Steu­er­hint­er­zie­hung

HSBC ent­schuldigt sich für Schwei­zer Toch­ter

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Die bri­ti­sche Gross­bank HSBC hat in ganz­sei­ti­gen An­zei­gen in bri­ti­schen Sonn­tags­zei­tun­gen zu­ge­ge­ben, dass es bei ih­rem Schwei­zer Ge­schäft Män­gel bei der Ein­hal­tung von Vor­schrif­ten und in der Kon­trol­le ge­ge­ben ha­be. HSBC-Kon­zern­chef Stu­art Gul­li­ver spricht von «schmerz­haf­ten Er­fah­run­gen» für Kun­den, An­ge­stell­te und Ak­tio­nä­re. Kon­se­quen­zen hat auch Ste­phen Green ge­zo­gen, der Prä­si­dent des Fi­nanz­kon­zerns war. Er ist von sei­nem Pos­ten beim bri­ti­schen Ban­ken-Lob­by­ver­band The Ci­ty UK zu­rück­ge­tre­ten.

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Um 9.15 Uhr kam die Po­li­zei

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Gen­fer Straf­ver­fol­ger durch­such­ten ge­stern die HSBC Schweiz in Genf. Die Staats­an­wäl­te be­schlag­nahm­ten «gros­se Men­gen» an Be­weis­ma­te­ri­al.

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Die Raz­zia wird fort­ge­setzt: Ge­ne­ral­staats­an­walt Oli­vi­er Jor­not beim Ver­las­sen der Bank­fi­lia­le in Genf.

Foto: Martial Trezzini (Keystone)

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Die Raz­zia wird fort­ge­setzt: Ge­ne­ral­staats­an­walt Oli­vi­er Jor­not beim Ver­las­sen der Bank­fi­lia­le in Genf.

Foto: Martial Trezzini (Keystone)

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Mario Stäuble, Zürich, und Christian Zürcher, Genf

Es scheint an die­sem Mitt­woch­mor­gen kei­ne Son­ne, trotz­dem sind die Ja­lou­si­en bei der Bank HSBC Schweiz am Quai des Ber­gues un­ten. Sicht­schutz. Seit 9.15 Uhr ist hier eine Raz­zia im Gang. Am Em­pfang der Bank wer­den kei­ne Fra­gen be­ant­wor­tet, man er­hält le­dig­lich einen Zet­tel — dar­auf die E-Mail-Adres­se der Rechts­ab­tei­lung.

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An der Tür steht eine Frau mit Funk­ge­rät, die nicht so rich­tig in die Em­pfangs­hal­le einer Bank pas­sen will. Ob sie denn je­den Tag hier ste­he? Der Mann vom Em­pfang nimmt ihr die Ant­wort ab und bellt: «Manch­mal schon — und manch­mal nicht.» Um 10.38 Uhr öff­net sich die Tür. Ge­ne­ral­staats­an­walt Oli­vi­er Jor­not und Ers­ter Staats­an­walt Yves Ber­tos­sa ver­las­sen mit Kol­leg­en das Ge­bäu­de. «Die Un­ter­su­chung hier ist be­en­det», sagt Ber­tos­sa. Sie wer­de fort­ge­setzt in Blan­don­net, einem Gen­fer Vor­ort. Dort ist die Comp­li­ance-Ab­tei­lung der Bank an­ge­sie­delt. Und dort be­fin­den sich die Do­ku­men­te und Da­ten, für die sich die Straf­ver­fol­ger in­ter­es­sie­ren.

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Die Raz­zia ist eine Re­ak­ti­on auf die öf­fent­li­che Be­richt­er­stat­tung der letz­ten Wo­chen. Seit dem 9. Feb­ru­ar schrei­ben un­ter dem Stich­wort «Swiss­leaks» ver­schie­de­ne Me­dien, dar­un­ter der TA, über kri­mi­nel­le Kun­den der HSBC Schweiz. Die Re­cher­chen, die vom Jour­na­lis­ten­kon­sor­ti­um ICIJ ko­or­di­niert wur­den, ba­sie­ren auf Bank­da­ten, die der In­for­ma­ti­ker Her­vé Fal­cia­ni in der Gen­fer HSBC-Fi­lia­le ent­wen­det hat­te. Die­se ge­lang­ten via die fran­zö­si­sche Zei­tung «Le Mon­de» an die Jour­na­lis­ten.

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Yves Bertossa.

Raz­zia dau­er­te den gan­zen Tag

Die Gen­fer Staats­an­walt­schaft hat schon am Mor­gen ein Com­mu­ni­qué ver­schickt. Ge­gen die HSBC Schweiz und ge­gen Un­be­kannt wird ein Ver­fah­ren er­öff­net. Grund: Ver­dacht auf qua­li­fi­zier­te Geld­wä­sche­rei. Die Un­ter­su­chung läuft in einem ers­ten Schritt ge­gen die Bank selbst. In einem zwei­ten Schritt wei­tet die Staats­an­walt­schaft sie even­tu­ell auf An­ge­stell­te oder das Ma­na­ge­ment der Bank aus. Es wer­den kei­ner­lei wei­te­ren Aus­künf­te er­teilt, schliesst das Sta­te­ment.

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Die­ser letz­te Satz ent­puppt sich schnell als nicht ganz kor­rekt. Oli­vi­er Jor­not gibt we­ni­ge Stun­den da­nach den Me­di­en «sur pla­ce» Aus­kunft: Die Durch­su­chung wer­de den gan­zen Tag dau­ern, es hand­le sich um gros­se Men­gen an Be­weis­ma­te­ri­al. Man wol­le «ve­ri­fi­zie­ren», ob die Vor­wür­fe ge­gen die Bank fun­diert sei­en: «Wir su­chen nach Kon­ten und Kun­den, de­ren Gel­der mit Straf­ta­ten in Zu­sam­men­hang ste­hen.» Um 19.30 Uhr sagt Jor­not im West­schwei­zer Fern­se­hen, die Raz­zia wer­de ge­ra­de ab­ge­schlos­sen.

