDP und SVP übernahm Empfehlungen des Anwaltsverbandes: Der Kreis der betroffenen «Politisch exponierten Personen» (PEP) soll eingeschränkt werden. Und die Schweiz soll unrechtmässig erworbene Diktatorengelder nur so lange einziehen dürfen, wie die Straftaten der gestürzten Machthaber nicht verjährt sind. Je nach Straftat etwa Bestechung, Geldwäscherei oder Diebstahl — betragen die Verjährungsfristen zwischen 5 und 20 Jahre. Schafft es die Schweiz nicht, die oft aufwendigen Verfahren mit den Herkunftsländern vorher abzuschliessen, muss sie die Gelder den Potentaten zurückgeben. Nun geht das Gesetz in den Ständerat.
Kritiker sind empört über das Lobbying des Anwaltsverbandes, das den Interessen einzelner Kanzleien diene. «Die ganzen Mandate rund um die Potentatengelder sind für einzelne Anwaltskanzleien eine Goldgrube geworden», sagt Olivier Longchamp, Finanzspezialist bei der Erklärung von Bern. Man wolle sich dieses «Mordsgeschäft» offenbar nicht vermiesen lassen. (bua)
Es ist unglaublich, wie viele Nationalräte sich als Unterstützer von Diktatoren und Potentaten outen.
Sie entscheiden allen Ernstes, gestürzte Diktatoren mit Samthandschuhen anzufassen. Ihre unrechtmässigen Machenschaften, wie sie sich illegal bereicherten und das Geld in der Schweiz horten, sollen innert relativ kurzer Zeit verjähren und ihnen dann gehören, auf jeden Fall rascher, als sich in ihrem Heimatland wieder ein Rechtssystem aufbauen lässt, damit überhaupt geklärt werden kann, wem diese Vermögensteile wirklich gehören.
Dass in einem Rechtsstaat Straftaten je nach ihrer Schwere verjähren können, das ist ja normal. Diese Potentaten haben in ihrem Land entweder den Rechtsstaat abgeschafft oder sich und ihren Clan einfach über das Recht gestellt und so ihr Land ausgebeutet. Es liegt in der Natur der Sache, in den jeweiligen Ländern nach einem Sturzt eines Diktators ein funktionierendes Rechtssystem erst wieder aufgebaut werden muss, was oft schwierig und langwierig ist. Und soll die Schweiz allen Ernstes diesen Verbrechern Schutz gewähren und ihnen helfen, möglichst rasch mit ihrem Vermögen abzuschleichen ohne abzuklären, ob davon überhaupt etwas ihnen gehört.
Haben diese Parlamentarier selber nachgedacht? Oder haben sie sich von Lobbyisten überreden lassen, einfach so? Oder haben sie von betroffenen Potentaten oder ihren Anwälten finanzielle Vorteile versprochen erhalten? Oder sollen den Banken und den Anwälten ihre grauen Geschäfte geschützt werden? Das sind Fragen über Fragen, auf die wir Bürger Antworten möchten.
Haben diese Parlamentarier ein Flair für Diktaturen?
Würden sie das eigentlich auch für die Schweiz anstreben?
Gibt es etwa in Bundes-Bern Parteien, die damit liebäugeln, so stark zu werden, dass sie einen Diktator stellen können. Der würde dann alles bestimmen, seine Günstlinge über das Recht stellen und ihnen Pöstchen und Aufträge zuschanzen
Das könnte allerdings schief gehen, wie wir dieser Tage in der Türkei deutlich sehen. Oder auch in Ungarn?
Es gibt verschiedene Staatsformen, die sich alle Demokratie nennen. Dabei müssen wir nicht mal auf extreme Beispiele zurückgreifen. Die Stärke der Schweiz ist ihre Kompromiss-Demokratie mit viel Proporzwahlrecht. Da gibt es nicht nur eine Meinung, die gilt. Auch Minderheiten haben Rechte. Und Lösungen werden ausgehandelt, manchmal besser, manchmal schlechter, aber immerhin. Die meisten Länder Europas haben ein mehrheitliches Majorzrecht, d.h. eine Partei (oder Koalition) braucht die Mehrheit im Parlament und regiert dann. Die anderen sind dannn die Opposition und haben eigentlich nicht viel zu sagen.
In Demokratien à la USA gilt ganz offen der Grundsatz «the winner takes it all» (in mehreren Teilstaaten erhält die Partei mit den meisten Stimmen alle Mandate. Mindestens diese Form kann man auch «Diktatur der Mehrheit» nennen.
Tages-Anzeiger Bericht [PDF]