«Das Formularfeld ‹legal› ist rasch angekreuzt», sagt Daniel Thelesklaf.
Foto: Sophie Stieger
Die HSBC Schweiz hatte Diamantenschieber und Waffenhändler im Kundenstamm. Wie ist das möglich?
Weil im Private Banking dieses Risiko nie ganz auszuschliessen ist. Finanzermittler haben solche Fälle täglich auf dem Tisch. Selbst in Liechtenstein stossen wir noch heute auf zwielichtige Kunden, und auch die Schweizer Bundesanwaltschaft ist mit solchen Fällen konfrontiert. Die HSBC ist einfach ein Fall, der jetzt an die Oberfläche kommt und einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird. Ich will nicht sagen, dass der Fall «normal» ist, aber er ist sicher näher bei der Regel als bei der Ausnahme.
Man würde also auch bei anderen Privatbanken solche Kunden finden?
Davon gehe ich aus.
Es heisst doch immer, die Schweiz habe die strengsten Geldwäschereigesetze der Welt.
Es entspricht der gutschweizerischen Erwartung, dass sich Probleme mit einem Gesetz lösen lassen. Doch Gesetze alleine reichen nicht aus. Man muss sich fragen: Welchen Risiken ist der Finanzplatz ausgesetzt? Erst nach dieser Analyse kann entschieden werden, wie vorgegangen werden soll. Es ist durchaus sinnvoll, gewissen Gefahren, denen der Finanzplatz durch kriminelle Netzwerke ausgesetzt ist, präventiv zu begegnen. Ich denke, in der Zukunft kann man da noch mehr machen.
Was war denn die Realität?
Es gab immer internationale Gremien, die Regeln vorgegeben haben. Die hat man dann auf allen Finanzplätzen, auch in der Schweiz, nachvollzogen und stolz gesagt: «Jetzt haben wir gemacht, was gefordert ist.» Aber auch Geldwäscher interessieren sich für diese Regeln — und lernen daraus. Wir stehen in einem Wettlauf mit der Finanzunterwelt, den wir noch lange nicht gewonnen haben. Wirtschaftskriminalität, Korruption und grosse Steuerbetrügereien nehmen nicht ab, sondern zu. Und Kriminelle können weiterhin auf Finanzspezialisten zählen, die ihnen helfen.
Was ist die Lösung?
Wir brauchen meines Erachtens keine neuen Gesetze.
Sondern?
Jede Bank hat einen bestimmten Appetit auf Risiken. Diesen Appetit müssen wir genau anschauen und kontrollieren. Da gibt es heute immer noch grössere Unterschiede zwischen den einzelnen Banken.
War die HSBC denn besonders hungrig auf riskante Kunden?
Der Appetit war offenbar gross. Aber er war im Private Banking allgemein gross, denn die Margen waren hervorragend. Es liess sich leicht Geld verdienen, und man musste keine Angst haben, aufzufliegen: Wenn etwas schiefgehen sollte, würden Kunden nie die Bank attackieren, weil sie dann ja selbst ein Problem hätten. Am Bankgeheimnis hat man sich damals noch die sprichwörtlichen Zähne ausgebissen.
Haben die Banken bewusst illegale Gelder angenommen?
So einfach ist es nicht. Im Management hat man den Risikoappetit indirekt bestimmt. Man hat den Vermögensverwaltern gesagt: Wir wollen zehn Prozent mehr per Ende Jahr. Macht mal. Und die unten fühlten sich dann von oben gedeckt. Wenn man — als Beispiel — einen Verwandten des ägyptischen Präsidenten Mubarak im Kundenstamm hatte, dann gab man sich früher mit seinen Erklärungen zufrieden, wie er angeblich sein Geld verdient haben soll.
Und wie steht es damit heute?
Die Banken, besonders die grossen, haben ihr Geschäftsmodell radikal geändert. Das heisst natürlich nicht, dass bei denen nicht plötzlich doch wieder ein Geldwäscher auftaucht. Aber bei den Grossbanken ist das Risiko so weit begrenzt, dass man sagen kann: Das System hat nicht versagt. Es ist wie bei Ihrer Zeitung — Sie können nicht verhindern, dass Sie irgendwann einmal eine Ente im Blatt haben. Wenn Sie wollen, dass es null Falschmeldungen gibt, dürfen Sie keine Zeitung mehr drucken.
