Der Schweizer Ableger der Grossbank HSBC verwaltete bis 2006 Dutzende Millionen Dollar für saudiarabische Geschäftsleute, die seit 2001 unter dem Verdacht standen, Osama Bin Laden Geld gespendet zu haben. Die Bank führte auch Konten einer Crystal-Meth-Gang in den USA sowie eines Drogenhändlers, der wegen des Transports von 1212 Kilo Kokain zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
Diese und viele weitere problematische Kunden finden sich in Daten, die Informatiker Hervé Falciani 2007 der HSBC stahl und dem französischen Fiskus übergab. Von dort gelangten die Informationen zu «Le Monde». Die Zeitung lancierte letzten September mithilfe des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) eine weltweite Recherche. Unter dem Stichwort «Swissleaks» veröffentlichen heute über 140 Journalisten in mehr als 40 Ländern die Resultate. In der Schweiz beteiligen sich «Tages-Anzeiger», «Bund», «SonntagsZeitung», «Le Matin Dimanche», «L’Hebdo» und «Le Temps».
Die Kundendossiers bestätigen, dass die HSBC 2007 aktiv bei der Hinterziehung von Steuern half, wie andere Banken damals auch. Ermittlungen zeigten, dass von 2'846 französischen HSBC-Kunden nur 6 dieses Geld auch versteuerten — das sind 0,2 Prozent.
Zum ersten Mal ist es für Journalisten auch möglich, nachzuprüfen, wie eine Schweizer Bank mit jenen Kunden umging, bei denen es nebst Steuern womöglich auch um Waffen, Drogen und Blutdiamanten ging. Die Daten zeigen: Viele solcher Hochrisikokunden waren bei der Bank willkommen.
So findet sich ein Konto der afrikanischen Firma Katex Mines, die im Bürgerkrieg von Liberia Waffen an Rebellen lieferte, in deren Reihen Kindersoldaten kämpften. Und: Die HSBC verwaltete Millionenvermögen für teils verurteilte Händler von Blutdiamanten sowie für Dutzende Spitzenpolitiker und Mitglieder von Herrscherfamilien aus korrupten Ländern. Die Liste ist lang.
Der Zürcher Ex-Staatsanwalt und Compliance-Experte David Zollinger sagt, die Schweiz habe im Vergleich sehr strenge Geldwäschereinormen. Solche Fälle würden aber zeigen, dass es damit nicht getan sei. Vielmehr entscheide die Umsetzung dieser Normen über das Resultat. Die Schweiz habe genauso schwere Probleme mit Geldwäscherei wie die anderen Finanzplätze auch. Es stelle sich aufgrund der HSBC-Fälle die Frage, ob die internen Kontrollen verschärft werden müssten.
Die HSBC Schweiz anerkennt in einer Stellungnahme, dass die «Kultur der Compliance» und die Standards der Due Diligence bei der HSBC und anderen Schweizer Banken im Jahr 2007 «deutlich tiefer» lagen als heute. Die HSBC betont, sie habe seit 2012 in der Schweiz eine «radikale Transformation» vollzogen. Zwei Drittel der Konten seien geschlossen worden. Alle Bargeldbezüge von über 10'000 Dollar unterlägen nun einer «strikten Kontrolle». Die HSBC stellte ihre Position vorsorglich bereits gestern öffentlich dar. Schweizchef Franco Morra sagte in der «NZZ am Sonntag»: «2007 war die HSBC Schweiz eine andere Bank als heute».
Die Probleme des Geldhauses dauern jedoch an. Seit letztem Herbst laufen in mehreren Ländern Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Und die Bankenaufsicht Finma hat in den letzten zwei Jahren zwei «umfassende Verfahren bei der HSBC» geführt, wie Sprecher Tobias Lux bestätigt. «Wir stellten dabei fest, dass die Bank gegen die Geldwäschereibestimmungen verstossen hat.»
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Kommentar
Res Strehle, Chefredaktor, über die neuen Enthüllungen zur Privatbank HSBC Schweiz. |
Kommentar
Res Strehle, Chefredaktor,
über die neuen Enthüllungen
zur Privatbank HSBC Schweiz.
