«Die HSBC ist nicht der letz­te Fall»

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Da­ni­el The­le­sklaf sagt, es ge­be im­mer noch Schwei­zer Ban­ken mit un­ge­sun­dem Ap­pe­tit auf ris­kan­te Ge­schäft­e. Der Geld­wä­sche­rei-Be­kämp­fer rech­net mit wei­te­ren Skan­da­len.

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Mit Daniel Thelesklaf sprachen Mario Stäuble und Martin Stoll
Daniel Thelesklaf

«Das Formularfeld ‹legal› ist rasch angekreuzt», sagt Daniel Thelesklaf.

Foto: Sophie Stieger

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Die HSBC Schweiz hat­te Dia­man­ten­schie­ber und Waf­fen­händ­ler im Kun­den­stamm. Wie ist das mög­lich?

Weil im Pri­va­te Ban­king die­ses Ri­si­ko nie ganz aus­zu­schlies­sen ist. Fi­nanz­er­mitt­ler ha­ben sol­che Fäl­le täg­lich auf dem Tisch. Selbst in Liech­ten­stein stos­sen wir noch heu­te auf zwie­lich­ti­ge Kun­den, und auch die Schwei­zer Bund­es­an­walt­schaft ist mit sol­chen Fäl­len kon­fron­tiert. Die HSBC ist ein­fach ein Fall, der jetzt an die Ober­flä­che kommt und einer brei­ten Öf­fent­lich­keit be­kannt wird. Ich will nicht sa­gen, dass der Fall «nor­mal» ist, aber er ist si­cher nä­her bei der Re­gel als bei der Aus­nah­me.

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Man wür­de also auch bei an­de­ren Pri­vat­ban­ken sol­che Kun­den fin­den?

Da­von ge­he ich aus.

Es heisst doch im­mer, die Schweiz ha­be die streng­sten Geld­wä­sche­rei­ge­set­ze der Welt.

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Es ent­spricht der gut­schwei­ze­ri­schen Er­war­tung, dass sich Prob­le­me mit einem Ge­setz lö­sen las­sen. Doch Ge­set­ze al­lei­ne rei­chen nicht aus. Man muss sich fra­gen: Wel­chen Ri­si­ken ist der Fi­nanz­platz aus­ge­setzt? Erst nach die­ser Ana­ly­se kann ent­schie­den wer­den, wie vor­ge­gan­gen wer­den soll. Es ist durch­aus sinn­voll, ge­wis­sen Ge­fah­ren, de­nen der Fi­nanz­platz durch kri­mi­nel­le Netz­wer­ke aus­ge­setzt ist, prä­ven­tiv zu be­geg­nen. Ich den­ke, in der Zu­kunft kann man da noch mehr ma­chen.

Was war denn die Re­ali­tät?

Es gab im­mer in­ter­na­tio­na­le Gre­mi­en, die Re­geln vor­ge­ge­ben ha­ben. Die hat man dann auf al­len Fi­nanz­plät­zen, auch in der Schweiz, nach­voll­zo­gen und stolz ge­sagt: «Jetzt ha­ben wir ge­macht, was ge­for­dert ist.» Aber auch Geld­wä­scher in­ter­es­sie­ren sich für die­se Re­geln — und ler­nen dar­aus. Wir ste­hen in einem Wett­lauf mit der Fi­nanz­un­ter­welt, den wir noch lan­ge nicht ge­won­nen ha­ben. Wirt­schafts­kri­mi­na­li­tät, Kor­rup­ti­on und gros­se Steu­er­be­trü­ge­rei­en neh­men nicht ab, son­dern zu. Und Kri­mi­nel­le kön­nen wei­ter­hin auf Fi­nanz­spe­zia­lis­ten zäh­len, die ih­nen hel­fen.

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Was ist die Lösung?

Wir brau­chen mei­nes Er­ach­tens kei­ne neu­en Ge­set­ze.

Son­dern?

Jede Bank hat einen be­stimm­ten Ap­pe­tit auf Ri­si­ken. Die­sen Ap­pe­tit müs­sen wir ge­nau an­schau­en und kon­trol­lie­ren. Da gibt es heu­te im­mer noch grös­se­re Un­ter­schie­de zwi­schen den ein­zel­nen Ban­ken.

War die HSBC denn be­son­ders hung­rig auf ris­kan­te Kun­den?