«Man kann warten, bis der nächste Skandal hochgespült wird. Früher oder später kommen sie alle hoch.» «Wir haben Fälle, wo man sagen muss: Diesen Waffenschieber konnte die Bank beim besten Willen nicht erkennen.»
«Man kann warten, bis der nächste Skandal hochgespült wird. Früher oder später kommen sie alle hoch.» «Wir haben Fälle, wo man sagen muss: Diesen Waffenschieber konnte die Bank beim besten Willen nicht erkennen.»
Das heisst, die grossen Schweizer Banken sind sauber genug?
Heute sind einige international tätige Banken bereits ins andere Extrem gekippt und übertreiben es mit ihrem «De-Risking»: Sie machen gar keine Geschäfte mehr mit Kunden, die den «falschen» Pass haben. Einfach Länder auf eine schwarze Liste zu setzen und Kunden von dort nicht mehr zu bedienen — das ist einfach, kann aber nicht die Lösung sein.
Gibt es denn auch heute noch Banken mit ungesundem Appetit auf Risiken?
Die goldenen Tage der Riesenmargen sind vorbei. Heute herrscht Kostendruck. Ich glaube, wenn man wissen will, welche Banken immer noch grossen Appetit auf Risiko haben, muss man auch die Gebührenmodelle anschauen. Bei jenen Banken, die heute noch hohe Gebühren verlangen und trotzdem ihre Kunden nicht verlieren, muss man sich fragen: Warum eigentlich? Was offerieren die, was andere nicht anbieten?
Gibt es weitere Risiko-Indizien?
Eine Bank, die Gelder langfristig verwaltet, ist weniger gefährdet als eine Bank, die als Durchlaufstation dient. Und dann stellt sich die Frage, wie die Kunden zur Bank kommen. Sind das Familien, die man schon seit Jahrzehnten betreut? Oder arbeitet man vor allem mit Zulieferern? Das ist eine weitere Gefahr. Auf dem Papier mag ein Kunde eines Zulieferers gut aussehen: Es gibt einen Vertrag, und das Formularfeld «Stammt aus legaler Quelle» ist rasch angekreuzt. Aber stimmt das auch? Der Zulieferer will vor allem seine Kommission. Oder das Bonussystem: Wenn der Bonus nur davon abhängt, wie hoch die Neugelder sind, die ein Banker hereinholt, dann setzt das Management einen falschen Anreiz.
Was kann man gegen solche High-Risk-Banken tun?
Man kann warten, bis der nächste Skandal hochgespült wird. Früher oder später kommen sie alle hoch. Die HSBC ist nicht der letzte Fall, da werden wir noch mehr sehen. Oder man schaut sich die Banken an: Welchen Risikoappetit haben sie, wie begrenzen wir den? Dazu wäre jetzt eigentlich der Moment. Ich finde, es ist wichtig, dass auf einem Finanzplatz alle denselben Standard haben — denn sonst verlieren jene Geld, die es richtig machen. Das ist unfair.
Wie könnte das funktionieren?
Die grossen Banken haben bessere Systeme gebaut, als das Gesetz vorschreibt. Sie gehen übers Minimum hinaus. Davon könnte man eigentlich lernen und sagen: Dann machen wir das doch auch für die anderen verbindlich.
Was heisst das konkret?
Der Ansatz muss sein: Je grösser das Risiko, desto mehr ist zu tun. Beim Konto meiner Mutter zum Beispiel müsste die Bank nicht besonders gut aufpassen. Aber bei einem Osteuropäer, der in der Energiebranche tätig ist, mehr als eine Million Franken bringen will und schon bei drei anderen Banken angeklopft hat, sieht es anders aus. Man sollte Abwehr besser am Risiko ausrichten.
Zurück zum Fall HSBC. Die Bank hatte wie alle Geldhäuser eine Compliance-Abteilung. Versagten die internen Kontrolleure?
