Em­pö­rung nach Bank­da­ten-Kauf

TOP

Die Schweiz ist ver­är­gert, weil Nord­rhein-West­fa­len trotz un­ter­zeich­ne­tem Steu­er­ab­kom­men mit Deut­schland eine CD mit Da­ten von Kun­den der Zür­cher Pri­vat­bank Coutts ge­kauft ha­ben soll. Die Ban­kier­ver­ei­ni­gung und das Staats­sek­re­ta­riat für in­ter­na­tio­na­le Fi­nanz­fra­gen (SIF) hal­ten die­sen Kauf für il­le­gal. Die­se Ein­schät­zung steht al­ler­dings auf wack­li­gen Füs­sen, hat sich Deut­schland doch nur ver­pflich­tet, sich nicht ak­tiv um den Er­werb von Kun­den­da­ten zu be­mü­hen. Der TA hat be­reits im Ap­ril pub­lik ge­macht, dass die­se For­mu­lie­rung das An­kau­fen einer CD nicht aus­schliesst. Auch Da­ve Hart­nett, der Chef­un­ter­händ­ler für Gross­bri­tan­nien, stellt sich auf die­sen Stand­punkt: Bie­te je­mand Gross­bri­tan­nien eine CD an, wer­de man sie ak­zep­tie­ren, da man sich ja nicht ak­tiv da­rum be­müht ha­be, sagt er.

TOP

Für den SP-Öko­no­men Ru­dolf Strahm, der sich in­ten­siv mit den Steu­er­ab­kom­men be­schäf­tigt hat, ist die Klau­sel zum «ak­ti­ven Er­werb» nicht bin­dend. Für die SPD, die das Ab­kom­men be­kämpft, sei die­ser Punkt des­halb auch nicht von zen­tra­ler Be­deu­tung.

(meo)

⋆ ⋆ ⋆

TOP

Ver­zicht auf ak­ti­ven Er­werb von Da­ten-CDs ist TOP we­nig wert

Coutts

Kunden der Zürcher Privatbank Coutts sind ins Visier deutscher Steuerbehörden geraten.

Foto: Steffen Schmidt (Keystone)

TOP

Der Kauf einer wei­te­ren CD em­pört die Schweiz, wi­der­spricht aber nicht dem Steu­er­ab­kom­men.

Von Romeo Regenass
TOP

Am Sams­tag mach­ten deut­sche Me­di­en pub­lik, Nord­rhein-West­fa­len ha­be eine neue Da­ten-CD mit Steu­er­sün­dern er­wor­ben. Der Da­ten­satz soll Fi­nanz­mi­nis­ter Nor­bert Wal­ter-Bor­jans In­for­ma­tio­nen über rund 1000 Kun­den der Pri­vat­bank Coutts in Zü­rich mit Ver­mö­gen in bis zu drei­stel­li­ger Mil­lio­nen­hö­he lie­fern und 3,5 Mil­lio­nen Eu­ro ge­kos­tet ha­ben. Das Ma­te­rial sei «erst­klas­sig», die meis­ten Ver­mö­gen sei­en un­de­kla­riert, schrieb die «Süd­deut­sche Zei­tung» un­ter Ver­weis auf Be­hör­den­krei­se. Be­stä­tigt wur­de der CD-Kauf bis­her nicht.

TOP

Den­noch wirft die Nach­richt in der Schweiz ho­he Wel­len, kommt sie doch we­ni­ge Wo­chen nach Un­ter­zei­ch­nung eines Steu­er­ab­kom­mens mit Deut­schland. CVP-Frak­tions­chef Urs Schwal­ler spricht von «Heh­ler­ei», die Ban­kier­ver­eini­gung hält das Vor­ge­hen für «il­le­gal». Für Ban­kier Eric Sa­ra­sin, Prä­si­dent der Han­dels­kam­mer Deut­schland-Schweiz, geht es um «rein po­li­tisch mo­ti­vier­te Ak­tio­nen»; sie ver­folg­ten le­dig­lich das Ziel, TOP die Ra­ti­fi­zie­rung des Steu­er­ab­kom­mens in Deut­schland zu tor­pe­die­ren, so sei­ne Aus­sage in der «Sonn­tags­Zei­tung». Und auch das Staats­sek­re­ta­riat für in­ter­na­tio­na­le Fi­nanz­fra­gen (SIF) zeigt sich em­pört: Ein An­kauf sei il­le­gal und kom­me einem Ver­trags­bruch gleich, sagt Spre­cher Ma­rio Tuor. So­lan­ge der Ra­ti­fi­zie­rungs­pro­zess läuft, sei­en bei­de Ver­trags­part­ner an das Ab­kom­men ge­bun­den.

TOP

«Pas­si­ver Er­werb ist mög­lich»

Die all­ge­mei­ne Em­pö­rung grün­det auf einem ein­zi­gen Satz, und der steht nicht mal im Ab­kom­men selbst, son­dern nur in einem An­hang da­zu. Da­rin ver­pflich­ten sich die deut­schen Fi­nanz­be­hör­den, man wer­de sich «nicht ak­tiv um den Er­werb von bei Ban­ken in der Schweiz ent­wen­de­ten Kun­den­da­ten be­mü­hen».