Die neuen Fakten über die Privatbank HSBC Schweiz stimmen in zweierlei Hinsicht nachdenklich: Erstens war die Beihilfe dieser Privatbank zur Steuerhinterziehung vermögender Kunden bis 2007 deutlich grösser als bis jetzt bekannt. Und zweitens zeigen die neuen Fakten, dass die Bank nicht nur eine Reihe namhafter Kunden betreute, die ihr Geld vor dem Fiskus versteckten, sondern dazu auch solche, die schwerer Delikte verdächtigt oder sogar dafür verurteilt wurden.
Man kann beides als Altlasten ansehen, schliesslich sind die Daten, die das Journalistenkonsortium ICIJ unter dem Stichwort «Swissleaks» mit verschiedenen internationalen Medien teilte, sieben und mehr Jahre alt. Sie beruhen auf dem Fundus des ehemaligen Genfer HSBC-Mitarbeiters Hervé Falciani und sind unrechtmässig beschafft worden. Entsprechend hoch muss die Hürde für eine Veröffentlichung sein.
Sie wird im Falle der nun bekannt gewordenen, dubiosen oder gar verurteilten Kunden dieser Bank locker übersprungen. Es mag sich um Altlasten handeln, die zum Teil aus einer früheren Übernahme stammten. Aber die Bank war zu einer sorgfältigen Überprüfung ihres Kundenstamms verpflichtet, schliesslich hatte die Schweiz Ende der Neunzigerjahre strenge Regeln gegen die Geldwäscherei erlassen, um den hiesigen Finanzplatz vom Vorwurf der zu laschen Kontrollen zu entlasten. Seither rühmt sie sich einer der strengsten Gesetzgebungen in diesem Bereich. Mit ihrer Wachstumsstrategie im Privatkundengeschäft und der traditionell hohen Renditevorgabe agierte die HSBC womöglich forscher und deshalb etwas unvorsichtiger als andere. Wir wissen es nicht, weil es in den anderen Privatbanken keinen Hervé Falciani gab.
Die neuen Enthüllungen wecken jedenfalls Zweifel, wie rasch und effizient die Schweizer Behörden das Geldwäschereigesetz in die Praxis umsetzten — und wie ernst die Banken die Vorschriften genommen haben. Siebzehn Jahre nach Einführung dieses Gesetzes wäre es an der Zeit, das Phänomen des unterregulierten Schweizer Finanzplatzes als Altlast des 20. Jahrhunderts in die Geschichtsbücher zu verbannen.
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Hervé Falciani kopierte bei der HSBC riesige Datensätze.
Foto: Reuters
Hervé Falciani kopierte bei der HSBC riesige Datensätze.
Foto: Reuters
Was stahl Hervé Falciani bei der HSBC? Sechs Fragen und Antworten zum Datenleck.
Was stahl Hervé Falciani bei der HSBC? Sechs Fragen und Antworten zum Datenleck.
Von Oliver Zihlmann und Titus PlattnerDer Informatiker Hervé Falciani (43), aufgewachsen in Monaco, entwendete 2006 und 2007 vertrauliche Kundeninformationen aus den Datenbanken seines damaligen Arbeitgebers, der Privatbank HSBC Schweiz in Genf. Er nutzte ein Sicherheitsleck: Die Verschlüsselung der Daten funktionierte zeitweise nicht. Der Dieb versuchte erst, die Daten an andere Banken und Geheimdienste zu verkaufen. Doch die Bundeskriminalpolizei kam ihm auf die Schliche. Am 23. Dezember 2008 floh Falciani aus der Schweiz, drei Tage später übergab er fünf DVDs der französischen Steuerfahndung.
Französische Spezialisten erstellten aus den Rohdaten rund 36'000 Excel-Tabellen. Diese enthalten 106'458 Einträge — zu Kunden, Bankern, Anwälten, Mittelsmännern sowie Firmen, die mit diesen Personen verbunden sind. Diese Daten liegen dem TA vor.