Schwer zu sagen. Die versuchten wohl, das Schlimmste zu verhindern. Man muss aber unterscheiden: Wie viel wusste man damals — und wie viel fand man später heraus? Wir haben regelmässig Fälle, wo man sagen muss: Diesen Waffenschieber konnte die Bank beim besten Willen nicht erkennen, der hatte eine gute Story.
Die Finma kommuniziert allgemein sehr zurückhaltend. Ist es sinnvoll, dass die Aufsicht in einer Dunkelkammer operiert?
Es ist richtig, dass die Finma von der Politik nicht zu eng kontrolliert wird. Ihre Unabhängigkeit ist ein wertvolles Gut. Ich weiss nicht, wie wir aus der Finanzkrise gekommen wären, wenn die Politik mit voller Kraft hätte reinreden können. Im aktuellen Fall sind auch ägyptische Namen aufgetaucht. Man weiss, dass die Finma einige Banken bezüglich dieses Landes näher angeschaut hat. Da muss man sich schon fragen, ob «Naming and Shaming» nicht ein gutes Mittel wäre, wenn Missstände bestehen.
Unabhängigkeit und Transparenz ist nicht dasselbe.
Richtig. Im Grundsatz bin ich immer für mehr Offenheit bei Behörden. Bei der Finma gibt es aber zahlreiche Ausnahmen. Stellen Sie sich vor, eine Bank gerät in Schieflage, und diese Information geht an die Öffentlichkeit — dann kommt es zu einem Run auf die Bank. Das wäre hochgefährlich.
Seit September 2014 analysieren rund 140
Journalisten Kundendaten
der Privatbank HSBC Schweiz. Federführend ist das International
Consortium of Investigative Journalists
(ICIJ). Diese Woche publizieren
über 40 Medien ihre Recherchen,darunter
«Le Monde», «Süddeutsche Zeitung»
und «Guardian».In der Schweiz sind der TA, «Bund»,
«SonntagsZeitung», «Le
Matin Dimanche», «L’Hebdo» und
«Le Temps» beteiligt. Die Schweizer
Recherchen werden auch auf
www.swissleaks.net
veröffentlicht.
Bereits erchienen:
Die kriminellen Kunden der HSBC Schweiz
Gestern Montag, 9. Februar
Wie die HSBC-Banker Kunden anwarben
Dienstag, 10. Februar
Kunde «not easy to handle«
Mittwoch, 11. Februar
Mehr zum Thema
Das vollständige Swissleaks-Dossier
swissleaks.tagesanzeiger.ch
Im Fall HSBC ist die Finma politisch unter Druck geraten. Hat sie ihre Kontrollpflichten vernachlässigt?
Ich glaube, generell ist das Bild einer laschen Bankenaufsicht in der Schweiz falsch. Ich höre Banker über die «strenge Finma» jammern. Wie es im konkreten Fall war? Da habe ich keinen Einblick.
Oft ist zu hören, die Finma sei zu nahe an der Finanzindustrie.
Man ist immer ein bisschen betriebsblind. Bei uns in Liechtenstein gibt es deshalb einen regen Austausch zwischen den Behörden. Und: Es müsste gelingen, die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Banken auszubauen, mehr Informationen auszutauschen. Heute ist es oft so: Auf der einen Seite stehen die Behörden, auf der anderen Seite der Banker. Eigentlich müsste die Gleichung lauten: Banker und Behörden gemeinsam gegen den Geldwäscher.
Ich will im Jahr 2015 Drogengeld waschen. Was muss ich tun?
Sie können heute nicht mehr mit einem Sack Bargeld in eine Bank spazieren, um es zu deponieren. Heute werden Ihnen sofort Fragen gestellt. Die Bank will die Geschichte des Gelds kennen. Die Folge: Nun werden diese Geschichten einfach vorgetäuscht — es gibt falsche Verträge und falsche Aussagen von Dritten, die perfekt aussehen.
Der 50-jährige Zürcher ist Direktor der Liechtensteiner Anti-Geldwäschereibehörde Financial Intelligence Unit (FIU). Er ist ein Finanzermittler der ersten Stunde: 1998 leitete er die neu geschaffene Geldwäschereimeldestelle unter dem heutigen Bundesanwalt Michael Lauber. Zuvor war er als Leiter Recht und Compliance bei einer Bank tätig. (ms)
Alles wird undurchsichtiger.