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Die Gen­fer Straf­ver­fol­ger ha­ben al­so nicht die Steu­er­hin­ter­zie­her im Blick, die bei der Bank ihr Geld de­po­niert hat­ten. Sie zie­len auf die «har­ten» De­lik­te, auf Dro­gen­händ­ler, Waf­fen- oder Dia­man­ten­schie­ber — all­ge­mei­ner ge­sagt: auf or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät.

Sissleaks
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Laut Jor­not spielt es für die Straf­un­ter­su­chung kei­ne Rol­le, dass die Da­ten, mit de­nen die Jour­na­lis­ten ge­ar­bei­tet ha­ben, aus den Jah­ren 2004 bis 2007 stam­men. Qua­li­fi­zier­te Geld­wä­sche­rei ver­jäh­re erst nach 15 Jah­ren und die Jus­tiz kön­ne sämt­li­che Be­wei­se aus die­sem Zeit­raum ver­wen­den, so der Staats­an­walt. Auch die Tat­sa­che, dass die Re­cher­chen der Jour­na­lis­ten auf ge­stoh­le­nen Da­ten ba­sie­ren, än­de­re nichts an der Ver­wert­bar­keit. Die Jus­tiz ge­lan­ge durch die Haus­durch­su­chung auf le­ga­le Art und Wei­se an das Be­weis­ma­te­ri­al.

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Die Bank selbst be­zieht im Lau­fe des Ta­ges knapp Stel­lung: «Wir ko­ope­rie­ren mit den Be­hör­den, seit wir im Jahr 2008 vom Da­ten­dieb­stahl er­fah­ren ha­ben, und wir wer­den wei­ter­ko­ope­rie­ren», teilt Spre­cher Mi­cha­el Spiess mit.

Genf in­sze­niert, Bern wägt ab

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Die Raz­zia in Genf rückt die un­ter­schied­li­chen Stra­te­gi­en der Gen­fer Staats­an­wäl­te und der Bun­des­an­walt­schaft in den Fo­kus. Der Fall HSBC dreht sich um grenz­über­schrei­ten­de Wirt­schafts­kri­mi­na­li­tät; in die­sem Be­reich kön­nen gründ­sätz­lich bei­de Be­hör­den Er­mitt­lun­gen ini­ti­ie­ren. Wäh­rend Jor­not und sei­ne rech­te Hand Ber­tos­sa zur Tat schrei­ten und in Echt­zeit die Me­di­en orien­tie­ren, ver­zich­tet Bern bis­lang dar­auf, ein Ver­fah­ren ein­zu­lei­ten. Bun­des­an­walt Mi­cha­el Lau­ber sag­te im In­ter­view mit «L’Heb­do», das letz­ten Frei­tag ge­führt wur­de: «Ich kann kei­ne Un­ter­su­chung, ge­stützt nur auf Pres­se­be­rich­te, er­öff­nen.» Die Bun­des­an­walt­schaft hat zwar die ori­gi­na­len Fal­cia­ni-Da­ten im Be­sitz, kann sie aber nicht aus­wer­ten — weil sie als Die­bes­gut nicht TOP als Be­weis­mit­tel tau­gen. Man sei dar­an, die Si­tua­ti­on zu ana­ly­sie­ren, sag­te Lau­ber. Die Bun­des­an­walt­schaft wer­de nur auf­grund von fun­dier­ten Ver­dachts­mo­men­ten ak­tiv. Und dann häng­te der Bun­des­an­walt eine War­nung an: Man ken­ne die Kon­se­quen­zen von Un­ter­su­chun­gen, die auf schwa­cher ju­ris­ti­scher Ba­sis er­öff­net wür­den.

Oli­vi­er Jor­not sagt der­weil im West­schwei­zer Fern­se­hen: Er ha­be die Bun­des­an­walt­schaft über die ge­plan­ten Schrit­te «in­for­miert». Man ha­be ihm «bon­ne chan­ce» ge­wünscht.

Von Ko­ope­ra­ti­on ist nicht die Re­de.

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Swissleaks

Die­se Fäl­le schlu­gen Wel­len

Drogen­händ­ler, Geld­wä­scher, Waf­fen­schie­ber: In den Fal­cia­ni-Da­ten fan­den sich zahl­rei­che kri­mi­nel­le Kun­den.

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Drogen­händ­ler, Geld­wä­scher, Waf­fen­schie­ber: In den Fal­cia­ni-Da­ten fan­den sich zahl­rei­che kri­mi­nel­le Kun­den.

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Die HSBC-Da­ten­bank, die Her­vé Fal­cia­ni ko­piert hat­te, of­fen­bar­te Hun­der­te Steu­er­hin­ter­zie­her. Das war we­nig über­ra­schend, Mit­te der 2000er-Jah­re wa­ren un­dek­la­rier­te Kon­ten in der Schweiz ein ver­brei­te­tes Ge­schäfts­mo­dell. Von der Dis­kre­ti­on der HSBC pro­fi­tier­te aber auch eine zwei­te Ka­te­go­rie von Kun­den — Per­so­nen, die we­gen schwe­rer De­lik­te im Vi­sier der Jus­tiz wa­ren. Daz­u ge­hö­ren:

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(ms)

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