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Sabotage am AHV-Zahlungssystem

Die Zen­tra­le AHV-Aus­gleichs­stel­le hat nicht nur IT-Pro­jek­te wi­der­recht­lich ver­ge­ben. Sie be­auf­trag­te auch einen IT-Ex­per­ten mit der Ent­wick­lung eines neu­en Zah­lungs­sys­tems — und hetz­te ihm dann die Po­li­zei auf den Hals.

AHV GE
Der Sitz der AHV-Aus­gleichs­stel­le in Genf.
Foto: Lau­rent Gui­raud («Tri­bu­ne de Ge­nè­ve»)
Von Philippe Reichen
Lausanne

Millionen­be­trä­ge flos­sen bei der Zen­tra­len AHV-Aus­gleichs­stel­le (ZAS) in Genf in den letz­ten Jah­ren in die Er­neue­rung der In­for­ma­tik­sys­te­me. Doch bei der wich­tig­sten Aus­zah­lungs­stel­le für AHV-Gel­der lief vie­les falsch. Fi­nanz­mi­nis­te­rin Eve­li­ne Wid­mer-Schlumpf ge­stand letz­te Wo­che im Na­tio­nal­rat: Ein­zel­ne IT-Pro­jek­te sei­en oh­ne öf­fent­li­che Aus­schrei­bung und da­mit wi­der­recht­lich ver­ge­ben wor­den. Auch deck­te ein in­ter­ner Prüf­be­richt mas­si­ve Kos­ten­über­schrei­tun­gen auf. Nun wur­den dem TA aus dem ZAS-Um­feld In­for­ma­tio­nen über ein IT-Pro­jekt zu­ge­tra­gen, die den Ver­dacht wec­ken, das Pro­jekt sei vor­sätz­lich zum Ab­sturz ge­bracht wor­den. Da­für sorg­te nicht et­wa der IT-Un­ter­neh­mer, son­dern die ZAS-Chef­eta­ge selbst.

Vom TA kontaktiert, be­stä­tigt der IT-Un­ter­neh­mer (Na­me der Re­dak­ti­on be­kannt): «Ich hat­te den Ein­druck, dass mich die ZAS at­tac­kier­te, um von eige­nen Prob­le­men ab­zu­len­ken.» Über sei­nen Auf­trag, das Sys­tem zur Aus­zah­lung von AHV-Gel­dern zu ver­bes­sern, darf er nicht spre­chen, weil er eine Ver­trau­ens­er­klä­rung un­ter­schrie­ben hat. Dies über­nahm ge­gen­über dem TA ein IT-Spe­zia­list der ZAS, der nichts mit der Af­fä­re zu tun hat, sie aber ge­nau kennt.

Plötzlich stand die Polizei da

Die ZAS schickt Ban­ken, über die sie AHV-Gel­der aus­zahlt, je­den Mo­nat Hun­dert­tau­sen­de elek­tr­oni­sche For­mu­la­re zu. Von den Ban­ken wer­den die For­mu­la­re ge­le­sen und die Ren­ten ge­mäss den dar­auf ent­hal­te­nen In­for­ma­tio­nen über­wie­sen. Der ZAS-Mit­ar­bei­ter sagt, die Gen­fer Aus­gleichs­stel­le be­nüt­ze ver­al­te­te elek­tro­ni­sche For­ma­te, die vie­le Ban­ken kaum mehr le­sen könn­ten. Das füh­re bei Ren­ten­über­wei­sun­gen im­mer wie­der zu Prob­le­men, wo­bei die Ban­ken dar­auf vor­be­rei­tet sei­en und da­für sorg­ten, dass die Ren­ten pünkt­lich an­kä­men. Doch die Ban­ken dräng­ten dar­auf, die Zah­lungs­me­tho­de zu er­neu­ern. Weil die ZAS-In­for­ma­ti­ker da­für kei­ne Lö­sung fan­den, be­schloss der für die Geld­trans­fers zu­stän­di­ge Di­vi­si­ons­chef, den Auf­trag ex­tern zu ver­ge­ben.