Legale und illegale Tätigkeiten vermischen sich. Ich habe schon lange keinen Fall mehr gesehen, bei dem ein Politiker Schwarzgeld annahm und dieses dann hierherbrachte. Heute läuft das anders: Ein Industrieller kauft via eine seiner Konzerngesellschaften eine Yacht und lässt dann die Verwandten des Ministers damit herumfahren. Der Minister wird im Konstrukt, das für den Kauf benutzt wurde, nie auftauchen.
Man benutzt legale Geschäfte als Tarnung von illegalen.
Genau. Das geschieht oft auch mit Handelsgütern. Eine Bank soll 100 Millionen bekommen. Sie fragt nach, woher das Geld komme. Der Kunde legt einen Vertrag vor: eine Öllieferung. Dieser Vertrag kann eine Fälschung sein — die Lieferung existiert gar nicht. Oder es gibt die Bestellung zwar, aber der Preis wurde manipuliert. Beim Öl ist das noch einfach zu erkennen, es gibt einen Marktpreis. Schwieriger ist es bei Gütern wie Kunst — was kostet ein Picasso?
Solche Fälle sehen Sie?
Wir sehen nur wenige. Wir vermuten, dass es noch viel mehr gibt.
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«Sagt ja nichts meiner Frau», bekamen die Berater öfter zu hören.
Foto: Keystone
«Sagt ja nichts meiner Frau», bekamen die Berater öfter zu hören.
Foto: Keystone
Der Mann ist vermögend, weltmännisch, weit gereist. Er sitzt im LuxusSkiort mit seinem Banker zusammen. Die beiden reden Tacheles. Es geht um Geschäfte, um Finanzielles. Ernste Dinge eben. Und die Frauen der beiden? Die würden das sowieso nicht verstehen. Also gehen sie derweil lieber shoppen in der Luxusboutique nebenan.
Man könnte meinen, es sei eine Szene aus einem 50er-Jahre-Film. In Wirklichkeit ist es ein kleiner Einblick in die Welt der reichen Kunden der Privatbank HSBC Schweiz im Jahr 2005. Swissleaks, die Aufarbeitung der gestohlenen HSBC-Kundendaten, enthüllt nicht nur die geheimen Konten von Steuerhinterziehern. Es enthält auch Tausende Kommentare von Beratern über ihre Klienten.
Was einen bei der Durchsicht der Akten geradezu anspringt: Wenn es ums Geld geht, pflegt diese Klientel noch heute eine Rollenverteilung, die jedes Klischee in den Schatten stellt. Der oben erwähnte Herr, ein schwerreicher Deutscher mit Wohnsitz in einem sonnigen Steuerparadies, plauderte also im März 2005 in St. Moritz mit seinem extra angereisten Banker der HSBC über seine Finanzen. Ihre Frauen hatten die beiden in die Boutique geschickt. «Sie verbrachten eine tolle Zeit», schrieb der Kundenberater später zufrieden in die Fiche des Deutschen. Szenen wie diese finden sich allenthalben in den Akten von Swissleaks. Man liest, wie sich die Banker — durchwegs Männer — kumpelhaft verbrüdern mit ihren reichen Kunden, ebenfalls Männer. Die Frauen lassen sie dabei buchstäblich aussen vor. Zum Beispiel der Diamantenhändler, der gerade in Genf weilte und seinen Bankberater aufsuchte. Während des Gesprächs liess der Händler seine Frau draussen im Auto warten, wie der Berater später festhielt.
Das Kumpelhafte zwischen den Männern ging dabei weit über das Ausschliessen der Frauen hinaus. Bei der Durchsicht der Swissleaks-Dokumente stellte sich heraus, dass die Berater ihre Klienten nicht nur in Steuersachen deckten, sondern auch in Liebesangelegenheiten. Als einer seiner reichen (und verheirateten) Kunden auf Visite in Genf war, schrieb ein Berater, der Klient sei gerade «bei seiner Freundin». Die Dame möchte im Übrigen bei der HSBC auch gleich «ein kleines Konto» eröffnen, fügte er leicht gönnerhaft an. Und dann notierte er wieder ernster: Der Mann «beabsichtigt, sich so schnell wie möglich scheiden zu lassen». Die Ehefrau wusste offensichtlich von alledem nichts.
