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Am­mann-Grup­pe hat seit 1977 im Aus­land Steu­ern op­ti­miert

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Der Ma­schi­nen­bau­er Am­mann leg­te jahr­zehn­te­lang Geld im Aus­land steu­er­frei an. 2009 wur­de das Ver­mö­gen von rund 263 Mil­lio­nen Fran­ken nach Bern ver­legt. Seit­dem hat das An­la­ge­ve­hi­kel null TOP Steu­ern ent­rich­tet.

Ammann

In der Fab­rik in Lan­gen­thal wird pro­du­ziert. Die Ge­win­ne dar­aus wur­den lan­ge im Aus­land ver­wal­tet.

Foto: Gaetan Bally (Keystone)

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Andreas Valda,
Bern

Der Ma­schi­nen­bau­er Am­mann ist seit Feb­ru­ar die­ses Jah­res we­gen mög­li­cher Steu­er­um­ge­hung im Fo­kus der öf­fent­li­chen Dis­kus­si­on. Im Zen­trum ste­hen zwei Off­sho­re­fir­men auf der In­sel Jer­sey und in Lu­xem­burg, Jer­fin Ltd. und Ma­ni­lux SA. Dort hat­te die Am­mann-Grup­pe bis zum Jahr 2009 rund 263 Mil­lio­nen ver­wal­tet, oh­ne da­für in der Schweiz Steu­ern zu ent­rich­ten. TOP Bis 2007 ge­schah dies mög­li­cher­wei­se wi­der­recht­lich. Das Geld lag im Aus­land, wur­de aber aus der Schweiz her­aus ver­wal­tet, wie eine In­spek­ti­on der Eid­ge­nös­si­schen Steu­er­ver­wal­tung (ESTV) im Jahr 2005 zeig­te. In Ar­ti­kel 50 des Ge­set­zes über die di­rek­te Bun­des­steu­er steht, dass Ge­win­ne am Ort der «tat­säch­li­chen Ver­wal­tung» ver­steu­ert wer­den müs­sen.

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Nun zei­gen neue Do­ku­men­te des Han­dels­re­gis­ter­amts Lu­xem­burg, dass die Am­mann-Grup­pe jahr­zehn­te­lang im Aus­land Steu­ern op­ti­miert hat­te. Dort grün­de­te sie be­reits 1976 die Fir­ma Ma­ni­lux. Sie schoss zu­erst 10 Mil­lio­nen Fran­ken Ak­ti­en­ka­pi­tal ein und lieh ihr wei­te­re 22,7 Mil­lio­nen Fran­ken als Kre­dit. So be­gann die Ma­ni­lux in Wert­pa­pie­re zu in­ves­tie­ren.

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Das Ver­mö­gen ver­mehr­te sich. Die Hö­he der Ge­win­ne schwank­te je nach Wirt­schafts­la­ge. Sie be­tru­gen zwi­schen einer Mil­li­on und vier­zehn Mil­lio­nen Fran­ken pro Jahr, im Schnitt fünf Mil­lio­nen. Ver­lus­te er­litt die Off­sho­re­fir­ma 1981, 1987 und 2004 von to­tal rund fünf Mil­lio­nen Fran­ken.