TOP

Ein Satz mit In­ter­pre­ta­tions­spiel­raum, wie der TA be­reits im Ap­ril fest­stell­te. Die For­mu­lie­rung lässt den pas­si­ven Er­werb zu, ist der deut­sche Steu­er­an­walt Se­bas­tian Eng­ler auch heu­te noch über­zeugt: «Ein Er­werb ist mög­lich, wenn je­mand einer deut­schen Fi­nanz­be­hör­de eine Da­ten-CD zum Kauf an­bie­tet.» Auch der Zür­cher Ban­ken­pro­fes­sor Mar­tin Jans­sen sagt: «Das An­kau­fen einer CD ist auf­grund des Wort­lauts im Ab­kom­men nicht aus­ge­schlos­sen.»

TOP

Das Staats­se­kre­ta­riat für in­ter­na­tio­na­le Fi­nanz­fra­gen sieht das an­ders: So­wohl die schwei­ze­ri­sche als auch die deut­sche Re­gie­rung ver­ste­hen laut SIF-Spre­cher Tuor un­ter dem «ak­ti­ven Be­mü­hen» den Kauf einer Da­ten-CD. Al­len­falls er­laubt wä­re die Ent­ge­gen­nah­me von Da­ten oh­ne Be­zah­lung. Auch Bun­des­rä­tin Eve­li­ne Wid­mer-Schlumpf hat in einem In­ter­view auf Ra­dio DRS noch am 1. Mai fest­ge­hal­ten, un­ter den Ver­zicht auf den ak­ti­ven Er­werb von Da­ten fal­le «na­tür­lich auch der Kauf und die Be­zah­lung von Da­ten». Und das ab der Un­ter­zeich­nung des Ab­kom­mens.

TOP

Wer­den die Deut­schen nun wort­brü­chig? Das deut­sche Fi­nanz­mi­nis­te­ri­um hat sich nie zu sei­ner In­ter­pre­ta­tion des «ak­ti­ven Er­werbs» von Kun­den­da­ten ge­äus­sert. Auf­hor­chen lässt aber ein In­ter­view mit Da­ve Hart­nett, dem bri­ti­schen Ver­hand­lungs­füh­rer in Sa­chen Steu­er­ab­kom­men mit der Schweiz, das die «NZZ on­line» im Mai pub­li­ziert hat. Das bri­ti­sche Ab­kom­men ist mit dem deut­schen prak­tisch iden­tisch.

Auch Bri­ten wür­den CDs kau­fen

TOP

So be­ant­wor­tet Hart­nett die Fra­ge, ob Gross­bri­tan­ni­en nach In­kraft­tre­ten des Ab­kom­mens wei­ter­hin ge­stoh­le­ne Da­ten kau­fen und ver­wen­den darf: «Wir ha­ben uns ver­pflich­tet, uns nicht ak­tiv um den Er­werb ge­stoh­le­ner Da­ten zu be­mü­hen. Wir ge­hen al­so nicht auf je­man­den zu, um ihn da­von zu über­zeu­gen, uns Da­ten zu brin­gen. Aber wir sag­ten der Schwei­zer Re­gie­rung auch: Klopft je­mand an die Tür und bie­tet uns eine CD an, wer­den wir sie ak­zep­tie­ren, da wir uns nicht ak­tiv da­rum be­müht ha­ben.» Das Ab­kom­men ver­bie­te es auch nicht, für sol­che Da­ten zu be­zah­len.

TOP

Da­mit ist klar: Kein Ab­kom­men wird den Kauf von Da­ten-CDs aus der Welt schaf­fen. Und die Schweiz wird eines ih­rer ober­sten Zie­le nicht er­rei­chen.

⋆ ⋆ ⋆

TOP

CD-Käufer aus Überzeugung

Coutts

Norbert Walter-Borjans.

Foto: (Keystone)

TOP

Der Steu­er-Mann aus Düs­sel­dorf

Von David Nauer, Berlin
TOP

Ja, der Herr Mi­nis­ter sei im­mer noch ge­gen das Steu­er­ab­kom­men; und nein, auf den An­kauf von Da­ten-CDs wer­de er nicht ver­zich­ten, auch in Zu­kunft nicht. Die Spre­che­rin von Nor­bert Wal­ter-Bor­jans hat sich in den letz­ten zwei Jah­ren oft wie­der­ho­len müs­sen. Im Steu­er­streit mit der Schweiz steht der nord­rhein-west­fä­li­sche Fi­nanz­mi­nis­ter an vor­der­ster Front. Eben hat er noch ein­mal an der Eska­la­tions­schrau­be ge­dreht und Da­ten von deut­schen Kun­den der Zür­cher Pri­vat­bank Coutts ge­kauft.