Die Zeitung «Le Monde» gelangte an die Daten der französischen Behörden. Die Zeitung gewährte Partnermedien Einblick. Die Führung übernahm das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Washington. Im Verbund engagieren sich auch Schweizer Medien, die so die Daten einsehen und kritisch prüfen konnten.
Einsehbar sind Kundeneinträge mit Namen, Geburtsdatum und weiteren Merkmalen. Dazu IBAN-Nummern von Konten, die mit der Person assoziiert sind. Ferner Kontostände sowie Notizen der Banker zum Eintrag. Die Daten stammen grossteils aus den Jahren 2004 bis 2007.
Die HSBC betont, dass es sich bei den Listen aus Frankreich nicht um Originaldaten handelt. In einer Einvernahme sagte der Chefjurist der Bank, man habe Abweichungen festgestellt. Er nannte ein Beispiel, bei dem ein Kunde weniger auf dem Konto hatte, als in den Daten verzeichnet war. Tatsache ist, dass die französischen Ermittler und das Schweizer Fedpol die Echtheit mehrfach bestätigt haben. Die Bundeskriminalpolizei, welche die Daten mit HSBC-Spezialisten analysiert hatte, schrieb 2010: «Es handelt sich um eine Rekonstruktion der kompletten Kundenprofile und ihrer Bankverbindungen. Es sind echte und vertrauliche Daten, die in allen Punkten mit den Kundendaten übereinstimmen, wie sie bei der HSBC gespeichert waren.»
Die Bundesanwaltschaft erhielt 2010 zwei Kopien der Daten aus Frankreich zurück. Zuerst als DVDs, dann als Kopien von Festplatten. Vergleiche zeigten, dass bei den DVDs 1229 Datenzeilen fehlten. In Frankreich stritt man über diese Zeilen. Der Staatsanwalt von Nizza sagte, ein Vertrauter des früheren Innenministers sei aus der Liste verschwunden. Beim Fundus, der den Medien vorliegt, handelt es sich indes um die Daten der französischen Steuerfahnder, die gemäss Recherchen nicht gefiltert wurden.
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Die HSBC Private Bank (Suisse) SA ist die viertgrösste ausländisch beherrschte Bank in der Schweiz. Per Ende 2014 verwalteten ihre Filialen in Genf, Lugano und am Paradeplatz Zürich 68 Milliarden Franken Kundengelder. Die Bank gehört zur Hongkong Shanghai Banking Corporation, einem 150 Jahre alten Konglomerat mit Hauptsitz in London.
Der TA und andere Medien sandten der Bank im Rahmen der Swissleaks-Recherchen Fragenkataloge zu. Die Bank antwortete nicht auf einzelne Vorwürfe. Stattdessen schickte sie den Journalisten eine vierseitige Stellungnahme — ein aussergewöhnliches Papier. Die Bank gibt darin Verfehlungen zu: «Obwohl es zahlreiche Gründe dafür gibt, in der Schweiz ein Bankkonto zu haben, nutzten in manchen Fällen Personen das Bankgeheimnis aus, um undeklarierte Konten zu unterhalten.» Das führte laut der Bank dazu, dass man eine Anzahl Kunden hatte, die ihre Steuerverpflichtungen «nicht vollständig» einhielten. «Wir anerkennen das Versagen von Compliance und Kontrolle in der Vergangenheit und sind dafür verantwortlich.»
Die HSBC Schweiz hat seit dem Datendiebstahl laut eigenen Angaben eine «radikale Transformation» hinter sich. Seit 2012 verlangt sie, dass Kunden «steuertransparent» sind: Besteht der Verdacht, dass ein Kunde Steuervorschriften verletzt, wird sein Konto geschlossen — oder gar nicht erst eröffnet. Global hat die HSBC 1750 neue Compliance-Spezialisten angestellt sowie die Anti-Geldwäscherei-Richtlinien verschärft.