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Steuer­tricks der Multis

G-20 will handeln

Um Steu­er­schlupf­lö­cher ging es am Wo­chen­en­de im aus­tra­li­schen Cairns, wo sich die Fi­nanz­mi­nis­ter der G-20 tra­fen. Die OECD hat einen Em­pfeh­lungs­ka­ta­log vor­ge­legt, mit dem die Steu­er­ver­mei­dung in­ter­na­tio­nal agie­ren­der Un­ter­neh­men ver­hin­dert wer­den soll. Der Ge­ne­ral­sek­re­tär der OECD, An­gel Gur­ria, er­klär­te: «Es geht nicht dar­um, die Steu­er­sät­ze an­zu­glei­chen. TOP Je­des Land kann über sei­ne Steu­er­sät­ze frei ent­schei­den», be­tont er. «Aber es geht um Mass­nah­men, die ver­hin­dern, dass sich Steu­er­flücht­lin­ge ver­stec­ken kön­nen, dass sie sich einen si­che­ren Ha­fen su­chen, in dem sie kei­ne Steu­ern zah­len müs­sen. Es geht auch um Un­ter­neh­men, die von man­chen Län­dern an­ge­lockt wer­den und bei de­nen klar ist, dass sie in die­sem Land kei­ne wirk­li­che wirt­schaft­li­che Ak­ti­vi­tät ver­fol­gen.» Der OECD und der G-20 ge­he es um Ein­nah­men, um Ge­rech­tig­keit so­wie um Ver­trau­en, sagt Gur­ria. Man wol­le ge­mein­sam ge­gen ag­gres­si­ve Prak­ti­ken von Un­ter­neh­men vor­ge­hen, mit de­nen Ge­win­ne künst­lich in Nied­rig­steu­er­län­der ver­scho­ben wür­den.

(Reuters)

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Zehn Jah­re nach der Grün­dung be­lief sich das Eigen­ka­pi­tal (die Sum­me von Ak­ti­en­ka­pi­tal und Re­ser­ven) auf be­reits 50 Mio. Fran­ken, zwan­zig Jah­re spä­ter 133 Mio. Fran­ken und 2007, dreis­sig Jah­re spä­ter, 185 Mio. Fran­ken. In all die­ser Zeit wur­de das Ak­ti­en­ka­pi­tal nur zwei­mal er­höht: von 10 auf 20 Mil­lio­nen und dann auf 40 Mil­lio­nen. Der rest­li­che Wert­zu­wachs wa­ren die an­ge­spar­ten Ge­win­ne. Sie muss­ten nicht ver­steu­ert wer­den. Zum Ver­gleich: Die Am­mann Group setz­te im letz­ten Jahr 910 Mil­lio­nen Fran­ken um. Den Gewinn gibt das Un­ter­neh­men nicht be­kannt.

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Be­freit von Gewinn­steu­ern

Die Ge­win­ne muss­ten in Lu­xem­burg nicht ver­steu­ert wer­den. Zum einen geht dies aus den Er­folgs­rech­nun­gen her­vor. Zum an­de­ren ist in den Do­ku­men­ten fest­ge­hal­ten, dass die Ma­ni­lux den Sta­tus einer «Hol­ding de fi­nan­ce­ment», einer Fi­nanz­hol­ding, ge­noss. Die­ser Sta­tus be­frei­te sie von den or­dent­li­chen Ge­winn­steu­ern. Sie zahl­te nur Ge­büh­ren und Ab­ga­ben, die sich bei­spiels­wei­se im Jahr 2006 auf 94'000 Fran­ken be­lie­fen.

“Die Ber­ner Ver­wal­tung wink­te die Pra­xis bis 2006 durch.”

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“Die Ber­ner Ver­wal­tung wink­te die Pra­xis bis 2006 durch.”

Ob die Ge­win­ne in der Schweiz hät­ten ver­steu­ert wer­den müs­sen, ist un­be­kannt. Vom TA an­ge­frag­te Steu­er­ex­per­ten kön­nen sich an die da­ma­li­gen Steu­er­be­stim­mun­gen nur va­ge er­in­nern. Tat­sa­che ist aber, dass die Am­mann-Grup­pe die Be­tei­li­gung sehr dis­kret hielt. Sie wähl­te da­für eine in Lu­xem­burg an­säs­si­ge Bank, die Uni­on de Ban­ques Suis­ses Lu­xem­bourg, der sie ein An­la­ge­man­dat gab. TOP Die­se Bank wie­der­um gab der ört­li­chen Cre­di­trust SA den Auf­trag, Ma­ni­lux zu ver­wal­ten. Ein Treu­hand­ex­per­te, der die Do­ku­men­te aus­ge­wer­tet hat, sagt: «Auf­grund der Un­ter­la­gen ge­he ich da­von aus, dass die Cre­di­trust für die Buch­füh­rung und Be­richt­er­stel­lung zu­stän­dig war.»