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Der Ap­pe­tit war of­fen­bar gross. Aber er war im Pri­va­te Ban­king all­ge­mein gross, denn die Mar­gen wa­ren her­vor­ra­gend. Es liess sich leicht Geld ver­die­nen, und man muss­te kei­ne Angst ha­ben, auf­zu­flie­gen: Wenn et­was schief­ge­hen soll­te, wür­den Kun­den nie die Bank at­tac­kie­ren, weil sie dann ja selbst ein Prob­lem hät­ten. Am Bank­ge­heim­nis hat man sich da­mals noch die sprich­wört­li­chen Zäh­ne aus­ge­bis­sen.

Haben die Ban­ken be­wusst il­le­ga­le Gel­der an­ge­nom­men?

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So einfach ist es nicht. Im Ma­na­ge­ment hat man den Ri­si­ko­ap­pe­tit in­di­rekt be­stimmt. Man hat den Ver­mö­gens­ver­wal­tern ge­sagt: Wir wol­len zehn Pro­zent mehr per En­de Jahr. Macht mal. Und die un­ten fühl­ten sich dann von oben ge­deckt. Wenn man — als Bei­spiel — einen Ver­wand­ten des ägyp­ti­schen Prä­si­den­ten Mu­ba­rak im Kun­den­stamm hat­te, dann gab man sich frü­her mit sei­nen Er­klä­run­gen zu­frie­den, wie er an­geb­lich sein Geld ver­dient ha­ben soll.

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Und wie steht es da­mit heu­te?

Die Banken, be­son­ders die gros­sen, ha­ben ihr Ge­schäfts­mo­dell ra­di­kal ge­än­dert. Das heisst na­tür­lich nicht, dass bei de­nen nicht plötz­lich doch wie­der ein Geld­wä­scher auf­taucht. Aber bei den Gross­ban­ken ist das Ri­si­ko so weit be­grenzt, dass man sa­gen kann: Das Sys­tem hat nicht ver­sagt. Es ist wie bei Ih­rer Zei­tung — Sie kön­nen nicht ver­hin­dern, dass Sie ir­gend­wann ein­mal eine En­te im Blatt ha­ben. Wenn Sie wol­len, dass es null Falsch­mel­dun­gen gibt, dür­fen Sie kei­ne Zei­tung mehr druc­ken.

«Man kann war­ten, bis der näch­ste Skan­dal hoch­ge­spült wird. Frü­her oder spä­ter kom­men sie al­le hoch.» «Wir ha­ben Fäl­le, wo man sa­gen muss: Die­sen Waf­fen­schie­ber konn­te die Bank beim bes­ten Wil­len nicht er­ken­nen.»

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«Man kann war­ten, bis der näch­ste Skan­dal hoch­ge­spült wird. Frü­her oder spä­ter kom­men sie al­le hoch.» «Wir ha­ben Fäl­le, wo man sa­gen muss: Die­sen Waf­fen­schie­ber konn­te die Bank beim bes­ten Wil­len nicht er­ken­nen.»

Das heisst, die gros­sen Schwei­zer Ban­ken sind sau­ber ge­nug?

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Heute sind eini­ge in­ter­na­tio­nal tä­ti­ge Ban­ken be­reits ins an­de­re Ext­rem ge­kippt und über­trei­ben es mit ih­rem «De-Ris­king»: Sie ma­chen gar kei­ne Ge­schäf­te mehr mit Kun­den, die den «fal­schen» Pass ha­ben. Ein­fach Län­der auf eine schwar­ze Lis­te zu set­zen und Kun­den von dort nicht mehr zu be­die­nen — das ist ein­fach, kann aber nicht die Lö­sung sein.

Gibt es denn auch heu­te noch Ban­ken mit un­ge­sun­dem Ap­pe­tit auf Ri­si­ken?

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Die gol­de­nen Ta­ge der Rie­sen­mar­gen sind vor­bei. Heu­te herrscht Kos­ten­druck. Ich glau­be, wenn man wis­sen will, wel­che Ban­ken im­mer noch gros­sen Ap­pe­tit auf Ri­si­ko ha­ben, muss man auch die Ge­büh­ren­mo­del­le an­schau­en. Bei je­nen Ban­ken, die heu­te noch ho­he Ge­büh­ren ver­lan­gen und trotz­dem ih­re Kun­den nicht ver­lie­ren, muss man sich fra­gen: Wa­rum eigent­lich? Was of­fe­rie­ren die, was an­de­re nicht an­bie­ten?