Einen Teil der Schuld reicht die HSBC weiter. Die meisten Kunden seien 1999 durch den Kauf der Republic National Bank des brasilianischen Bankers Edmond Safra ins Portfolio gelangt. Republic/Safra habe sich nach «ganz anderen Standards» gerichtet — und eine Kundenbasis gepflegt, die sich über 150 Länder erstreckte. Über 100 dieser Märkte hat die Bank inzwischen aufgegeben, und die Kundenbasis schmolz zusammen: 2007 verwaltete die Bank 30'412 Konten; 2014 waren es noch 10'343. (ms)
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«Kunde ist derzeit sehr vorsichtig. Er spürt den Druck der belgischen Steuerfahndung. Sie untersuchen seine Aktivitäten im Bereich Diamantenhandel … Steuerbetrug.»
Kontakt: Unbekannter Ort
Notiz vom 9.9.2005
«Kein Kundenverwalter reist mehr mit Konto-Dokumenten nach Belgien, trop risqué.»
Kontakt: Telefon
Notiz vom 26.10.2005
«Wir können am Telefon NICHT offen reden. Es ist darum schwierig dem Kunden zu anderen Investments Fragen zu stellen!»
Kontakt: Telefon
Notiz vom 22.9.2005
«Kunde sagt, Klima in Antwerpen sei weiter sehr feindselig. Will nicht mehr, dass wir ihn anrufen; weiterhin abgehörte Telefone im Markt; denkt nicht, dass wir uns dort zeigen sollten.»
Kontakt: Bank, Genf
Notiz vom 5.1.2005
«Kunde will nicht per Telefon kontaktiert werden!!!!!!!!!!!!»
Kontakt: Bank, Genf
Notiz vom 5.1.2005
Kontakt: Unbekannter Ort
Notiz vom 9.9.2005
Kontakt: Telefon
Notiz vom 26.10.2005
Kontakt: Telefon
Notiz vom 22.9.2005
Kontakt: Bank, Genf
Notiz vom 5.1.2005
Kontakt: Bank, Genf
Notiz vom 5.1.2005
«Keine Sorgen, dass wir in unserer Bank irgendeinen
Fall von Geldwäscherei haben»:
HSBC-Sitz in Genf.
Foto: Mark Henley (Panos Pictures)
«Keine Sorgen, dass wir in unserer Bank irgendeinen
Fall von Geldwäscherei haben»:
HSBC-Sitz in Genf.
Foto: Mark Henley (Panos Pictures)
«Keine Sorgen, dass wir in unserer Bank irgendeinen
Fall von Geldwäscherei haben»:
HSBC-Sitz in Genf.
Foto: Mark Henley (Panos Pictures)
Am 9. September 2005 schreibt ein Berater der Privatbank HSBC Schweiz in Genf eine Warnung in die Fiche eines Kunden. Es geht um Emmanuel Shallop, einen libanesisch-belgischen Diamantenhändler aus Antwerpen. «Kunde ist derzeit sehr vorsichtig», schreibt der Bankier. «Er spürt den Druck der belgischen Steuerfahndung. Sie untersuchen seine Aktivitäten im Bereich Diamantenhandel … Steuerbetrug.»
Bereits 2001, vier Jahre zuvor, nannte ein Bericht des UNO-Sicherheitsrats Emmanuel Shallop als Empfänger von Geldern aus dem Handel mit Blutdiamanten in Sierra Leone, für die ein strenges Handelsembargo galt. Verstösse dagegen werden auch in der Schweiz mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe gebüsst.
Aber weder der UNO-Bericht noch die deutlichen Hinweise des Kunden selber auf Ermittlungen in Belgien haben die HSBC Schweiz bewogen, Shallops Konto zu schliessen. Im Gegenteil: Der Kunde sei «sehr zufrieden», notiert ein HSBC-Mann nach einem Treffen im Herbst 2005. Shallops Guthaben überstieg 2006/2007 zeitweise 2,8 Millionen Dollar. Das geht aus seiner Fiche hervor. Ein Jahr später verurteilte ihn ein Gericht in Antwerpen wegen Handel mit Blutdiamanten zu vier Jahren Gefängnis. 2010 wurde das Urteil bestätigt.