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Im Ver­wal­tungs­rat der Ma­ni­lux sas­sen drei Her­ren, dar­un­ter der 1990 ver­stor­be­ne Schwei­zer Eugen Har­ter, Di­rek­tor in Ba­sel. Wo er Di­rek­tor war, geht aus dem lu­xem­bur­gi­schen Re­gis­ter nicht her­vor. Aber in einem schwei­ze­ri­schen Han­dels­re­gis­ter­aus­zug von 1990 taucht er als Be­voll­mäch­tig­ter der Fir­ma Uga­sa Ba­sel SA mit Sitz in Ba­sel auf.

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Uga­sa Ba­sel ist der frü­he­re Na­me der heu­ti­gen Am­mann Group Hol­ding. Ih­re Grün­dung er­folg­te 1972. Aus den Do­ku­men­ten ge­hen drei Ver­wal­tungs­rä­te her­vor: Ul­rich Am­mann (Pa­tron der 4. Ge­ne­ra­ti­on), Ka­tha­ri­na Am­mann und Sohn Ul­rich And­re­as Am­mann. Letz­te­rer ist heu­te noch Mit­glied des Ver­wal­tungs­ra­tes bei Am­mann Group. Erst spä­ter stiess Jo­hann Ni­klaus Schnei­der, der heu­ti­ge Bun­des­rat, zur Fir­ma und über­nahm sie 1984 als Kon­zern­lei­ter, 1989 als Prä­si­dent. Auf­grund der Hei­rat mit einer Am­mann-Toch­ter nann­te sich der ETH-In­ge­ni­eur spä­ter Schnei­der-Am­mann.

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1992 ent­schied der Ma­schi­nen­bau­er, Uga­sa in Am­mann Group Hol­ding um­zu­tau­fen. Kur­ze Zeit spä­ter wur­de die Ver­bin­dung zu Ma­ni­lux auch nach aus­sen sicht­bar. Schnei­der-Am­mann sass im Ver­wal­tungs­rat und wur­de 1993 Prä­si­dent.

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1995 trat das neue Ge­setz über die di­rek­te Bun­des­steu­er in Kraft. Der Pa­ra­graf mit der «tat­säch­li­chen Ver­wal­tung», wur­de ein­ge­führt. Er­fah­re­nen Steu­er­ex­per­ten war nun klar, dass nur sol­che Fir­men ihr im Aus­land ver­wal­te­tes Ver­mö­gen von einer Be­steue­rung im In­land aus­neh­men konn­ten, wenn sie im Aus­land über Bü­ros, Per­so­nal und Kom­pe­ten­zen ver­füg­ten. Al­le an­de­ren wa­ren ge­warnt: Wer von hier aus Geld ver­wal­tet, muss auch hier Steu­ern zah­len. «Es han­del­te sich um eine Art Re­gel für den Schutz vor Miss­brauch», sagt ein Steu­er­ex­per­te.

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Laut Quel­len un­ter­hielt Am­mann Group aber nur Ver­wal­tungs­rats­sit­zun­gen in Jer­sey und Lu­xem­burg ab. «Man nahm da­mals an, dass eine sol­che Pra­xis ge­nü­gen wür­de», sagt ein wei­te­rer, vom TA be­frag­ter Steu­er­ex­per­te. «Das gan­ze Prob­lem mit dem Ort der tat­säch­li­chen Ve­rwal­tung be­stand da­rin, dass es in­ter­pre­ta­ti­ons­wür­dig war, was als tat­säch­li­che Ver­wal­tung gilt.»