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Gibt es wei­te­re Ri­si­ko-In­di­zi­en?

Eine Bank, die Gel­der lang­fris­tig ver­wal­tet, ist we­ni­ger ge­fähr­det als eine Bank, die als Durch­lauf­sta­ti­on dient. Und dann stellt sich die Fra­ge, wie die Kun­den zur Bank kom­men. Sind das Fa­mi­li­en, die man schon seit Jahr­zehn­ten be­treut? Oder ar­bei­tet man vor al­lem mit Zu­lie­fe­rern? Das ist eine wei­te­re Ge­fahr. Auf dem Pa­pier mag ein Kun­de eines Zu­lie­fe­rers gut aus­se­hen: Es gibt einen Ver­trag, und das For­mu­lar­feld «Stammt aus le­ga­ler Quel­le» ist rasch an­ge­kreuzt. Aber stimmt das auch? Der Zu­lie­fe­rer will vor al­lem sei­ne Kom­mis­si­on. Oder das Bo­nus­sys­tem: Wenn der Bo­nus nur da­von ab­hängt, wie hoch die Neu­gel­der sind, die ein Ban­ker her­ein­holt, dann setzt das Ma­na­ge­ment einen fal­schen An­reiz.

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Was kann man ge­gen sol­che High-Risk-Ban­ken tun?

Man kann war­ten, bis der näch­ste Skan­dal hoch­ge­spült wird. Frü­her oder spä­ter kom­men sie al­le hoch. Die HSBC ist nicht der letz­te Fall, da wer­den wir noch mehr se­hen. Oder man schaut sich die Ban­ken an: Wel­chen Ri­si­ko­ap­pe­tit ha­ben sie, wie be­gren­zen wir den? Da­zu wä­re jetzt eigent­lich der Mo­ment. Ich fin­de, es ist wich­tig, dass auf einem Fi­nanz­platz al­le den­sel­ben Stand­ard ha­ben — denn sonst ver­lie­ren je­ne Geld, die es rich­tig ma­chen. Das ist un­fair.

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Wie könn­te das funk­tio­nie­ren?

Die gros­sen Ban­ken ha­ben bes­se­re Sys­teme ge­baut, als das Ge­setz vor­schreibt. Sie ge­hen übers Mi­ni­mum hin­aus. Da­von könn­te man eigent­lich ler­nen und sa­gen: Dann ma­chen wir das doch auch für die an­de­ren ver­bind­lich.

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Was heisst das kon­kret?

Der Ansatz muss sein: Je grös­ser das Ri­si­ko, des­to mehr ist zu tun. Beim Kon­to mei­ner Mut­ter zum Bei­spiel müss­te die Bank nicht be­son­ders gut auf­pas­sen. Aber bei einem Ost­euro­pä­er, der in der Ener­gie­bran­che tä­tig ist, mehr als eine Mil­li­on Fran­ken brin­gen will und schon bei drei an­de­ren Ban­ken an­ge­klopft hat, sieht es an­ders aus. Man soll­te Ab­wehr bes­ser am Ri­si­ko aus­rich­ten.

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Zurück zum Fall HSBC. Die Bank hat­te wie al­le Geld­häu­ser eine Com­pli­ance-Ab­tei­lung. Ver­sag­ten die in­ter­nen Kon­trol­leu­re?

Schwer zu sa­gen. Die ver­such­ten wohl, das Schlimm­ste zu ver­hin­dern. Man muss aber un­ter­schei­den: Wie viel wuss­te man da­mals — und wie viel fand man spä­ter her­aus? Wir ha­ben re­gel­mäs­sig Fäl­le, wo man sa­gen muss: Die­sen Waf­fen­schie­ber konn­te die Bank beim bes­ten Wil­len nicht er­ken­nen, der hat­te eine gu­te Sto­ry.

Die Finma kom­mu­ni­ziert all­ge­mein sehr zu­rück­hal­tend. Ist es sinn­voll, dass die Auf­sicht in einer Dun­kel­kam­mer ope­riert?

