Service Public

Service Public

K-Tipp Nr. 9, 2018

Service Public

268'993 Kun­den­be­schwer­den bei Post
in nur einem Jahr

TOP

Die Post bie­tet einen im­mer schlech­te­ren Ser­vice —
aber die Auf­sichts­be­hörde ist voll des Lo­bes

Agentur
16 Pro­zent mehr Be­schwer­den: Eine Kun­din in einer Post­agen­tur in einer Lu­zer­ner Bäc­ke­rei
(Bild: KEYSTONE)

Agentur
16 Pro­zent mehr Be­schwer­den: Eine Kun­din in einer Post­agen­tur in einer Lu­zer­ner Bäc­ke­rei
(Bild: KEYSTONE)

TOP

Wer den Bericht der Postcom flüchtig durchblättert, erhalt den Eindruck, die Post mache einen guten Job. Doch ein genauer Blick zeigt: Der Serviceabbau geht weiter.

M

assiver Stel­len­ab­bau bei der Post­fì­nan­ce, 100-Mil­lio­nen-Schwin­del bei Post­auto, Rück­trit­te von Ver­wal­tungs­rä­ten und Kon­zern­che­fìn Su­san­ne Ruoff: Der gel­be Rie­se steckt in ar­gen Nö­ten.

Von einer Sei­te al­ler­dings gibt es Strei­chel­ein­hei­ten, und das seit Jah­ren: von der Eid­ge­nös­si­schen Post­kom­mis­si­on Post­com. Als Auf­sichts­be­hör­de hat sie den schwei­ze­ri­schen Post­markt und die Grund­ver­sor­gung zu über­wa­chen mit dem Ziel, «eine viel­fäl­ti­ge und preis­wer­te posta­li­sche Grund­ver­sor­gung al­ler Lan­des­tei­le für Wirt­schaft und Be­völ­ke­rung dau­er­haft zu ge­währ­lei­sten».

TOP

Be­reits in ih­rem Jah­res­be­richt 2015 be­schei­nig­te die Be­hör­de der Post, «samt­li­che Dienst­lei­stun­gen in ho­her Qua­li­tät zu er­brin­gen». Fast gleich klang es ein Jahr spa­ter. Und im jüng­sten Jah­res­be­richt der Post­com steht: «Auch 2017 hat die Schwei­ze­ri­sche Post sämt­li­che Dienst­lei­stun­gen der Grund­ver­sor­gung in ho­her Qua­li­tät er­bracht und die ihr vor­ge­ge­be­nen Wer­te er­neut klar über­trof­fen.»

TOP

Ho­he Qua­li­tät? Man­cher Post­kunde dürf­te das an­ge­sichts des Ser­vi­ce­ab­baus der ver­gan­ge­nen Jah­re an­ders se­hen. Und der Ab­bau geht wei­ter. Auch das kann man dem Jah­res­be­richt der Post­com ent­neh­men — aber nur, wenn man ihn ge­nau stu­diert.

TOP

Post­stellen­netz wird weiter aus­ge­dünnt

Die Zahl der Post­stel­len sank letz­tes Jahr um 134 auf noch 1'189 Fi­lia­len. Gleich­zei­tig wur­den 119 Post­agen­tu­ren neu er­öff­net. En­de 2017 gab es so­mit 968 Agen­tu­ren in Ge­mein­de­ver­wal­tun­gen, Tou­ris­mus­bü­ros, Quar­tier­ge­schäf­ten, Metz­ge­rei­en und an­de­ren Lä­den. Der K-Tipp zeig­te schon ver­gan­ge­nen Herbst mit einer Stich­pro­be, dass An­ge­bot und Qua­li­tät von Post­dienst­leistung oft zu wün­schen üb­rig las­sen (K-Tipp 18/2017). Die Post­com schreibt im Jah­res­be­richt im­mer­hin, es sei «eine Pro­fes­sio­na­li­sie­rung des Be­triebs der Post­agen­tu­ren an­ge­zeigt».

TOP

Ge­gen die Schlies­sung von Post­stel­len spricht sie sich aber sel­ten aus (K-Tipp 19/2017). Ver­gan­ge­nes Jahr be­ur­teil­te sie ins­ge­samt 24 Fäl­le - nur im Fall von St. Ste­phan BE zeig­te sie sich an­satz­wei­se wi­der­spen­stig: Den ge­plan­ten Er­satz der Fi­lia­le durch einen Haus­ser­vi­ce lehn­te die Post­com ab. Und sie em­pfahl der Post, die Post­stel­le erst zu schlies­sen, wenn die­se durch eine Agen­tur in der Ge­mein­de er­setzt wer­den kön­ne.

TOP

Pa­ral­lel zur fort­schrei­ten­den Aus­dün­nung des Post­stel­len­net­zes ver­schwan­den ver­gan­ge­nes Jahr wei­te­re 112 öf­fent­li­che Brief­kä­sten.

Der An­teil pünkt­lich zu­ge­stell­ter A-Post-Brie­fe und Prio­ri­ty-Pa­ke­te ging 2017 zu­rück, je­ner der B-Post-Brie­fe und der Eco­no­my-Pa­ke­te nahm et­was zu. Den schlech­te­sten Wert gab es bei den Prio­ri­ty-Pa­ke­ten mit 96 Pro­zent pünkt­lich zu­ge­stell­ten Sen­dun­gen. Bei Stich­pro­ben von K-Tipp und «Sal­do» er­ziel­te die Post in der Ver­gan­gen­heit al­ler­dings schon di­ver­se Ma­le schlech­te­re als die von ihr sel­ber ver­mel­de­ten Pünkt­lich­keits­wer­te.

TOP

Ein gros­ses Wachs­tum hat die Post bei der Zahl der Kun­den­re­kla­ma­tio­nen. Sie nahm in einem Jahr um 16 Pro­zent auf 268'993 Be­schwer­den zu. Laut Post­com ist der An­stieg haupt­säch­lich auf «An­pas­sun­gen des IT-Sy­stems im Kun­den­dienst» zu­rück­zu­füh­ren. In der Grund­ver­sor­gung sei es bei den mei­sten Re­kla­ma­tio­nen um falsch zu­ge­stell­te oder ver­lo­re­ne Brie­fe und Pa­ke­te ge­gan­gen.

Für Kun­den ist es är­ger­lich, dass die Post­com die Män­gel nicht schär­fer an­pran­gert und re­so­lu­ter ein­greift. Schuld da­ran sind nicht zu­letzt ih­re be­schränk­ten Kom­pe­ten­zen.

TOP

Der Stän­de­rat scheint das ähn­lich zu se­hen. En­de Mai ge­neh­mig­te er einen Vor­stoss. Die­ser will et­wa er­rei­chen, dass die Post­com künf­tig bei ge­plan­ten Post­stel­len­schlies­sun­gen nicht nur Em­pfeh­lun­gen ab­ge­ben, son­dern ent­schei­den darf. Der zahn­lo­se Ti­ger soil al­so we­nig­stens einen Zahn er­hal­ten.

Gery Schwager

* * *