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Bund mach­te Auf­la­gen

Die Ber­ner Kan­tons­ver­wal­tung wink­te die Pra­xis bis 2006 durch. Dar­auf be­ruft sich die Am­mann-Grup­pe: «Den zu­stän­di­gen Steu­er­be­hör­den wur­den stets trans­pa­rent sämt­li­che In­for­ma­tio­nen und Un­ter­la­gen ge­lie­fert, die sie be­nö­tig­ten, um die Recht­mäs­sig­keit der Fi­nanz­ge­sell­schaf­ten zu prü­fen und zu be­ant­wor­ten. Man kam rich­ti­ger­wei­se zum Schluss, dass die im vor­lie­gen­den Fall nach ak­tu­el­ler Pra­xis not­wen­di­ge Ver­wal­tung im Aus­land er­folgt und die da­für not­wen­di­ge Sub­stanz vor Ort vor­han­den war», sagt Chef­ju­rist Da­niel Mül­ler. Die Ma­ni­lux sei eine eigen­stän­di­ge ju­ri­sti­sche Per­son, TOP «wel­che ih­re Er­geb­nis­se an ih­rem Haupt­steu­er­do­mi­zil (in Lu­xem­burg) zu ver­steu­ern hat­te». Aus der Ak­ten­no­tiz der ESTV geht aber her­vor, dass der Bund be­reits im Jahr 2000 An­halts­punk­te da­für hat­te, dass Am­mann die Fir­men in Jer­sey und Lu­xem­burg von Bern aus ver­wal­te­te. 2007 muss­te sie sich ver­pflich­ten, vor Ort, in Jer­sey, «Sub­stanz» zu schaf­fen. Eine Per­son wur­de dort zu 20 Pro­zent an­ge­stellt. Ma­ni­lux in Lu­xem­burg wur­de li­qui­diert, das Ver­mö­gen nach Jer­sey über­wie­sen.

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2009 ent­schloss sich Am­mann, das gan­ze Ver­mö­gen von to­tal 263 Mio. Fran­ken in die Schweiz zu ho­len, um es re­gu­lär von hier aus zu ver­wal­ten. Die Fir­ma Afin­sa mit Sitz in Bern wur­de ge­grün­det. Ein so­ge­nann­tes Ru­ling wur­de mit der Ber­ner Steu­er­ver­wal­tung aus­ge­han­delt und vom Bund ak­zep­tiert. Dar­in steht, dass in­län­di­sche Er­trä­ge aus Ob­li­ga­tio­nen nor­mal ver­steu­ert wer­den und aus­län­di­sche Er­trä­ge zu einem tie­fen Satz von 5 Pro­zent. Der Afin­sa wur­de das Do­mi­zil­pri­vi­leg ge­währt (Fir­ma oh­ne Per­so­nal): Das Ka­pi­tal kann zu einem ex­tra tie­fen Steu­er­satz be­steu­ert wer­den.

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Aus Steu­er­aus­wei­sen geht her­vor, dass das Ver­mö­gen auf 279 Mio. (2009) an­schwoll, um dann auf 275 Mio. (2010) zu sin­ken. In die­sen zwei Jah­ren ver­steu­er­te die Am­mann-Toch­ter null Fran­ken Ge­winn. «Die Afin­sa ist rechts­kräf­tig ver­an­lagt», be­tont Chef­ju­rist Mül­ler und er­klärt: «Bör­sen­ver­lus­te und Wert­be­rich­ti­gun­gen auf Kon­zern­dar­le­hen ha­ben zu nam­haf­ten Ver­lus­ten und Ver­lust­vor­trä­gen ge­führt.» Be­obach­ter rei­ben sich die Augen. Steu­er­op­ti­mie­rung ist of­fen­bar auch in der Schweiz mög­lich.