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Es ist rich­tig, dass die Fin­ma von der Po­li­tik nicht zu eng kon­trol­liert wird. Ih­re Un­ab­hän­gig­keit ist ein wert­vol­les Gut. Ich weiss nicht, wie wir aus der Fi­nanz­kri­se ge­kom­men wä­ren, wenn die Po­li­tik mit vol­ler Kraft hät­te rein­re­den kön­nen. Im ak­tu­el­len Fall sind auch ägyp­ti­sche Na­men auf­ge­taucht. Man weiss, dass die Fin­ma eini­ge Ban­ken be­züg­lich die­ses Lan­des nä­her an­ge­schaut hat. Da muss man sich schon fra­gen, ob «Na­ming and Sha­ming» nicht ein gu­tes Mit­tel wä­re, wenn Miss­stän­de be­ste­hen.

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Unab­hän­gig­keit und Trans­pa­renz ist nicht das­sel­be.

Richtig. Im Grund­satz bin ich im­mer für mehr Of­fen­heit bei Be­hör­den. Bei der Fin­ma gibt es aber zahl­rei­che Aus­nah­men. Stel­len Sie sich vor, eine Bank ge­rät in Schief­la­ge, und die­se In­for­ma­ti­on geht an die Öf­fent­lich­keit — dann kommt es zu einem Run auf die Bank. Das wä­re hoch­ge­fähr­lich.

Serie TOP Swissleaks

HSBC

Seit Sep­tem­ber 2014 ana­ly­sie­ren rund 140 Jour­na­lis­ten Kun­den­da­ten der Pri­vat­bank HSBC Schweiz. Fe­der­füh­rend ist das In­ter­na­tio­nal Con­sor­ti­um of In­ves­ti­ga­ti­ve Jour­na­lists (ICIJ). Die­se Wo­che pub­li­zie­ren über 40 Me­di­en ih­re Re­cher­chen,dar­un­ter «Le Mon­de», «Süd­deut­sche Zei­tung» und «Guar­di­an».In der Schweiz sind der TA, «Bund», «Sonn­tags­Zei­tung», «Le Ma­tin Di­man­che», «L’Heb­do» und «Le Temps» be­tei­ligt. Die Schwei­zer Re­che­rchen wer­den auch auf
www.swissleaks.net TOP ver­öf­fent­licht.

Bereits er­chie­nen:

Die kri­mi­nel­len Kun­den der HSBC Schweiz
Ges­tern Mon­tag, 9. Feb­ru­ar

Wie die HSBC-Ban­ker Kun­den an­war­ben
Diens­tag, 10. Feb­ru­ar

Kun­de «not easy to handle«
Mitt­woch, 11. Feb­ru­ar

Mehr zum The­ma Das voll­stän­di­ge Swiss­leaks-Dos­si­er
swissleaks.tagesanzeiger.ch

Im Fall HSBC ist die Fin­ma po­li­tisch un­ter Druck ge­ra­ten. Hat sie ihre Kon­troll­pflich­ten ver­nach­läs­sigt?

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Ich glaube, ge­ne­rell ist das Bild einer la­schen Ban­ken­auf­sicht in der Schweiz falsch. Ich hö­re Ban­ker über die «stren­ge Fin­ma» jam­mern. Wie es im kon­kre­ten Fall war? Da ha­be ich kei­nen Ein­blick.

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Oft ist zu hö­ren, die Fin­ma sei zu na­he an der Fi­nanz­in­dust­rie.

Man ist im­mer ein biss­chen be­triebs­blind. Bei uns in Liech­ten­stein gibt es des­halb einen re­gen Aus­tausch zwi­schen den Be­hör­den. Und: Es müss­te ge­lin­gen, die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Be­hör­den und Ban­ken aus­zu­bau­en, mehr In­for­ma­tio­nen aus­zu­tau­schen. Heu­te ist es oft so: Auf der einen Sei­te ste­hen die Be­hör­den, auf der an­de­ren Sei­te der Ban­ker. Eigent­lich müss­te die Glei­chung lau­ten: Ban­ker und Be­hör­den ge­mein­sam ge­gen den Geld­wäs­cher.

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Ich will im Jahr 2015 Dro­gen­geld wa­schen. Was muss ich tun?

