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Bern Das Finanzdepartement hat bei der Bundesanwaltschaft in Bern Strafanzeige gegen eine ehemalige Spitzenbeamtin eingereicht. Im Zentrum der Untersuchung steht Valerie Cavero, die Ex-Direktorin der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS), welche die AHV- und IV-Milliarden verwaltet. Bei Cavero sind Unstimmigkeiten bei der Abrechnung von Spesen aufgetaucht. In einem Bericht listet die ZAS-interne Inspektion für die ganze Abteilung eine Reihe von Regelverstössen beim Umgang mit Spesen auf. So seien Hotelübernachtungen mit zu hohen Pauschalen abgerechnet oder interne Sitzungen als Repräsentationsanlässe deklariert worden.
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Genf/Bern — Valérie Cavero war noch keine 40 Jahre alt, als sie 2004 Chefin von 800 Bundesangestellten wurde. Kontinuierlich hatte sich die Tessiner Juristin an die Spitze der Verwaltungsstelle hochgearbeitet, die von Genf aus die Schweizer AHV- und IV-Gelder verwaltet. Zuerst Sektionsleiterin, dann stellvertretende Abteilungschefin, ab 2003 sass sie in der Direktion. Im vergangenen November kam der Absturz. Serge Gaillard, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, trennte sich von der Vorzeige-Juristin.
Über die Gründe des Abgangs an der Spitze der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) schwieg Gaillard. Bis heute nicht bekannt ist, dass die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen Cavero führt. Das Generalsekretariat von Eveline WidmerSchlumpf reichte vergangenes Jahr Strafanzeige ein. Spesen, welche die Direktorin zwischen Ende 2011 bis März 2013 in der Höhe von mehr als 20'000 Franken bezog, konnten nicht plausibel erklärt werden. Auf Anfrage bestätigte die Bundesanwaltschaft die Eröffnung einer Strafuntersuchung.
Mutmasslich nicht nur bei der Direktorin — für sie gilt vorerst die Unschuldsvermutung —, sondern in der ganzen ZAS kam es über Jahre zu Regelverstössen bei der Abrechnung von Spesen. Das hält ein Bericht der ZAS-internen Revisionsstelle fest, welchen die Sonntags-Zeitung unter Berufung auf das Öffentlichkeitsgesetz von der Behörde herausverlangt hat. Das 22 Seiten starke Papier vom November 2012 dokumentiert, wie locker die Bundesstelle, die sich zu 90 Prozent aus AHV-Geldern finanziert, mit Vergütungen für Reisen und Repräsentationen umging.
Während in der unter Spardruck geratenen Verwaltung Spesenreglemente angepasst und die Entschädigungen für Hotelübernachtungen gekürzt wurden, rechneten die AHV-Angestellten im Genfer Quartier Saint-Jean Charmilles noch immer mit den höheren Pauschalen ab. Interne Sitzungen wurden als Repräsentationsanlässe deklariert, Auslandsreisen mit falschen Wechselkursen abgerechnet. Zugtickets kauften die Genfer Verwaltungsangestellten lieber am SBB-Schalter und nicht wie vorgeschrieben über den billigeren Kanal des Bundes.
Ob es in der Genfer AHV-Zentrale zu Spesenexzessen kam, ist aus dem Bericht nicht ersichtlich. Immerhin listet er gravierende Probleme bei der Abwicklung der Spesen auf: Ein Vieraugenprinzip fehlte, und Abrechnungen wurden in den jeweiligen Einheiten und nicht von hierarchisch höheren Stellen kontrolliert. Für die Direktionsetage und die Personalabteilung sah das interne Reglement keinen Kontrollverantwortlichen vor. Eindringlich warnten die Inspektoren dann auch vor drohenden Betrugs- und Imageschäden.
In der internen Untersuchung war das Spesendossier der Direktorin tabu. Der Inspektionsbericht hält fest, dass die Spesen aller ZAS-Angestellten untersucht wurden, «mit Ausnahme der Spesen und Vorschüsse von Frau Cavero». Sie sei direkt dem Direktor der Finanzverwaltung unterstellt gewesen, argumentiert heute ZAS-Direktionsmitglied Markus Odermatt, «dieses Verhältnis wird nicht durch die interne Revisionsstelle der ZAS überprüft». Und die Finanzverwaltung, hat sie die Spesen der Genfer Direktorin unter die Lupe genommen? Die Frage bleibt vorerst ungeklärt.
Klar ist, dass die Ex-Direktorin nicht viel auf die Empfehlungen ihrer Inspektoren gab. Diese hatten beispielsweise in ihrem Spesenbericht auf problematische Barauszahlungen an einem Schalter der Personalabteilung aufmerksam gemacht. Fünf Monate später liess sich die Direktorin dort 12'000 Franken für eine Ausbildung aushändigen. Dass sie die Befunde ihrer Kontrolleure einfach wegsteckte, zeigt sich auch beim Debakel um mehrere Informatikprojekte der AHV-Zahlstelle. Praktisch alle IT-Beschaffungen seit Mai 2012 seien «ausserhalb des gesetzlichen Rahmens» abgelaufen, schreibt der «Tages-Anzeiger» unter Berufung auf eine geheime Untersuchung der Finanzkontrolle (EFK), dem obersten Finanzaufsichtsorgan des Bundes. Zu einem ähnlichen Schluss war im März 2013 schon die ZAS-interne Inspektion gekommen. Der 73-seitige Untersuchungsbericht wurde von Cavero schubladisiert.
Whistleblower machten die Verwaltung in Bern schliesslich auf mögliche Verfehlungen der Genfer ZAS-Direktorin aufmerksam. Kurz darauf kam es zum Abgang Caveros und zur Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft.
Davon wisse sie nichts und sie bestreite, in irgendeiner Weise unrechtmässig gehandelt zu haben, lässt Cavero über ihren Anwalt ausrichten. Nach dem Abgang der Direktorin seien neue Spesenweisungen erlassen worden, heisst es aus der AHV-Zentrale in Genf.
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Powered by | Stand: 31. Mai 2014 | © SonntagsZeitung |