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Der IT-Ex­per­te sagt, die ZAS-Leu­te und Ser­ge Gail­lard hät­ten al­les ge­tan, um ihn als Kri­mi­nel­len hin­zu­stel­len.

Im Sommer 2013 hat­te der da­mit be­auf­trag­te IT-Un­ter­neh­mer das neue Geld­über­wei­sungs­sys­tem fer­tig pro­gram­miert. Um si­cher zu sein, dass es in der Pra­xis funk­tio­niert, rich­te­te er in sei­ner Fir­ma einen Test­ser­ver ein. Dar­auf spei­cher­te er die Ko­or­di­na­ten von AHV-Emp­fän­gern, damit die ZAS ih­nen die Ren­ten übe­rwei­sen konn­te. Das Sys­tem schien zu funk­tio­nie­ren. Doch dann kam es ab­rupt zum Pro­jekt­ab­bruch.

Am Samstag, dem 7. Sep­tem­ber 2013, stan­den um zehn Uhr mor­gens vier Bun­des­po­li­zis­ten vor der Tür des IT-Un­ter­neh­mers. Sie tru­gen Zi­vil­klei­dung, hat­ten aber Dienst­waf­fen bei sich. Dem ver­äng­stig­ten Un­ter­neh­mer er­klär­ten sie, er ste­he im Ver­dacht, AHV-Da­ten ge­stoh­len zu ha­ben. Sie müss­ten den Ser­ver be­schlag­nah­men. «Sie hat­ten we­der einen Haus­durch­su­chungs­be­fehl, noch konn­ten sie die Ak­ti­on ge­nau be­grün­den», sagt der IT-Un­ter­neh­mer.

Der Mann muss­te mit den Po­li­zis­ten zum ZAS-Sitz nach Genf. Dort er­war­te­ten ihn Di­rek­to­rin Va­lé­rie Ca­ve­ro, ihr Di­rek­ti­ons­ad­junkt, der In­for­ma­tik­chef und zwei wei­te­re Mit­ar­bei­ter. Te­le­fo­nisch war auch Ser­ge Gail­lard, Chef der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­ver­wal­tung (EFV) und Di­rekt­ver­ant­wort­li­cher für die ZAS, zu­ge­schal­tet. Der IT-Un­ter­neh­mer er­in­nert sich: «Die ZAS-Leu­te und Gai­llard ta­ten al­les, um mich als Kri­mi­nel­len hin­zu­stel­len.» Doch er ha­be auf sei­ner Un­schuld be­harrt und be­tont, we­der Sorg­falts­pflich­ten ver­letzt noch Da­ten ge­stoh­len zu ha­ben. Viel­mehr sei die ZAS-Chef­eta­ge stets über al­les in­for­miert und mit dem Ser­ver ein­ver­stan­den ge­we­sen. Nach der An­hö­rung ha­be ihn ein Bun­des­po­li­zist we­gen der Ein­ver­nah­me um Dis­kre­ti­on ge­be­ten, er­in­nert er sich.

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Anwendung nicht verstanden

Nach dem Vor­fall nahm sich der IT-Un­ter­neh­mer einen An­walt. Die­ser woll­te von der Bun­des­po­li­zei (Fedpol) wis­sen, was ge­gen sei­nen Klien­ten vor­liegt. In einem E-Mail vom 27. No­vem­ber 2013 schrieb ihm ein Fed­pol-Er­mitt­ler: «Ge­mäss den Ele­men­ten, die im Be­sitz der Bun­des­po­li­zei sind, liegt kein Ge­set­zes­ver­stoss vor.» Fed­pol-Spre­cher Ale­xan­der Rech­stei­ner be­stä­tigt dies ge­gen­über dem TA. Er schreibt, beim vor­lie­gen­den Fall ha­be es sich um eine «po­li­zei­li­che Vor­er­mitt­lung» ge­han­delt. Da­bei wür­den der Sach­ver­halt fest­ge­stellt und all­fäl­lig tat­ver­däch­ti­ge Per­so­nen iden­ti­fi­ziert. «Wir konn­ten kei­ne Hin­weise auf eine straf­ba­re Hand­lung fest­stel­len», hält Rech­stei­ner fest.