Sie können heu­te nicht mehr mit einem Sack Bar­geld in eine Bank spa­zie­ren, um es zu de­po­nie­ren. Heu­te wer­den Ih­nen so­fort Fra­gen ge­stellt. Die Bank will die Ge­schich­te des Gelds ken­nen. Die Fol­ge: Nun wer­den die­se Ge­schich­ten ein­fach vor­ge­täuscht — es gibt fal­sche Ver­trä­ge und fal­sche Aus­sa­gen von Drit­ten, die per­fekt aus­se­hen.

Daniel Thele­sklaf

Der Fi­nanz­er­mitt­ler

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Der 50-jäh­ri­ge Zür­cher ist Di­rek­tor der Liech­ten­stei­ner An­ti-Geld­wä­sche­rei­be­hör­de Fi­nan­cial In­tel­li­gence Unit (FIU). Er ist ein Fi­nanz­er­mitt­ler der ers­ten Stun­de: 1998 lei­te­te er die neu ge­schaf­fe­ne Geld­wä­sche­rei­mel­de­stel­le un­ter dem heu­ti­gen Bun­des­an­walt Mi­cha­el Lau­ber. Zu­vor war er als Lei­ter Recht und Com­pli­ance bei einer Bank tä­tig. (ms)

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Alles wird un­durch­sich­ti­ger.

Legale und il­le­ga­le Tä­tig­kei­ten ver­mi­schen sich. Ich ha­be schon lan­ge kei­nen Fall mehr ge­se­hen, bei dem ein Po­li­ti­ker Schwarz­geld an­nahm und die­ses dann hier­her­brach­te. Heu­te läuft das an­ders: Ein In­dust­ri­el­ler kauft via eine sei­ner Kon­zern­ge­sell­schaf­ten eine Yacht und lässt dann die Ver­wand­ten des Mi­nis­ters da­mit her­um­fah­ren. Der Mi­ni­ster wird im Kon­strukt, das für den Kauf be­nutzt wur­de, nie auf­tau­chen.

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Man be­nutzt le­ga­le Ge­schäf­te als Tar­nung von il­le­ga­len.

Genau. Das ge­schieht oft auch mit Han­dels­gü­tern. Eine Bank soll 100 Mil­lio­nen be­kom­men. Sie fragt nach, wo­her das Geld kom­me. Der Kun­de legt einen Ver­trag vor: eine Öl­lie­fe­rung. Die­ser Ver­trag kann eine Fäl­schung sein — die Lie­fe­rung exi­stiert gar nicht. Oder es gibt die Be­stel­lung zwar, aber der Preis wur­de ma­ni­pu­liert. Beim Öl ist das noch ein­fach zu er­ken­nen, es gibt einen Markt­preis. Schwie­ri­ger ist es bei Gü­tern wie Kunst — was kos­tet ein Pi­cas­so?

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Solche Fälle se­hen Sie?

Wir se­hen nur we­ni­ge. Wir ver­mu­ten, dass es noch viel mehr gibt.

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Was Frau­en rei­cher Män­ner an Swiss­leaks in­ter­es­sie­ren soll­te

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Bank­be­ra­ter ha­ben Kun­den im gros­sen Stil ge­hol­fen, Tei­le ih­res Ver­mö­gens vor den Gat­tin­nen zu ver­stec­ken. Dies zeigt der Ein­blick in die ge­stoh­le­nen Da­ten der Pri­vat­bank HSBC Schweiz.

Accessoir

«Sagt ja nichts mei­ner Frau», be­ka­men die Be­ra­ter öfter zu hören.

Foto: Keystone

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«Sagt ja nichts mei­ner Frau», be­ka­men die Be­ra­ter öfter zu hören.

Foto: Keystone

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Marie Maurisse und Oli­ver Zihl­mann

Der Mann ist ver­mö­gend, welt­män­nisch, weit ge­reist. Er sitzt im Lu­xus­Ski­ort mit sei­nem Ban­ker zu­sam­men. Die bei­den re­den Ta­che­les. Es geht um Ge­schäf­te, um Fi­nan­zi­el­les. Erns­te Din­ge eben. Und die Frau­en der bei­den? Die wür­den das so­wie­so nicht ver­ste­hen. Al­so ge­hen sie der­weil lie­ber shop­pen in der Lu­xus­bou­ti­que ne­ben­an.