2009 fragten Journalisten den damaligen CEO der HSBC Schweiz, Alexandre Zeller, ob es in seiner Bank keine Fälle von Geldwäscherei gebe. Seine Antwort: «Ich mache mir keinerlei Sorgen, dass wir in unserer Bank irgendeinen Fall von Geldwäscherei haben. Egal, welches Land es betrifft: Wenn nur der geringste Zweifel aufgekommen wäre, hätten wir das gemeldet.» Im selben Interview wiederholte der Bankchef auch, was bis heute das offizielle Credo auf dem Finanzplatz Schweiz ist: Steuerdelikte seien vor 2009 zwar vorgekommen. Aber bei schwereren Delikten, bei Geldwäscherei und Ähnlichem, da handelten Schweizer Banken vorbildlich.
Die Falciani-Daten vermitteln ein anderes Bild. Recherchen in Kundeneinträgen zeigen, wie die internen Kontrollen der Bank reihenweise versagten, wie sie mit Diamantenhändlern wie Emmanuel Shallop, mit mutmasslichen Terror-Financiers und mit Waffenschiebern geschäftete.
Ein exemplarischer Fall spielt in Afrika. Im Juli 2003 verwandelte sich die Hauptstadt Liberias in ein Schlachtfeld. Rebellen griffen Truppen des damaligen Präsidenten Charles Taylor an. Sie feuerten mit Granatwerfern in bewohnte Gebiete der Hauptstadt Monrovia, Hunderte Zivilisten starben. Auf beiden Seiten kämpften Kindersoldaten. Die Waffen kamen zum Teil aus dem Nachbarland Guinea, dessen Regierung die Rebellen unterstützte. Die Firma Katex Mines Guinee war einer der Transporteure, welche die Waffen heranschafften, wie UNO-Berichte festhalten.
Katex war bis 2006 Kunde bei der HSBC Schweiz — obwohl die HSBC-Gruppe bereits 2000 entschieden hatte, sich «stufenweise» aus Waffengeschäften zurückzuziehen. In einem Papier der Bank heisst es, man biete keine «Finanzdienstleistungen für Transaktionen betreffend Kauf anderer Waffen» an, gemeint sind etwa «Pistolen und Raketen».
UNO-Experten untersuchten 2003 eine Reihe von Katex-Lieferungen nach Guinea. Sie bilanzierten in ihrem öffentlichen Bericht: «Wir gehen davon aus, dass Katex in den letzten zehn Monaten Waffen und Munition importierte.» Dazu gehörte ein Transportflug von Teheran nach Guinea. An Bord: Waffen, in den Frachtpapieren als «Waschmittel» getarnt.
Gemäss Swissleaks-Daten eröffnete Katex im Februar 2001 ein Konto bei der HSBC in Genf. Trotz der Hinweise auf die Waffengeschäfte blieb die Firma Kunde. 2005 wurde das Konto zwar zeitweise blockiert, bis 2006 war es aber weiter aktiv. Damals erreichte es einen Höchststand von 7,14 Millionen US-Dollar.
Je tiefer man in die Daten gräbt, desto mehr kriminelle Kunden kommen zum Vorschein. Französische Fahnder filterten rund 3000 Franzosen aus der Datensammlung heraus, die Hervé Falciani in Genf gestohlen hatte. Diese Namen glichen sie mit den Verbrecherregistern von Europol und der französischen Polizei ab. Resultat: nicht weniger als 120 Treffer. Deswegen laufen nun zahlreiche Verfahren, etwa gegen mehrere mutmassliche Drogenhändler, die von der Bank geradezu hofiert wurden. Als einer von ihnen einem HSBC-Berater von seinem Hotelprojekt in Marrakesch erzählte, notierte dieser später: «Sicher fällt auch für die HSBC was ab.»
David Zollinger war früher Staatsanwalt und Bankkader, heute arbeitet er als Compliance-Experte und Spezialist für Wirtschaftskriminalität. Er sagt, ab 2002 sei es bei Schweizer Banken Standard gewesen, ausländische Neukunden mithilfe von Informationsdatenbanken zu prüfen — oder sie mindestens zu «googeln». Bei grossen Kundenstämmen könne es vorkommen, dass problematische Namen vereinzelt nicht entdeckt würden, auch weil oft die Schreibweise nicht ganz klar sei. «Wenn sich aber bei einer Bank die Fälle häufen, ist man geneigt, zu sagen: Die Annahme solcher Kunden war wohl ein Geschäftsprinzip.»