Die Frage, wa­rum es zur Haus­durch­su­chung kam, wol­len we­der Fed­pol noch ZAS, noch EFV-Chef Gail­lard be­ant­wor­ten. Die Ant­wort lie­fert ein ZAS-in­ter­ner, als «ver­trau­lich» ge­kenn­zeich­ne­ter Un­ter­su­chungs­be­richt vom 29. August 2013, der dem TA vor­liegt. Dem­nach hiess es bei der ZAS im August 2013 plötz­lich, für die Über­wei­sun­gen ein­zel­ner Ren­ten fehl­ten die Zah­lungs­be­le­ge. Dar­auf wur­de der IT-Un­ter­neh­mer ver­däch­tigt, das Sys­tem ma­ni­pu­liert und AHV-Gel­der ab­ge­zweigt zu ha­ben. Mit dem Be­richt kon­fron­tiert, sagt er: «Dass eine Zah­lungs­be­stä­ti­gung fehl­te, ist mir nie auf­ge­fal­len. Die Aus­sa­gen im Be­richt zei­gen viel­mehr, dass die ZAS-Leu­te mei­ne An­wen­dung nicht ver­stan­den.» Geld hät­te er oh­ne­hin nicht ab­zwei­gen kön­nen. Je­de Über­wei­sung wer­de von meh­re­ren Leu­ten kon­trol­liert.

Von Problemen ablenken

Der Unter­neh­mer fühlt sich in sei­ner The­se be­stä­tigt: Man ha­be mit dem An­griff auf ihn ver­sucht, von in­ter­nen Prob­le­men ab­zu­len­ken. So sei­en zwi­schen dem Test und der Fed­pol-Ak­ti­on zwei Mo­na­te ver­gan­gen. Die The­se des Ab­len­kungs­ma­nö­vers teilt ein ZAS-Mit­ar­bei­ter. Er sagt: «Der Vor­wurf des Da­ten­dieb­stahls ist aus der Luft ge­grif­fen.» Die Ge­schäfts­lei­tung ha­be das Macht­spiel mit dem Un­ter­neh­mer in­sze­niert, um ihn zu stop­pen. Schliess­lich ha­be er das IT-Pro­blem in­nert Kür­ze und zu sehr gün­sti­gen Kon­di­tio­nen in den Griff be­kom­men. Das sei dem In­for­ma­tik­chef sau­er auf­ge­stos­sen. Dem TA lie­gen zu­dem Be­le­ge vor, dass der In­for­ma­tik­chef we­ni­ge Ta­ge nach der Fed­pol-Ak­ti­on in­for­miert wur­de, dass die an­geb­lich feh­len­den Zah­lungs­be­le­ge bei der ZAS vor­han­den wa­ren, aber nicht ge­fun­den wur­den.

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Bleibt die Frage, wer an die Fed­pol ge­lang­te. Laut Un­ter­su­chungs­be­richt hat EFV-Chef Gail­lard den Un­ter­neh­mer bei der Bun­des­po­li­zei an­ge­zeigt: Im Be­richt heisst es, ZAS-Di­rek­to­rin Ca­ve­ro ha­be am 4. Sep­tem­ber 2013 Gail­lard über das an­geb­li­che Feh­len von Be­le­gen in­for­miert. Gail­lard ge­lang­te noch glei­chen­tags an die Fed­pol. Heu­te will er zum Fall kei­ne Stel­lung neh­men. Via einen Spre­cher lässt er aus­rich­ten, es lau­fe eine Un­ter­su­chung zur Da­ten­si­cher­heit bei der ZAS. Er kön­ne aber ver­si­chern, dass es ge­gen den IT-Un­ter­neh­mer «kei­ne An­schul­di­gun­gen» ge­be.