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Man könn­te mei­nen, es sei eine Sze­ne aus einem 50er-Jah­re-Film. In Wirk­lich­keit ist es ein klei­ner Ein­blick in die Welt der rei­chen Kun­den der Pri­vat­bank HSBC Schweiz im Jahr 2005. Swiss­leaks, die Auf­ar­bei­tung der ge­stoh­le­nen HSBC-Kun­den­da­ten, ent­hüllt nicht nur die ge­hei­men Kon­ten von Steu­er­hin­ter­zie­hern. Es ent­hält auch Tau­sen­de Kom­men­ta­re von Be­ra­tern über ih­re Klien­ten.

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Kumpelhafte Verbrüderung

Was einen bei der Durch­sicht der Ak­ten ge­ra­de­zu an­springt: Wenn es ums Geld geht, pflegt die­se Klien­tel noch heu­te eine Rol­len­ver­tei­lung, die je­des Kli­schee in den Scha­tten stellt. Der oben er­wähn­te Herr, ein schwer­rei­cher Deut­scher mit Wohn­sitz in einem son­ni­gen Steu­er­pa­ra­dies, plau­der­te al­so im März 2005 in St. Mo­ritz mit sei­nem ext­ra an­ge­reis­ten Ban­ker der HSBC über sei­ne Fi­nan­zen. Ih­re Frau­en hat­ten die bei­den in die Bou­ti­que ge­schickt. «Sie ver­brach­ten eine tol­le Zeit», schrieb der Kun­den­be­ra­ter spä­ter zu­frie­den in die TOP Fi­che des Deut­schen. Sze­nen wie die­se fin­den sich al­lent­hal­ben in den Ak­ten von Swiss­leaks. Man liest, wie sich die Ban­ker — durch­wegs Män­ner — kum­pel­haft ver­brü­dern mit ih­ren rei­chen Kun­den, eben­falls Män­ner. Die Frau­en las­sen sie da­bei buch­stäb­lich aus­sen vor. Zum Bei­spiel der Dia­man­ten­händ­ler, der ge­ra­de in Genf weil­te und sei­nen Bank­be­ra­ter auf­such­te. Wäh­rend des Ge­sprächs liess der Händ­ler sei­ne Frau draus­sen im Auto war­ten, wie der Be­ra­ter spä­ter fest­hielt.

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Das Kum­pel­haf­te zwi­schen den Män­nern ging da­bei weit über das Aus­schlies­sen der Frau­en hin­aus. Bei der Durch­sicht der Swiss­leaks-Do­ku­men­te stell­te sich her­aus, dass die Be­ra­ter ih­re Klien­ten nicht nur in Steu­er­sa­chen deck­ten, son­dern auch in Lie­bes­an­ge­le­gen­hei­ten. Als einer sei­ner rei­chen (und ver­hei­ra­te­ten) Kun­den auf Vi­si­te in Genf war, schrieb ein Be­ra­ter, der Klient sei ge­ra­de «bei sei­ner Freun­din». Die Da­me möch­te im Üb­ri­gen bei der HSBC auch gleich «ein klei­nes Kon­to» er­öff­nen, füg­te er leicht gön­ner­haft an. Und dann no­tier­te er wie­der erns­ter: Der Mann «be­ab­sich­tigt, sich so schnell wie mög­lich schei­den zu las­sen». Die Ehe­frau wuss­te of­fen­sicht­lich von al­le­dem nichts.

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Angespro­chen auf den Um­gang zwi­schen den Ehe­paa­ren, sagt ein ehe­ma­li­ger An­ge­stell­ter der HSBC frei­mü­tig, es sei sehr häu­fig vor­ge­kom­men, dass ihn männ­li­che Klien­ten ba­ten: «Sagt ja nichts mei­ner Frau!» In den Swiss­leaks-Da­ten fin­den sich da­zu zahl­rei­che Bei­spie­le. Ein Kun­de leg­te zum Bei­spiel fest, dass die Bank ihn auf je­den Fall nur auf dem Han­dy an­ru­fen durf­te. Der Kun­den­be­ra­ter schrieb, man müs­se «sehr dis­kret sein, denn sei­ne Frau ist ge­ra­de bei ihm in Zy­pern, und sie ist nicht auf dem Lau­fen­den über das Kon­to».

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Ein an­de­rer Klient rief aus der Tür­kei an, of­fen­bar kom­plett ver­ängs­tigt. Der Kun­den­be­ra­ter schrieb nach­her: «Der Haupt­teil der Dis­kus­si­on mit dem Kun­den dreh­te sich um die Si­tua­ti­on mit sei­ner Frau. Da gibt es gros­se Strei­tig­kei­ten (…) Es kann sein, dass sie sich schei­den las­sen. Und die Frau hat über­haupt kei­ne Ah­nung vom Kon­to.»