Das Katex-Management und Emmanuel Shallop wollten zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Die HSBC Schweiz schreibt in einem Statement an den TA und andere Medien, dass sie zu viele «Hoch-Risiko-Konten» in ihren Büchern hatte. Sie sah sich gezwungen, ab 2007 Tausende Konten aufzulösen.
Auch die Bank selbst wurde umgekrempelt, zuvorderst die Abteilung Medis (Mediterranean Europe and Israel). Dort wurden Diamantenhändler wie Emmanuel Shallop betreut, und dort explodierte Skandal um Skandal, mal waren es Drogengelder aus Frankreich, mal Geldwäscherei in Spanien. «Überdurchschnittlich oft» hätten die Strafverfolger bei Medis angeklopft, sagte sogar der Chefjurist der HSBC Schweiz in einer Befragung. Nach einer Reihe von internen und externen Untersuchungen hatte das Management genug — und schloss 2013 die ganze Abteilung.
Mitarbeit: Ryan Chittum, Sylvain Besson.
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Ein mysteriöses Dokument nennt reiche Saudi als angebliche Spender der al-Qaida — mehrere von ihnen tauchen jetzt als Kunden von HSBC Schweiz auf.
Ein mysteriöses Dokument nennt reiche Saudi als angebliche Spender der al-Qaida — mehrere von ihnen tauchen jetzt als Kunden von HSBC Schweiz auf.
Daniel GlausEin halbes Jahr war vergangen seit den Anschlägen vom 11. September 2001, weltweit jagten die USA die Täter und Hintermänner. In Sarajevo stürmte im März 2002 eine Sondereinheit die Büros einer islamischen Hilfsorganisation. Der Verdacht: Über die internationale Stiftung sollen Spenden zu al-Qaida fliessen. Auf den sichergestellten Festplatten fand sich ein Dateiordner mit der Bezeichnung «Osamas Geschichte». Eine der Dateien zeigte eine handschriftliche Liste mit 20 Namen in arabischer Sprache: angeblich die grössten Spender al-Qaidas. Bin Laden selber soll von der «Goldenen Kette» gesprochen haben.
Heute, dreizehn Jahre nach dem Fund zeigt sich: Einige dieser angeblichen Bin-Laden-Sponsoren parkierten Gelder in der Schweiz. Mehrere Namen der «Goldenen Kette» finden sich in den Datenbanken der HSBC. Die Männer stammen aus den einflussreichsten Kreisen Saudiarabiens. Sie sind als global agierende Topmanager oder Eigner riesiger Firmenkonglomerate bekannt. Sie tragen Titel wie «Scheich» oder «Prinz», sie zieren Titelblätter von HochglanzWirtschaftsmagazinen, sie gelten als Mäzene. Hat HSBC wissen können, welch gravierender Verdacht auf einigen Kunden lastet? Geht man in der Zeit zurück, ist die Antwort in mehreren Fällen eindeutig: Ja. Zeitung lesen hätte gereicht.
Zum Beispiel bei einem heute 70-jährigen Saudi, Herr einer internationalen Firmengruppe. Im Juli 1999 wurden bei der HSBC in Genf Konten auf seinen Namen lautend eröffnet. Am 8. Juni 2003 berichtet die britische «Sunday Times», der Saudi figuriere auf der «Goldenen Kette». Und publizierte seinen Namen.
Wie die HSBC darauf reagierte, bleibt offen; die Bank äussert sich nicht zu Detailfragen. Aus den Swissleaks-Daten ersichtlich ist, dass der Saudi und sein Firmenkonglomerat Kunden geblieben sind: Noch in den Jahren 2006/2007 bewegte sich der Saldo eines der Firmenkonten um die 70 Millionen US-Dollar. Und eine Investmentfirma, dessen wirtschaftlich Berechtigter der Saudi ist, weist gut 200 Millionen US-Dollar auf.