Für den Be­trof­fe­nen ist dies ein schwa­cher Trost. Sein Pro­jekt wur­de trotz bes­ter Er­folgs­aus­sich­ten ab­ge­bro­chen. Ob­wohl die An­schul­di­gun­gen vom Tisch sind, wur­de es nicht wie­der auf­ge­nom­men. Aus dem ZAS-Um­feld heisst es, die AHV-Ren­ten wür­den bis auf wei­te­res mit dem al­ten Sys­tem über­wie­sen — das nichts von sei­ner Pan­nen­an­fäl­lig­keit ver­lo­ren ha­be.

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(phr)

Bericht: Missstände bei AHV-Zahlstelle

Misswirt­schaft, Mob­bing und In­trans­pa­renz: Das sind die Er­geb­nis­se einer Un­ter­su­chung, wel­che die Eid­ge­nös­si­sche Fi­nanz­kon­trol­le (EFK) bei der In­for­ma­tik­ab­tei­lung der Zen­tra­len Aus­gleichs­stel­le (ZAS) in Genf ge­macht hat. Die ZAS ist die wich­tig­ste Zahl­stel­le für AHV-Ren­ten. Die EFK stell­te für den un­ter­such­ten Zeit­raum fest, dass bei der ZAS mit einer Aus­nah­me al­le IT-Be­schaf­fun­gen aus­ser­halb des ge­setz­li­chen Rah­mens ab­ge­lau­fen sind. Die EFK be­zeich­net die IT-Ab­tei­lung als «in­trans­pa­rent und de­ren Leis­tun­gen als mehr­heit­lich nicht nach­voll­zieh­bar». Bei der ZAS exi­stie­re «kein ord­nungs­ge­mäs­ses IT-Con­trol­ling», heisst es.

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Misswirtschaft mit AHV-Geldern

Die Finanzkontrolleure des Bundes haben die IT-Abteilung der wichtigsten Zahlstelle für AHV-Renten durchleuchtet. Ihr Bericht deckt zahlreiche Missstände auf.

Von Philippe Reichen Lausanne
Informatik
Der Bericht der Fi­nanz­kon­trol­le hat die teil­wei­se ver­wor­re­ne Si­tua­ti­on bei der ZAS «aus­ge­bei­nelt»: Ka­bel­sa­lat in einem Ser­ver­raum.
Foto: George Frey (Bloomberg)

Gestern Nach­mit­tag es­ka­lier­te die Af­fä­re. Die Bun­des­po­li­zei führ­te bei einem An­ge­stell­ten der Zen­tra­len Aus­gleichs­stel­le (ZAS) in Genf eine Haus­durch­su­chung durch. Er wird ver­däch­tigt, dem «Ta­ges-An­zei­ger» einen noch nicht ver­öf­fent­lich­ten Be­richt der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­kon­trol­le (EFK) wei­ter­ge­lei­tet zu ha­ben. Die Bun­des­an­walt­schaft (BA) be­stä­tig­te, sie füh­re «auf­grund einer An­zei­ge ein Ver­fah­ren we­gen Amts­ge­heim­nis­ver­let­zung».