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Mitfühlende Banker

Abklärun­gen in Frank­reich ha­ben er­ge­ben, dass le­dig­lich 0,2 Pro­zent der dor­ti­gen HSBC-Kun­den ihr Gen­fer Kon­to de­kla­riert hat­ten. Er­staun­li­cher­wei­se ist es aber nicht die Angst vor den Steu­er­be­hör­den, die in den Kom­men­ta­ren der Ban­ker am häu­fig­sten vor­kommt, son­dern die Angst vor den Ehe­frau­en. Und was mach­ten die Be­ra­ter? Sie zeig­ten viel Mit­ge­fühl. «Er wird sei­ner Frau un­ge­fähr 700'000 Dol­lar in Ob­li­ga­tio­nen ab­ge­ben müs­sen», schreibt ein Ban­ker über einen Dia­man­ten­händ­ler. «Und dann will sie oh­ne Zwei­fel noch ein Off­sho­re.»

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Nach­dem ein rei­cher Kunst­händ­ler sei­nem HSBC-Be­ra­ter das Herz aus­ge­schüt­tet hat­te, schrieb die­ser of­fen­bar er­schüt­tert: «Sei­ne (Ex-)Frau hat ihm nach­ge­stellt. Sie hat ihn bei der Steu­er­fahn­dung de­nun­ziert. Jetzt muss er Steu­er­nach­zah­lun­gen ma­chen. Er macht sich Sor­gen we­gen sei­ner Gel­der bei uns.»

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Die meis­ten Män­ner hat­ten Angst, dass sie bei einer Schei­dung ihr ver­steck­tes Geld her­aus­rüc­ken müss­ten — und die HSBC-Ban­ker spen­de­ten Trost. Als ein auf­ge­reg­ter Ka­na­di­er an­rief, ob sei­ne Frau Zu­griff auf sein Schwei­zer Gut­ha­ben ha­ben könn­te, wur­de er be­ru­higt: «Nur ein Rich­ter kann un­ser Bank­ge­heim­nis auf­he­ben. Und auch das gin­ge nur bei Dro­gen­ge­schäf­ten und Kor­rup­ti­on.» Doch bei einer Schei­dung kann auch ein aus­län­di­scher Rich­ter Kon­to­da­ten an­for­dern.

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Anne Rei­ser, An­wäl­tin aus Genf, hat ver­schie­de­ne Schei­dungs­fäl­le von ver­mö­gen­den Paa­ren be­glei­tet. In vie­len Fäl­len hat sie gan­ze Ver­mö­gen ent­deckt, die der Mann auf Bie­gen und Bre­chen ver­stec­ken woll­te, meist in kom­ple­xen Off­sho­re-Struk­tu­ren. «Die­se Män­ner ha­ben vor al­lem ihr Ver­mö­gen ge­pflegt, nicht ih­re Ehe», sagt Rei­ser. Wenn Be­ra­ter den Män­nern beim Ver­stec­ken von Gel­dern hel­fen, auf die bei­de Ehe­part­ner ein An­recht ha­ben, ma­chen sie sich straf­bar.

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Da ist es eine wohl­tu­en­de Aus­nah­me, wenn man im gan­zen Fun­dus von Swiss­leaks auch ein­mal einen Kun­den fin­det, der in die Schran­ken ge­wie­sen wur­de. Er führ­te ein Kon­to, das auf sei­ne Frau ge­mel­det war. Doch es stell­te sich her­aus, dass die­se Frau schon seit Jah­ren tot war und der Mann sie nur vor­schob. Schliess­lich ging vom Bank­per­so­nal eine Mel­dung ge­gen den Mann ein. Das Kli­schee vom Ban­ker, der sei­nem rei­chen Klien­ten bei­steht durch dick und dünn, trifft al­so nicht im­mer zu, denkt man er­leich­tert. Bei ge­naue­rem Hin­se­hen merkt man je­doch, dass es gar kein Be­ra­ter war, der die­sen Mann bei der Rechts­ab­tei­lung ge­mel­det hat­te. Es war eine Be­ra­te­rin.

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