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Die letz­te Dun­kel­kam­mer

Kan­to­ne und Fir­men eini­gen sich vor­gän­gig über die Höhe der Steu­ern. Der Spiel­raum des Er­mes­sens ist gross. Eine Spu­ren­su­che.

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David Schaffner

Nein lautet die ka­te­go­ri­sche Ant­wort auf Re­cher­chen nach Ru­lings. Bei je­der Fra­ge klingt es ener­gi­scher, schliess­lich wird es ein­mal ent­ge­gen­ge­schmet­tert. Nein, es gibt kei­ne Zah­len dar­über, wie oft die Zür­cher Be­hör­den mit Fir­men oder Pri­va­ten vor­gän­gig die Hö­he der Steu­ern ab­ma­chen. Nein, es gibt auch kei­ne Schät­zung dar­über, wie oft die Be­hör­den ent­spre­chen­de Be­geh­ren er­hal­ten. Und es gibt kei­ne Zah­len, ob das Phä­no­men in den letz­ten Jah­ren zu− oder ab­ge­nom­men hat.

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Die glei­chen Be­am­ten al­so, die für je­den Bür­ger auf den Rap­pen ge­nau Buch füh­ren über des­sen Ein­kom­men, Ne­ben­ein­kom­men und Ver­mö­gen, schei­nen nichts zu wis­sen über eines ih­rer wich­tig­sten In­stru­men­te: Ru­lings re­spek­ti­ve Vor­be­schei­de, in de­nen sie im Vor­aus mit­tei­len, wie hoch die Steu­ern für künf­ti­ge Ge­schäf­te an­fal­len. Vor al­lem Fir­men und Ver­mö­gen­de stel­len sol­che Be­geh­ren, um ih­re Fi­nan­zen mög­lichst steu­er­scho­nend zu pla­nen.

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Eine innige Liebe

Natür­lich wä­re es ver­mes­sen, nach den In­hal­ten ein­zel­ner Ru­lings zu fra­gen. Ein Über­blick über de­ren Ge­samt­heit in­des dürf­te we­der den Schutz von Per­sön­lich­kei­ten noch von Da­ten ver­let­zen. Das öf­fent­li­che In­ter­es­se ist nach dem Fall Am­mann-Grup­pe gross.

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Wer be­reits jetzt et­was Licht in eine der letz­ten Dun­kel­kam­mern des Steu­er­we­sens brin­gen möch­te, muss sich auf die Su­che nach Spu­ren be­ge­ben. Im In­ter­net bei­spiels­wei­se fin­den sich PDF-Do­ku­men­te mit lan­gen und schwer ver­ständ­li­chen Ti­teln, die sich als Lie­bes­lie­der auf das In­stru­ment des Ru­lings ent­pup­pen. Von einem «Er­folgs­mo­dell» be­rich­tet die Zeit­schrift «Schwei­zer Treu­hän­der» in der Aus­ga­be 10/2008. An­de­re Lie­ben der Treu­hän­der — das steu­er­li­che Bank­ge­heim­nis und die Be­vor­tei­lung von aus­län­di­schen Hol­dings — sind ge­fal­len oder wer­den mit der Un­ter­neh­mens­steu­er­re­form Ⅲ fal­len. Was bleibt, sind die Ru­lings.

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Wer et­was wei­ter gräbt, er­fährt in­des, dass sich hand­fes­te Kon­flik­te zwi­schen den kan­to­na­len und eid­ge­nös­si­schen Be­hör­den so­wie ein in­ten­si­ver Wett­be­werb zwi­schen den Kan­to­nen ver­stec­ken. Der Grund: «Der Ab­lauf eines Steu­er­ru­lings ist we­der in den Ge­set­zen und Ver­ord­nun­gen noch in Kreis­schrei­ben oder Merk­blät­tern prä­zi­se be­schrie­ben», wie ein Steu­er­be­ra­ter auf sei­ner Web­si­te schreibt.

