2010: In den öffentliche Verkehr wurde in den letzten Jahren enorm viel investiert, nicht in allen Fällen erfolgreich. Dabei blieb der Unterhalt zum Teil auf der Strecke. Dieser Unterhalt muss dringend nachgeholt werden. Und gleichzeitig muss ausgebaut werden auf Teufel komm raus. Unser öffentlicher Verkehr ist das Opfer seines eigenen Erfolges: immer mehr Leute fahren Zug, Tram und Bus. Das ist erfreulich.
Es braucht mehr Züge. Das heisst: es braucht mehr Rollmaterial. Das heisst aber auch, die Infrastrukturen (Schienen, Fahrleitungen, …) werden schneller abgefahren und brauchen mehr Unterhalt. Es braucht mehr Platz in den Zügen. Das heisst, es braucht mehr Wagen für längere Züge. Längere Züge brauchen längere Bahnhofsanlagen. Oder es braucht andere Wagen, die mehr Platz auf gleichem Raum bieten. Da halfen schon mal Doppelstockwagen. Wie geht es aber weiter? Enger stuhlen? Ist eh schon eng genug. Was dann?
Das alles kostet. Klar, dass das irgendwo her kommen muss. Von den Fahrgästen über Billettpreise? Von der Allgemeinheit (Steuerzahler)? Von Lenkungsabgaben: wer trotz aller Vernunft mit dem Auto fährt, soll etwas dran zahlen, dass die anderen sich in Zug, Tram und Bus zusammenpferchen lassen.
Eben haben wir erfahren, wieviel uns die Fahrten mit dem ÖV kosten werden. Und die kommenden Aufschläge werden nicht sehr weit reichen. Weitere werden folgen.
2011: Die Preise schlagen wieder auf, zum Teil massiv. Gleichzeitig werden Kontrollen verringert (in einem Presse-Artikel erfahren wir gar: das Personal sei nicht mehr motiviert für die Kontrollen und die Einnahmen-Sicherung sei nicht mehr Aufgabe des Begleitpersonals) und die Bussen erhöht (siehe Bussen-Katalog). Als Kunde, der sich ja an den meisten Orten mit Automaten — die keine Auskunft erteilen können — herumzuschlagen hat, geht man immer mehr das Risiko ein, wegen einer Unklarheit des Reisewegs oder eines Irrtums, oder gar wenn ein Automat ausfällt, eine Busse von 90.- oder 100.- Franken zu bezahlen.
Verwirrende Fahrpreise: Billett-Kauf am Internet: Man versuche ein Billett (2. Klasse, ½-Tax, retour) von Niederweningen nach Bern zu kaufen. Der nächste Weg wäre wohl mit Postauto nach Baden oder Brugg und von da mit der SBB nach Bern. Zur Auswahl erhalte ich aber folgende beiden Wege:
Da alle Züge der S5 von Niederweningen nach Zürich via Zürich-Hardbrücke fahren und wohl kein Mensch erwartet, dass man ab Örlikon das Tram nehme, oder auf eine S-Bahn via Stettbach oder Wipkingen umsteige, ist es für den von der SBB gepflegten Kunden völlig unklar, was ausser dem Preis der Unterschied der beiden Varianten sein soll. Auch von Seiten der SBB war bisher nichts zu erfahren zu diesem Problem. Nur vielleicht ist man kein «Schwarzfahrer», wenn man die teurere Variante löst.
Zürcher Unterländer vom 24. März 2011, Seite 15 (Mixer):
Über die «iPhone»-App zu haben:
Die SBB verkaufen auf diesem Weg Retour-Billette, die nur 1 Tag gültig sind,
auch wenn der gelöste Weg gemäss Fahrplan gar nicht in einem Tag
in beide Richtungen abgefahren werden kann.
Beispiel:
Zürich-Simplonpass retour
Sollten solche Billette (ab einer gewissen Distanz) nicht per se
mindestens 2 Tage gültig sein?
Die SBB Leitung stellt fest: Es besteht Nachholbedarf beim Unterhalt der Geleise und Sicherheitsanlagen. Und die Anlagen sind dermassen ausgelastet, dass keine Zeit mehr bleibt für Streckensperrungen wegen Unterhaltsarbeiten. Und jeder kleine Unfall bringt den Fahrplan Schweiz-weit total durcheinander.
Es werde Milliarden kosten, die Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen!
Passagiere stellen fest: Nicht nur die ruppigen Fahrweisen in den S-Bahnzügen nimmt zu, sondern auch das Schaukeln der Wagen in allen Zügen, manchmal derart, dass man meint, die Wagen müssten aus den Schienen springen. Dieses Schaukeln und Ruckeln ist inzwischen so stark, dass auf vielen Strecken nicht mehr daran zu denken ist, im Zug ruhig ein Buch zu lesen.