Ob die BA die­ses Ver­fah­ren er­folg­reich ab­schlies­sen kann, wird sich zei­gen. Schon heu­te ist klar, dass es der Be­richt in sich hat, der die Er­mitt­lun­gen aus­lös­te. Vier Be­am­te der EFK durch­leuch­te­ten die In­for­ma­tik­ab­tei­lung bei der wich­tig­sten Zahl­stel­le für AHV-Ren­ten. Sie in­ter­es­sier­te, wie viel Geld die zu 90 Pro­zent aus AHV-Gel­dern fi­nan­zier­te und mit einem Glo­bal­bud­get von über 140 Mil­lio­nen Fran­ken ope­rie­ren­de ZAS in den Jah­ren 2013 und 2014 für IT-Pro­jek­te aus­ge­ge­ben hat. Als die Kon­trol­leu­re nach meh­re­ren Ta­gen Ar­beit nach Bern zu­rück­fuh­ren, kann­ten sie die Hö­he der Aus­ga­ben noch im­mer nicht. Die ZAS sei aus­ser­stan­de ge­we­sen, eine Zu­sam­men­stel­lung der ef­fek­ti­ven Kos­ten für je­den ein­zel­nen der 59 ab­ge­schlos­se­nen IT-Ver­trä­ge (Mai 2012 bis März 2014) aus­zu­hän­di­gen, steht im Be­richt. Wo­möglich muss­te die Zahl­stel­le Rech­nun­gen erst noch auf­trei­ben, ob­wohl sie längst be­gli­chen wa­ren. Sie la­gen je­den­falls plötz­lich vor, als sich De­le­ga­tio­nen der ZAS, der EFK und der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­ver­wal­tung (EFV), wel­che die ZAS be­auf­sich­tigt, am 11. April we­gen des Be­richts zu einer Schluss­be­spre­chung tra­fen. Zu spät. Die Rech­nun­gen «wur­den durch die EFK nicht mehr ge­prüft und be­ur­teilt», heisst es im Be­richt, der dem TA vor­liegt.

In der Flut der auf über 20 Sei­ten aus­ge­brei­te­ten Män­gel wir­ken die nicht vor­han­de­nen Rech­nun­gen al­ler­dings wie ein De­tail. Im EFK-Be­richt ste­hen weit schwer­wie­gen­de­re Din­ge. Et­wa: «Mit einer Aus­nah­me sind al­le IT-Be­schaf­fun­gen aus­ser­halb des ge­setz­li­chen Rah­mens ab­ge­lau­fen.» Ein­käu­fe ha­be seit 2011 ein ex­ter­ner tem­po­rä­rer Mit­ar­bei­ter «mit nicht adä­qua­tem An­for­de­rungs­pro­fil» ge­tä­tigt. Seit über einem hal­ben Jahr sei da­für eine wei­te­re ex­ter­ne Mit­ar­bei­te­rin «oh­ne aus­rei­chen­de Aus­bil­dung im Ein­kaufs­be­reich» zu­stän­dig.

IT-Projekte

Bundesrat verstärkt Kontrolle

Der Bun­des­rat hat ges­tern neun zu­sätz­li­che In­for­ma­tik­pro­jek­te als Schlüs­sel­pro­jek­te de­fi­niert. Die­se Vor­ha­ben wer­den spe­zi­ell be­glei­tet, un­ter an­de­rem mit­tels sys­te­ma­ti­scher Prü­fun­gen durch die Fi­nanz­kon­trol­le. Zu den neu­en Schlüs­sel­pro­jek­ten ge­hört das vom Kor­rup­ti­ons­fall im Se­co be­trof­fe­ne Sys­tem Asal der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung. Ins­ge­samt gibt es in der IT der Bun­des­ver­wal­tung nun be­reits 13 Schlüs­sel­pro­jek­te. Die im Haupt­text er­wähn­ten IT-Sys­te­me der ZAS ge­hö­ren nicht da­zu. Laut Pe­ter Fi­scher, dem De­le­gier­ten für die zen­tra­le In­for­ma­tik­steue­rung des Bun­des, liegt das dar­an, dass die­se Pro­jek­te noch nicht «voll fass­bar sind» und im re­le­van­ten Port­fo­lio nicht ent­hal­ten wa­ren. Die Prob­le­me der ZAS sei­en zu­erst ein­mal auf­zu­ar­bei­ten, sagt er.