Osama Bin Laden Al-Qaida-Begründer |
Osama Bin Laden Al-Qaida-Begründer |
Lange Zeit war die HSBC «eine der aktivsten globalen Banken in Saudiarabien», wie eine Kommission des US-Senats 2012 festhielt. Sie kam zum Schluss, dass HSBC es Terroristen und Drogenhändlern zu leicht gemacht habe, Geld über die Bank abzuwickeln. Dieses Gebaren scheint sich auch bei einem weiteren saudischen Geschäftsmann manifestiert zu haben. Die Firmen des 79-Jährigen investieren etwa in die Medizintechnologie. Gemäss den Daten aus der HSBC-Bank wurde am 29.?Oktober 2002 ein Konto im Namen dieses Saudis eröffnet. Nur Monate später wurde in den USA die «Golden Chain» erstmals in einem Gerichtsfahren verwendet. Darauf fiel der Name des Saudis in der Anhörung einer US-Parlamentskommission. Es folgten Presseartikel, etwa im «Wall Street Journal». Damals wurde die zentrale Rolle des Geschäftsmannes in einem weitverzweigten Konstrukt von Firmen, Stiftungen und Vereinigungen bekannt. Über das Netz sollen seit den 1980er-Jahren Gelder an islamistische Milizen geflossen sein, später auch an al-Qaida. Dass gerade dieser Saudi als Mitglied der «Goldenen Kette» genannt wurde, passte ins Bild.
Sein Konto bei HSBC in Genf wollte der Saudi offensichtlich diskret behandelt wissen. Denn die Korrespondenz sollte in der Bank bleiben und ihm nicht gesendet werden, wie die Daten zeigen. Das Konto war noch 2006 aktiv.
Von den Mitgliedern der «Goldenen Kette», die in den Swissleaks-Daten auftauchen, lässt sich in drei Fällen nachweisen, dass die Vorwürfe öffentlich bekannt waren. Und im Risiko-Management ist es Alltag, Berichte von Medien und Behörden weltweit auszuwerten. Dass die Hinweise anscheinend ignoriert wurden, ist umso erstaunlicher, als Terrorfinanzierung 2001 schlagartig Topthema wurde. UNO, EU und zahlreiche Staaten erliessen neue Richtlinien und Empfehlungen. Ab 2003 verschärfte die Schweiz ihre Regeln für die Banken.
Die Lage von HSBC war verzwickt: Während in der Presse die beschuldigten Kunden auftauchten, ergab der Abgleich dieser Namen mit offiziellen Sanktionslisten keine Treffer. Gerne hätte der TA mit HSBC darüber gesprochen, wie die Bank damit umgegangen ist. Jedoch verschickte sie nur eine allgemeine Stellungnahme.
Die Anwälte der Saudis betonen, dass die «Goldene Kette» bis heute vor Gericht als Beweis nie ausgereicht habe. Dennoch bezeichnen Experten das Dokument für den besten Beleg der al-Qaida-Unterstützung durch Araber vom Golf. Michael Scheuer, bei der CIA einst Leiter der Bin-Laden-Abteilung, sagt der «Süddeutschen Zeitung»: «Diese Leute haben al-Qaida finanziert und damit Grundlage für die Terrororganisation gelegt.»
HSBC-intern waren die Vorwürfe bekannt. Darauf deutet auch der Umgang mit einer saudischen Bank hin. Diese sah sich damit konfrontiert, Mitglieder ihrer Besitzerfamilie hätten Extremisten unterstützt — und vermutlich gewusst, dass Al-Qaida-Terroristen ihre Bank nutzen. Dieses Risikos war sich die Compliance-Abteilung der HSBC-Gruppe bewusst. So erliess sie 2005 die Empfehlung, die HSBC-Filialen sollten ihre Beziehungen zur saudischen Bank einstellen. Das hat eine Kommission des US-Senats herausgefunden. Sie schreibt in ihrem Bericht, einige HSBC-Filialen hätten gegen diese Empfehlung protestiert. Zu den Abweichlern gehörte die Genfer Filiale, wie aus Swissleaks-Unterlagen hervorgeht. Denn sie war weiterhin mit dem saudischen Bankier-Clan verbunden. Der Familienname taucht mehrmals auf. Eines der Konten wurde erst nach der internen Warnung eröffnet.
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