Ich möchte Kunde der Bahn sein, nicht nur ihr “Transportgut”. Die englischen Bahnen haben bitter erfahren müssen, was passiert, wenn der Unterhalt vernachlässigt wird. Müssen die SBB wirklich diese Erfahrung auch noch machen?
Die Pannenzüge bleiben noch sicher bis 2017! Trenitalia bricht Versprechen: Die italienische Bahnfirma setzt ihre neuen Neigezüge nicht wie von den SBB erhofft Richtung Schweiz, sondern im Inland ein. In die Schweiz fahren weiterhin die alten, pannenanfälligen Kompositionen. Auf den inneritalienischen Hochgeschwindigkeitsstrecken locken die Bahnen die Kunden mit immer attraktiveren Angeboten. Umso schlechter wird dafür der Service auf Nebenlinien. Dazu gehören auch die Strecken von Mailand in die Schweiz.
Hat Italien kein Interesse mehr an Touristen aus dem Norden, nach dem sowohl ihre Airline als auch der Staat bankrott sind?
Ab 11. Dezember 2011 fahren weniger Züge von Zürich nach Mailand, und sie brauchen länger als bisher. Die pannenanfälligen Neigezüge der früheren Cisalpino bleiben bis Ende 2014 in Betrieb. Das waren die bisher bekannten und eher düsteren Perspektiven für Italien-Reisende. Nun aber zeigt sich: Die Misere am Gotthard wird bis 2017 anhalten. Auf die Frage, was nach der Ausmusterung der alten Pendolini geschehe, antwortet SBB-Sprecher Reto Kormann: «Derzeit erarbeiten die SBB das Übergangskonzept nach der Stilllegung der ETR-470-Flotte bis zur Einführung der neuen internationalen Züge, die per Fahrplan 2017 eingeführt werden.»
Presse: Zugverkehr zwischen der Schweiz und Italien Eisenbahnpolitik Italiens Trenitalia bricht Versprechen
Keine Frage, Zugsbegleiter müssen sich einiges gefallen lassen. Und findige Schwarzfahrer finden immer die tollsten Ausreden. Wahrscheinlich ist es schwierig, da das Augenmass zu behalten.
Es ist noch nicht lange her, da waren einige Vorkommnisse, die für Otto Normalverbraucher total unverständlich sind.
Kommentar im TagesAnzeiger SBB streichen den Billettverkauf im Zug Neue Schwarzfahrer-Regeln
Wenn ich auf dem Land wohne und mich mit Computern nicht so wohl fühle, dann kann ich am Wohnort kein Billett kaufen. Ich steige also ins Postauto ein, kann ein Billett bis zum nächsten Bahnhof kaufen. Dort angekommen reicht die Zeit nie und nimmer, um ein Billett nach Lausanne am Schalter oder Automaten zu erstehen, es sei denn ich überspringe einen Zug und warte eine volle Stunde.
Ab dem Fahrplanwechsel vom 11. Dezember wandeln die SBB mindestens sieben Interregios in günstige Regio-Express-Züge um. Die Kondukteure, die bisher für Ruhe und Sicherheit sorgten, werden durch Videokameras und automatische Lautsprecher-Durchsagen ersetzt.
Als Erste sind die Linien Bern-Biel und Bern-Burgdorf-Olten betroffen. Auch Strecken in der West-, Nord- und Ostschweiz werden in den kommenden drei Jahren auf kondukteurlosen Betrieb umgestellt.
Die SBB begründen den Abbau mit den wachsenden Kosten bei etlichen Interregios. Dieses Problem sind sie mit der Herabstufung zu Regio-Express-Zügen los. Denn an deren Kosten müssen sich die Kantone beteiligen. Weil sich die betroffenen Kantone geweigert haben, die Zugbegleitung zu bezahlen, fallen die Kondukteure nun weg.
Der Zugpersonalverband kritisiert das scharf. Sicherheit, Sauberkeit und Dienstleistungsqualität litten, sagt Präsident Andreas Menet, «Die SBB nehmen die Gefahr der Verwahrlosung dieser Züge in Kauf.»
Bis zum Jahr 2010 verkauften die SBB einen PC-Fahrplan. Er enthielt zwar nicht alle Bus-Linien, genau wie das offizielle Kursbuch. Aber im Übrigen war das eine segensreiche Einrichtung. Bei der Vorbereitung zu einem Ausflug ist ja meist das Planen der Hinreise einfach. Du weisst ja, wann du am Ziel der Fahrt sein musst oder willst. Gerade bei Wanderungen, Arbeitssitzungen, Beerdigungen und Bekanntentreffs ist es oft sehr unklar, wann du dich auf den Heimweg machen wirst. Dieser auf dem PC installierte Fahrplan liess dich ganz einfach eine sehr übersichtliche Liste von Zügen ausdrucken, auch über verschiedene Wege, mit allen Umsteigestationen.