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Es er­staunt da­her we­nig, dass sich die Pra­xis je nach Kan­ton un­ter­schei­det. «Die Schweiz be­sticht mit einer Ser­vi­ce­men­ta­li­tät ge­gen­über den Steu­er­pflich­ti­gen — wo­bei bei den Steu­er­be­hör­den mass­geb­li­che Un­ter­schie­de exi­stie­ren», ist dem «Schwei­zer Treu­hän­der» auf­ge­fal­len. Ver­stärkt wer­den die­se Un­ter­schie­de durch den Um­stand, dass das Schwei­zer Steu­er­recht dem Er­mes­sen ge­ne­rell gros­sen Spiel­raum gibt. For­mu­lie­run­gen wie «an­ge­mes­se­ne Be­steue­rung» wer­den oft nicht ge­nau um­ris­sen. TOP Ru­lings bie­ten Fir­men den Vor­teil, dass sie vor­gän­gig si­cher­stel­len kön­nen, dass sie ih­re Ge­schäf­te dort tä­ti­gen, wo sie am gross­zü­gig­sten ver­an­lagt wer­den. Da­bei müs­sen sie so vor­ge­hen: Sie tei­len dem Kan­ton de­tail­liert mit, wel­che Trans­ak­ti­on oder Um­struk­tu­rie­rung sie pla­nen und wie sie aus ih­rer Sicht da­bei kor­rekt be­steuert wer­den. Die Be­am­ten tei­len dann ver­bind­lich mit, wie sie das Ge­schäft ver­an­la­gen. Steu­er­ex­per­ten, die of­fen Aus­kunft ge­ben über das Ge­schäft mit Ru­lings, hat der TA nicht ge­fun­den. Hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand er­klä­ren eini­ge, dass die In­ner­schwei­zer und die Schaff­hau­ser sehr gross­zü­gig sei­en.

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Auf­fal­lend ist bei die­sem Vor­ge­hen, dass Ru­lings teil­wei­se auch dann gül­tig sind, wenn sich nach­träg­lich her­aus­stellt, dass sie zu kei­ner ge­set­zes­kon­for­men Be­steue­rung füh­ren. Der Grund: Fir­men ha­ben nach Treu und Glau­ben den An­spruch dar­auf, dass sie auf eine be­hörd­li­che In­for­ma­ti­on ver­trau­en dür­fen. Un­zu­läs­sig wer­den Ru­lings nur, wenn eine Fir­ma ein Ge­schäft un­ge­nü­gend dar­leg­te oder nicht wie an­ge­kün­digt durch­führ­te. Liegt der Feh­ler hin­ge­gen bei den Be­hör­den muss die Fir­ma nicht mit einer Nach­steu­er rech­nen.

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Dass die Aus­nüt­zung des Er­mes­sens­spiel­raums zu In­ter­es­sen­kon­flik­ten führt, be­le­gen der­zeit meh­re­re Fäl­le: Ers­tens der Streit um die Am­mann-Grup­pe, der nur durch die Ver­let­zung des Amts­ge­heim­nis­ses be­kannt wur­de. Zwei­tens wur­de im glei­chen Zu­sam­men­hang eine eben­falls ge­hei­me Ak­ten­no­tiz der Eid­ge­nös­si­schen Steu­er­ver­wal­tung pub­lik, in der ne­ben der Am­mann-Grup­pe wei­te­re Fir­men auf­ge­lis­tet sind, de­ren Be­steue­rung den Bun­des­be­am­ten frag­wür­dig schien. De­ren Na­men sind nicht be­kannt, weil sie ge­schwärzt sind.