In sei­nem Com­mu­ni­qué von ges­tern zeigt sich der Bun­des­rat zu­frie­den mit der lau­fen­den Um­set­zung sei­ner In­for­ma­tik­stra­te­gie. In den ein­zel­nen Be­rei­chen sei­en «leich­te bis deut­li­che Fort­schrit­te» ge­gen­über dem Vor­jahr er­kenn­bar. Zum ers­ten Mal wur­de der Bun­des­rat ges­tern auch über den Stand der bis­he­ri­gen vier IT-Schlüs­sel­pro­jek­te in­for­miert, je­doch erst in re­du­zier­tem Um­fang, wie er wei­ter mit­teilt. (bro)


Dossier
Korruption im Seco
seco.tagesanzeiger.ch

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Mehr bezahlt als vereinbart

«Mit einer Aus­nah­me sind al­le IT-Be­schaf­fun­gen aus­ser­halb des ge­setz­li­chen Rah­mens ab­ge­lau­fen», steht im Be­richt.

Laut dem Be­richt wur­den IT-Auf­trä­ge ge­stüc­kelt, so un­ter die Li­mi­te von 150'000 Fran­ken ge­drückt und oh­ne Aus­schrei­bung ver­ge­ben. Preis­ver­hand­lun­gen gab es kei­ne, wie Stich­pro­ben der EFK er­ga­ben. Bei einem Ver­trag sei gar ein hö­he­rer Ta­ges­satz als ab­ge­spro­chen of­fe­riert wor­den. Bei der Re­ali­sie­rung von IT-Pro­jek­ten sei es zu «mas­si­ven Ter­min- und Kos­ten­über­schrei­tun­gen» ge­kom­men. Bud­gets sei­en ent­wed­er nicht wie vor­ge­se­hen in der ers­ten Pro­jekt­pha­se oder gar nicht er­stellt wor­den. Auch sei­en IT-Be­schaf­fun­gen zu we­nig kon­trol­liert wor­den.

Bei der An­wen­dung mit dem Na­men Da­ta­mat­rix hält die EFK fest, «schwer­wie­gen­de Feh­ler und man­gel­haf­te Leis­tun­gen des Lie­fe­ran­ten» sei­en «viel zu spät be­merkt» wor­den. Schon eine ZAS-in­ter­ne Prü­fung er­gab, dass sich die Pro­jekt­kos­ten ver­vier­fach­ten und eine an­de­re Fir­ma das Pro­jekt be­en­den muss­te. Un­ter­la­gen für längst be­en­de­te Pro­jek­te fand die EFK mit der Mar­kie­rung «in Ar­beit» vor. Zum Be­fund, dass bei ein­zel­nen IT-Ver­ga­ben Vor­aus­zah­lun­gen in der Hö­he von 30 bis 40 Pro­zent ver­ein­bart wur­den, die be­reits mit der Be­stel­lung zu ent­rich­ten wa­ren, schreibt die EFK: «Die­se Art Ver­ein­ba­rung bei Dienst­leis­tungs­ver­trä­gen ent­spricht nicht der gän­gi­gen Pra­xis der Bun­des­ver­wal­tung.»

Die EFK be­ur­teilt die IT-Ab­tei­lung als ins­ge­samt «in­trans­pa­rent und de­ren Leis­tun­gen als mehr­heit­lich nicht nach­voll­zieh­bar». Bei der ZAS exi­stie­re «kein ord­nungs­ge­mäs­ses IT-Con­trol­ling», heisst es im Be­richt.