Angesprochen auf den Umgang zwischen den Ehepaaren, sagt ein ehemaliger Angestellter der HSBC freimütig, es sei sehr häufig vorgekommen, dass ihn männliche Klienten baten: «Sagt ja nichts meiner Frau!» In den Swissleaks-Daten finden sich dazu zahlreiche Beispiele. Ein Kunde legte zum Beispiel fest, dass die Bank ihn auf jeden Fall nur auf dem Handy anrufen durfte. Der Kundenberater schrieb, man müsse «sehr diskret sein, denn seine Frau ist gerade bei ihm in Zypern, und sie ist nicht auf dem Laufenden über das Konto».
Ein anderer Klient rief aus der Türkei an, offenbar komplett verängstigt. Der Kundenberater schrieb nachher: «Der Hauptteil der Diskussion mit dem Kunden drehte sich um die Situation mit seiner Frau. Da gibt es grosse Streitigkeiten (…) Es kann sein, dass sie sich scheiden lassen. Und die Frau hat überhaupt keine Ahnung vom Konto.»
Abklärungen in Frankreich haben ergeben, dass lediglich 0,2 Prozent der dortigen HSBC-Kunden ihr Genfer Konto deklariert hatten. Erstaunlicherweise ist es aber nicht die Angst vor den Steuerbehörden, die in den Kommentaren der Banker am häufigsten vorkommt, sondern die Angst vor den Ehefrauen. Und was machten die Berater? Sie zeigten viel Mitgefühl. «Er wird seiner Frau ungefähr 700'000 Dollar in Obligationen abgeben müssen», schreibt ein Banker über einen Diamantenhändler. «Und dann will sie ohne Zweifel noch ein Offshore.»
Nachdem ein reicher Kunsthändler seinem HSBC-Berater das Herz ausgeschüttet hatte, schrieb dieser offenbar erschüttert: «Seine (Ex-)Frau hat ihm nachgestellt. Sie hat ihn bei der Steuerfahndung denunziert. Jetzt muss er Steuernachzahlungen machen. Er macht sich Sorgen wegen seiner Gelder bei uns.»
Die meisten Männer hatten Angst, dass sie bei einer Scheidung ihr verstecktes Geld herausrücken müssten — und die HSBC-Banker spendeten Trost. Als ein aufgeregter Kanadier anrief, ob seine Frau Zugriff auf sein Schweizer Guthaben haben könnte, wurde er beruhigt: «Nur ein Richter kann unser Bankgeheimnis aufheben. Und auch das ginge nur bei Drogengeschäften und Korruption.» Doch bei einer Scheidung kann auch ein ausländischer Richter Kontodaten anfordern.
Anne Reiser, Anwältin aus Genf, hat verschiedene Scheidungsfälle von vermögenden Paaren begleitet. In vielen Fällen hat sie ganze Vermögen entdeckt, die der Mann auf Biegen und Brechen verstecken wollte, meist in komplexen Offshore-Strukturen. «Diese Männer haben vor allem ihr Vermögen gepflegt, nicht ihre Ehe», sagt Reiser. Wenn Berater den Männern beim Verstecken von Geldern helfen, auf die beide Ehepartner ein Anrecht haben, machen sie sich strafbar.
Da ist es eine wohltuende Ausnahme, wenn man im ganzen Fundus von Swissleaks auch einmal einen Kunden findet, der in die Schranken gewiesen wurde. Er führte ein Konto, das auf seine Frau gemeldet war. Doch es stellte sich heraus, dass diese Frau schon seit Jahren tot war und der Mann sie nur vorschob. Schliesslich ging vom Bankpersonal eine Meldung gegen den Mann ein. Das Klischee vom Banker, der seinem reichen Klienten beisteht durch dick und dünn, trifft also nicht immer zu, denkt man erleichtert. Bei genauerem Hinsehen merkt man jedoch, dass es gar kein Berater war, der diesen Mann bei der Rechtsabteilung gemeldet hatte. Es war eine Beraterin.
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