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Stichp­ro­ben und la­xe Kon­trol­le

Drit­tens läuft seit eini­gen Jah­ren ein Rechts­streit, in den der Bund und der Kan­ton Zug in­vol­viert sind. Da­bei geht es um eine Hol­ding, die eine Nie­der­las­sung auf den Cay­man Is­lands ein­ge­rich­tet hat, die 650 Mil­lio­nen Fran­ken kon­zern­in­ter­ne Dar­le­hen ge­währt und da­für bei­spiels­wei­se 2006 einen Ge­winn von 18 Mil­lio­nen er­wirt­schaf­te­te. In einem Ru­ling aus dem Jahr 1999 si­chert Zug der Hol­ding zu, die­se Ge­win­ne nicht zu be­steu­ern, weil sie im Aus­land an­fie­len. Die Bun­des­be­am­ten re­kur­rier­ten da­ge­gen, weil es ih­nen un­plau­si­bel er­schien, dass vier je zu 20 Pro­zent an­ge­stell­te Per­so­nen auf den Cay­mans in der La­ge sind, die Dar­le­hens­tä­tig­keit durch­zu­füh­ren. Laut Ge­setz müss­ten sämt­li­che Ar­bei­ten vor Ort an­fal­len. Der Fall ging be­reits durch et­li­che kan­to­na­le In­stan­zen hoch zum Bun­des­ge­richt und wie­der zu­rück, weil der Sach­ver­halt un­voll­stän­dig fest­ge­stellt war. End­gül­tig ent­schie­den ist in der Sa­che noch nicht.

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Da­mit bleibt die ent­schei­den­de Fra­ge un­klar, ob die Hol­ding nach Treu und Glau­ben auf die Ein­hal­tung des Ru­lings po­chen kann. Ähn­li­che Rechts­fäl­le gibt es bis heu­te nur we­ni­ge. Dies liegt einer­seits dar­an, dass die Bun­des­be­am­ten ih­re Auf­sichts­tä­tig­keit über die kan­to­na­len Äm­ter laut Ex­per­ten erst seit eini­gen Jah­ren streng wahr­neh­men. An­de­rer­seits kön­nen sie an­ge­sichts der vie­len Ru­lings nur Stich­pro­ben ma­chen. Fal­len fra­gwür­di­ge Vor­be­schei­de nicht zu­fäl­li­ger­wei­se bei einer Kon­trol­le auf, wer­den sie nicht pub­lik. We­der die be­trof­fe­ne Fir­ma noch die kan­to­na­le Be­hör­de, die den Feh­ler be­gan­gen hat, ha­ben ein In­ter­es­se an einer Kla­ge.

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Rich­tig in­ter­es­sant wird das In­stru­ment des Ru­lings für Fir­men dann, wenn sie sich der Stra­te­gie des Shop­pings be­die­nen, wie Ex­per­ten er­klä­ren. Da­bei ho­len sie — zu­erst in­for­mell — in ver­schie­de­nen Kan­to­nen eine Ein­schät­zung zur Be­steue­rung eines künf­ti­gen Ge­schäfts ein. Am gün­stig­sten Ort rei­chen sie dann zu­sätz­lich ein Be­geh­ren nach einem Ru­ling ein und si­chern das gün­stig­ste An­ge­bot da­mit ab. Auf die­se Wei­se kön­nen sie die Kan­to­ne ge­gen­ein­an­der aus­spie­len.

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Eine all­zu sa­lop­pe Me­tho­de exi­stier­te frü­her: Fir­men ver­lang­ten in et­li­chen Kan­to­nen so­fort ein Ru­ling. Am gün­stig­sten Ort führ­ten sie das ge­plan­te Ge­schäft dann durch. Das führ­te zu De­nun­zie­run­gen vor der Eid­ge­nös­si­schen Steu­er­ver­wal­tung. Die un­ter­le­ge­nen Kan­to­ne ver­lang­ten mit Be­ru­fung auf das aus­ge­stell­te Ru­ling in Bern eine Ab­klä­rung, ob der­je­ni­ge Stand, der die Fir­ma an­loc­ken konn­te, die­ser nicht zu weit ent­ge­gen­ge­kom­men sei.

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