Die EFK be­stä­tigt den Ein­druck et­li­cher Mit­ar­bei­ter, dass die ZAS we­gen Prob­le­men der In­for­ma­tik­ab­tei­lung Mil­lio­nen­be­trä­ge ver­schleu­dert ha­be (TA vom 6. März). Die EFK mo­niert, dass die ZAS für viel Geld An­wen­dun­gen sel­ber pro­gram­mie­ren liess, die auf dem IT-Markt an­ge­bo­ten wer­den. Ge­mäss Ser­ge Gail­lard, als Di­rek­tor der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­ver­wal­tung für die ZAS zu­stän­dig, hat die ZAS «ein­zel­ne in­tern ent­wic­kel­te Lö­sun­gen» we­gen «spe­zi­fi­scher Be­dürf­nis­se» ent­wic­kelt. Das In­for­ma­tik­port­fo­lio wer­de der­zeit über­prüft.

«Keine Korruption»

Ob die mut­mass­li­che Geld­ver­schwen­dung als Fol­ge von Kor­rup­ti­on oder Un­fä­hig­keit ge­schah, lässt der Be­richt of­fen. Auf­fäl­lig sei, dass vor Ver­ga­ben kei­ne Preis­ver­hand­lun­gen statt­ge­fun­den hät­ten, dass Lie­fe­ran­ten für Pro­jek­te aus­ge­wählt wor­den sei­en, für die es noch gar kei­ne Spe­zi­fi­ka­ti­on ge­ge­ben ha­be, und dass «zahl­rei­che Ex­ter­ne seit über zwei Jah­ren wei­ter­be­schäf­tigt wor­den sind, ob­schon de­ren ur­sprüng­li­ches Tä­tig­keits­feld mitt­ler­wei­le mit in­ter­nen Mit­ar­bei­ten­den be­setzt ist», wie die EFK schreibt. Al­lei­ne im Jahr 2013 ha­be die ZAS für 52 ex­ter­ne Mit­ar­bei­ter 7,9 Mil­lio­nen Fran­ken be­zahlt — de­ren durch­schnitt­li­cher Jah­res­lohn ha­be 233'000 Fran­ken be­tra­gen. «Im Ver­gleich zur feh­len­den Er­folgs­schuld ist die­ser Be­trag zu hoch», schreibt die EFK da­zu. Dem TA sind zu­dem Fäl­le von Mit­ar­bei­tern be­kannt, die aus der Pri­vat­wirt­schaft zur ZAS ge­wech­selt wa­ren und de­ren ehe­ma­li­ge Fir­men im Sold der ZAS ste­hen.

EFV-Di­rek­tor Gail­lard be­strei­tet Kor­rup­ti­ons­vor­wür­fe. Zur Auf­ar­bei­tung der Ver­gan­gen­heit ha­be man eine Ad­mi­ni­stra­tiv­un­ter­su­chung an­ge­ord­net. Die Zwi­schen­er­geb­nis­se zeig­ten, dass zwar das Ver­ga­be­recht ver­letzt wor­den sei, dass aber kei­ne Fäl­le von Ko­rrup­ti­on oder Hin­wei­se auf fi­nan­zi­el­len Scha­den fest­zu­stel­len sei­en.

Der EFK-Be­richt be­las­tet S. B., den In­for­ma­tik­ver­ant­wort­li­chen der ZAS, schwer. Die EFV ent­schied vor kur­zem, ihm einen Coach zur Sei­te zu stel­len. Auch die ehe­ma­li­ge ZAS-Di­rek­to­rin Va­lé­rie Ca­ve­ro, wel­che die ZAS im No­vem­ber 2013 ver­liess, kommt im EFK-Be­richt schlecht weg. Sie ha­be mit min­des­tens einer Fir­ma «Ver­trä­ge mit Ein­zel­un­ter­schrift ab­ge­schlos­sen und die nach­fol­gen­den Rechn­un­gen in der Hö­he von 750'000 Fran­ken al­lei­ne zur Zah­lung frei­ge­ge­ben», heisst es im Be­richt. Wer Ver­trä­ge ab­schlies­sen oder Ein­käu­fe tä­ti­gen durf­te und bis zu wel­cher Hö­he die Kom­pe­ten­zen der Un­ter­schrifts­be­rech­tig­ten gin­gen, war bei der ZAS bis im Sep­tem­ber 2013, al­so kurz vor Ca­ve­ros Ab­gang, nicht ge­re­gelt. Tem­po­rä­re ZAS-An­ge­stell­te hät­ten Rech­nun­gen frei­ge­ge­ben, die von eben­falls ex­ter­nen Mit­ar­bei­ten­den ein­ge­reicht wor­den sei­en, stellt die EFK fest. Vom TA kon­tak­tiert, teil­te Va­lé­rie Ca­ve­ro mit, den EFK-Be­richt nicht zu ken­nen und des­halb nicht kon­kret Stel­lung neh­men zu kön­nen. Zu den Mo­da­li­tä­ten ih­res Ab­gangs, all­fäl­li­gen Lohn­fort­zah­lun­gen oder einer Ab­gangs­ent­schä­di­gung will sich Ser­ge Gail­lard nicht äus­sern. «Mit Frau Ca­ve­ro wur­de Still­schwei­gen ver­ein­bart. Dar­an hal­ten wir uns», lässt er wis­sen.

