Der von Volk und Ständen angenommene Alpenschutz-Artikel in der Bundesverfassung verbietet, die Kapazitäten für den alpenquerenden Motorfahrzeugverkehr zu erhöhen.
Der bestehende Strassentunnel ist in die Jahre gekommen und benötigt Unterhaltsarbeiten. Wie dringend diese sind, ist offenbar nicht so richtig klar. Klar ist lediglich, Unterhaltsarbeiten sind oft schwierig auszuführen, wenn der Tunnel in Betrieb ist. Und eine Vollsperrung über längere Zeit wirft Probleme und Fragen auf.
Gründe für den notwendigen Unterhalt gibt es mehrere, so z.B. eine inzwischen stark abgefahrene Fahrbahn, immer grössere, schwerere und höhere Lastwagen, Schäden aus Unfällen und Bränden. Aber es gibt auch Bausünden aus der Zeit der Erstellung, z.B. zu klein dimensionierte Abluftkanäle.
Ursprünglich gingen die Planer von einer Totalsanierung aus, die eine Vollsperrung des Tunnels über mehrere Monate bedingt, und die recht bald zu erfolgen hätte. Eine Vollsperrung über Monate hinweg ist aber kaum mehr realistisch. Als mögliche Varianten wurden nur zwei genannt
Obwohl der Bundesrat anfänglich Bedenken hatte, eine weitere Röhre zu bauen, wurde bald nur noch Variante (a) weiter verfolgt. Bedenken, dass daraus bald vier volle Fahrspuren werden würden, wurden konsequent in den Wind geschlagen. Es wurde uns sogar vorgetäuscht, dass das wegen des Alpenschutzartikels in der Verfassung gar nicht möglich sei. Auch die enorm höheren Kosten der Variante (a) wurden von Regierung und Parlament, die doch überall sparen wollen, nie in die Waagschale geworfen. Auch wurden keine weiteren Varianten gesucht, z.B. per Ideen-Wettbewerb. Der Verdacht liegt nahe, dass da Tunnelbaufirmen via Lobbyisten Druck aufgesetzt hätten.
Der umtriebige Tessiner Ständerat wirbt — wie er selber sagt — seit 20 Jahre für die 2. Röhre. Dabei hat die Ex-Firma seines Vater schon bei der ersten Strassenröhre mitverdient, und jetzt ist sie bereits in der Planungsphase wieder dabei. Vielleicht ist es eher Lombardi, der die Röhre braucht, gar nicht der Tessin?
Siehe Bericht im «20 Minuten»: ➔ «20 Minuten» www.zumkuckucksei.net/Politik/realpol/20m-2016-01-18-lom.html «20 Minuten» vom 18. Jan. 2016.
Inzwischen haben sich sehr viele Bedingungen verändert, allen voran die Dringlichkeit. Vor einem halben stellte das federführende Bundesamt für Strassen (ASTRA) fest, dass es keine Notwendigkeit für eine dingende Totalsanierung gebe. Mit kleineren Teilsanierungen könne der Tunnel noch mehr als 20 Jahre sicher betrieben werden.
Gleichzeitig wurde bekannt, dass der neue Gotthard-Basistunnel der Bahn im Juni 2016 in Betrieb genommen wird und dass der sogenannte 4-Meter-Korridor rechtzeitig verfügbar sei für den Verlad der Lastwagen mit 4 Metern Eckhöhe von Basel bis Chiasso. Sowohl der NEAT-Tunnel wie der Korridor wurden mit Milliarden von Steuergeldern gebaut, weil versprochen wurde, den alpenquerenden Schwerverkehr auf die Schiene zu brigen. Und jetzt scheinen sich die SBB zu sperren, diesen Verlad zu realisieren. Dabei böte doch die Sperrung des Stassentunnels eine willkommene Promotionsaktion für den Bahnverlad der Lastwagen.
Zwar ist in der Schweiz die Verfassung das höchste Gesetz. Aber darin steht auch, dass die Gerichte (auch das Bundesgericht) die der Verfassung unterstellten Bundesgesetze zwingend anwenden müssen, auch wenn diese gegen die Verfassung verstossen, und auch wenn das Bundesgericht einen solchen Verstoss feststellt.
Das bedeutet, wenn ein einzelner Parlamentarier vorschlägt, das entsprechenden Bundesgesetz zu ändern und den vierspurigen Betrieb zu erlauben, dann muss nur das Parlament zustimmen und der Mist ist geführt. Wer will, wenn die vier Spuren gebaut sind, deren Nutzung verhindern?
Und wenn die Bevölkerung darüber abstimmen will, muss sie dafür zuerst wieder Unterschriften sammeln, um eine Referendumsabstimmung zu erzwingen. Nur die Verfassungsänderung brächte zwingend eine Volksabstimmung; die Verfassungsänderung braucht es aber nicht!
(Cartoon: Max Spring)
Die Öffnung aller vier Spuren würde zwar gegen die Verfassung verstossen. Darum wurde durch National- und Ständerat 2013 eine Änderung des Strassenverkehrsgesetzes verabschiedet, die das verbietet. Dagegen wurde erfolgreich das Referendum ergriffen. Darum kommt diese Gesetzesänderung jetzt am 28. Feb. 2016 zur Abstimmung. Störend am Abstimmungkampf ist, dass Bundesrätin Doris Leuthart fälschlich behauptet, um 4 Spuren zu öffnen bräuchte es eine Verfassungsänderung und damit eine Volksabstimmung. Das stimmt aber nur halb. Um sauber zu bleiben müsste dem zwar so sein. Der Rest wurde aber verschwiegen: Gemäss Bundesverfassung Artikel 190, müssen alle Gerichte im Konflikt zwischen Gesetz und Verfassung das Gesetz anwenden. Das Parlament kann also in Eigenregie (oder auf Verlangen des Bundesrats) das Gesetz abändern, und das gilt dann. Um das per Volksabstimmung zu verhindern, müsste wieder ein Referendum ergriffen werden, das heisst Unterschriften sammeln, damit es überhaupt zu einer Abstimmung kommt.