TOP

Freun­de macht sich Wal­ter-Bor­jans mit dem hand­fes­ten Vor­ge­hen nicht. In der Schwei­zer Be­völ­ke­rung dürf­te er bald be­kann­ter sein als Peer Stein­brück, der einst die Ka­val­le­rie ge­gen die eid­ge­nös­si­schen Ban­ken schic­ken woll­te.

TOP

Auch in Deut­schland sel­ber ist der Är­ger über Wal­ter-Bor­jans gross. Sei­nem Kol­le­gen in der Haupt­stadt Ber­lin, dem Christ­de­mo­kra­ten Wolf­gang Schäub­le, zer­stört der Fi­nanz­mi­nis­ter aus Nord­rhein-West­fa­len eines der wich­tig­sten Pro­jek­te sei­ner Amts­zeit. Schäub­le hat viel Zeit und po­li­ti­sches Pres­ti­ge auf­ge­wen­det für das Steu­er­ab­kom­men mit der Schweiz. Bei der fei­er­li­chen Un­ter­zeich­nung mit Bun­des­rä­tin Eve­li­ne Wid­mer-Schlumpf be­teu­er­te er ex­pli­zit: Deut­schland kau­fe ab so­fort kei­ne CDs mit ge­stoh­le­nen Bank­da­ten mehr.

TOP

Un­ab­hän­gig da­von, wie viel die­ses Ver­spre­chen wert ist: Po­li­tisch ist es ein Af­front, dass Wal­ter-Bor­jans trotz­dem wei­ter Da­ten-CDs kauft. Der SPD-Mann wi­der­spricht da­mit den Be­teue­run­gen Schäub­les und er sa­bo­tiert den Ra­ti­fi­zie­rungs­pro­zess.

TOP

Die Be­für­wor­ter des Steu­er­deals mö­gen dies be­dau­ern, Wal­ter-Bor­jans frei­lich setzt bloss sei­ne eige­ne po­li­ti­sche Über­zeu­gung in die Tat um. Der Dip­lom­Volks­wirt mit Dok­tor­ti­tel hat das Ab­kom­men stets ab­ge­lehnt, weil Steu­er­sün­der sei­ner An­sicht nach zu bil­lig weg­kom­men. Es blie­ben wei­ter­hin «scheu­nen­tor­gros­se Schlupf­lö­cher» of­fen, durch die Schwarz­geld in an­de­re Steu­er­oasen ver­scho­ben wer­den kön­ne.

TOP

Walter-Bor­jans ist kein stu­rer lin­ker Ideo­lo­ge. Wer mit ihm dis­ku­tiert, merkt schnell, dass er prag­ma­tisch denkt, aber eben auch kon­se­quent. Der Sohn eines Schrei­ners und einer Schnei­de­rin hält Steu­er­hin­ter­zie­hung für eine Straf­tat (was sie nach deut­schem Ge­setz auch ist) und möch­te, dass sie ent­spre­chend be­han­delt wird. Für Aus­nah­men sieht er kei­nen Raum.

TOP

In der Schweiz hat man die ab­leh­nen­de Hal­tung zum Ab­gel­tungs­steu­er­ab­kom­men lan­ge für rei­ne Tak­tik ge­hal­ten. Wal­ter-Bor­jans und sei­ne SPD-Kol­le­gen woll­ten bloss im Wahl­kampf punk­ten, glaub­te man, sie woll­ten bei Ver­hand­lun­gen mit Fi­nanz­mi­nis­ter Schäub­le mög­lichst viel her­aus­ho­len. «Spä­tes­tens wenn es ums Geld geht», ver­brei­te­ten Schwei­zer Dip­lo­ma­ten und Ban­ker, «wer­den die So­zial­de­mo­kra­ten ein­knic­ken.»

TOP

Das Ab­kom­men bleibt ge­fähr­det

Nach allem, was man heu­te weiss, ist die­ser Schwei­zer Op­ti­mis­mus eine Fehl­ein­schät­zung ge­we­sen. Ge­ra­de Wal­ter-Bor­jans hat nie Kom­pro­miss­be­reit­schaft an­ge­deu­tet. Sei­ne Spre­che­rin muss­te sich am Wo­chen­en­de er­neut wie­der­ho­len: Das ge­plan­te Steu­er­ab­kom­men mit der Schweiz, zi­tier­te sie den Mi­nis­ter, sei so, wie es auf dem Tisch lie­ge, nicht zu­stim­mungs­fä­hig. Und oh­ne Zu­stim­mung der rot-grün-ge­führ­ten Län­der im Bun­des­rat kön­ne es nicht in Kraft tre­ten. «Da ist es nur fol­ge­rich­tig, dass wir uns nicht schon jetzt so ver­hal­ten, als ob das Ab­kom­men be­reits gel­ten wür­de.»

TOP

Mit an­de­ren Wor­ten: Wal­ter-Bor­jans denkt nicht da­ran, sich an ein Ab­kom­men zu­hal­ten, das er ab­lehnt und vor al­lem: das er und sei­ne Ge­nos­sen bei der ent­schei­den­den Bun­des­rat-Ab­stim­mung im No­vem­ber zu Ma­ku­la­tur ma­chen möch­ten.

⋆ ⋆ ⋆