Diesen Fahrplan gibt es nicht mehr! Dafür gibt es jetzt einen Online-Fahrplan; da sind alle Busse drin, und du kannst Abfahrts- und Zielort bis auf eine genaue Adresse genau angeben. Wenn du die genaue Rückfahrzeit kennst, oder immer ein Internet-fähiges Gerät dabei hast, dann ist diese Variante ideal. Wenn nicht (wie noch immer viele Leute), dann kannst du dir nur noch einige Varianten ausdrucken, mit einer absolut unbrauchbaren Übersicht.
Blasenweh im Interregio
Man trinkt in Lützelflüh zwei Kaffee und einen halben Liter
Mineral. Eine halbe Stunde später hastet man durch Burgdorfs
Bahnhofsunterführung. Bereits naht der Interregio nach Zürich. Gut so!
Mit dem Zug fährt das Zugs-WC ein — man hat eine volle Blase.
Doch oh weh! Schon beim Einsteigen sieht man das Schild an der Tür: WC gesperrt. Man legt seine Sachen auf einem freien Platz ab. Hofft, dass sie in fünf Minuten noch da sind, und begibt sich in den nächsten Wagen. Auch dort ist das WC gesperrt. Wieder einen Wagen weiter ist das WC in Betrieb. Nachdem drei andere Leute drin waren, darf man selber in die Kabine. Hernach nimmt einen die Sache grundsätzlich wunder. Man spaziert durch den Zug respektive Zugteil von sieben Erst- und Zweitklasswagen, der einem offen steht. Von sieben WC sind fünf gesperrt. Später stellt man der Medienstelle der SBB per Mail Fragen. «Betrachten Sie das als normal?» — «Wieso kann man die WC-Tanks nicht öfter leeren (darum geht es doch wohl technisch, oder?) ?» — «Geht das so weiter, oder gibt es Ideen, die Misere zu lösen, so dass in jedem fahrenden Wagen ein benutzbares WC vorhanden ist?»
Nein, die SBB fänden das nicht normal, antwortet die Medienstelle. Der Zug sei gleichentags ausser Betrieb genommen worden. Ein Defekt der Tanksonden sei das Problem gewesen. Am Morgen seien erst zwei Toiletten defekt gewesen. «Fünf geschlossene Toiletten sind absolut inakzeptabel.»
Die Medienstelle liefert auch technische Information: «Die Toiletten trennen Feststoffe und Wasser. Das Wasser wird aufgekocht und in hygienisch einwandfreiem Zustand unterwegs abgelassen. Währenddessen schliesst sich die Toilette automatisch ab und ist für Kunden nicht zugänglich. Die Feststoffe müssen nur alle zwei bis drei Monate entleert werden.»
Interessant — ein Fall von zeitgenössischer Alchimie. Man staunt. Als Nörgelkunde denkt man allerdings: Warum darf ein Zug mit defekten WC überhaupt starten? Kurz darauf liest man dann das Interview im «Magazin» mit SBB-Chef Andreas Meyer. Er sagt: «Unsere Strategie ist es, die Kunden gut zu behandeln. Servicequalität halten wir hoch.» An dieser Stelle lacht man gallig.
Versuche einmal an einem Automaten in der Ostschweiz ein Billett nach “Stalden” bei Konolfingen zu lösen. Du wirst das nicht finden, obwohl es ein Bahnhof der BLS ist, der früher gar bedient war. Als wenig Ortskundiger weisst Du, dass du nicht nur bis Konolfingen lösen darfst; das wäre zu wenig weit. Du weisst aber nicht, wie wohl die Station heisst, wenn du einfach eine Station zu weit lösen willst.
Zur Zeit müssen viele Stationen ausgebaut, d.h. verlängert werden, damit sie für Dreifach-Kompositionen der Doppelstöcker geeignet werden. Dies ist notwendig, um die Anzahl Reisende zu befördern.
Und nun der neueste Schlager: Der Zürcher Verkehrsverbund plant für den Kurzbereich neue S-Bahn-Züge mit mehr Türen und vorwiegend Stehplätzen.
Zum Glück nur für Kurzstrecken! Von Pfäffikon SZ (heutige S5) nach Rafz möchte ich nicht stehen.
➔ Siehe TagesAnzeiger vom 3. Dez. 2011
➔ Siehe TagesAnzeiger vom 3. Dez. 2011