Auffällig viele Kranke

Diverse ZAS-Mit­ar­bei­ter mach­ten in den letz­ten Jah­ren wie­der­holt auf Prob­le­me beim Con­trol­ling auf­merk­sam — und han­del­ten sich da­mit Prob­le­me ein. Die EFK schreibt: «In der Ver­gan­gen­heit kam es wie­der­holt zu krank­heits­be­ding­ten Ab­we­sen­hei­ten von Mit­ar­bei­ten­den mit kri­ti­scher Ein­stel­lung.» Ob dies auf den von der Füh­rung aus­geüb­ten Druck zu­rück­zu­füh­ren sei, kön­ne nicht ab­schlies­send ge­klärt wer­den. Aber der Ver­dacht auf Mob­bing steht da­mit im Raum. Un­ge­klärt ist dies­be­züg­lich die Rol­le von P. D., Chef des ZAS-in­ter­nen In­spek­to­rats. Laut Aus­sa­gen meh­re­rer ZAS-An­ge­stell­ter soll die­ser da­für ge­sorgt ha­ben, dass kri­ti­sche Be­rich­te sei­ner Prü­fer nicht zur EFK ge­lang­ten.

Gemäss EFK-Di­rek­tor Mi­chel Huis­soud wird der mit zahl­rei­chen Emp­feh­lun­gen an­ge­rei­cher­te Be­richt im Ju­li pub­li­ziert. Die ZAS wer­de sich erst dann zum Be­richt äus­sern, sagt Di­rek­ti­ons­ad­junkt Mar­kus Oder­matt. EFV-Di­rek­tor Gail­lard sagt, «ein Kul­tur­wan­del in der mitt­le­ren und hö­he­ren Füh­rungs­ebe­ne im Hin­blick auf eine of­fe­ne­re Zu­sam­men­ar­beit mit zeit­ge­mäs­ser Kri­tik- und Par­ti­zi­pa­ti­ons­kul­tur» sei in Gang ge­bracht wor­den. Die Fi­nanz­de­le­ga­ti­on (Fin­Del) der eid­ge­nös­si­schen Rä­te wird den Be­richt ge­mäss ih­res Prä­si­den­ten Hans Alt­herr (FDP, AR) an­läss­lich ih­rer Sit­zung vom 30. Ju­ni und 1. Ju­li be­ra­ten. Ihr Hand­lungsvspiel­raum ist be­schränkt. Sie kann sich schrift­lich an die ver­ant­wort­li­che Bun­des­rä­tin Eve­li­ne Wid­mer-Schlumpf wen­den und den Be­richt an­läs­slich einer Aus­spra­che mit ihr auf die Trak­tan­den­lis­te set­zen. «Wenn es Be­darf gibt, ist es an der Fi­nanz­ver­wal­tung, zu re­agie­ren», hält Alt­herr fest.

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