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Sepp Blatter rechtfertigt Bestechungen bei der Fifa

Brüder im Geist
Brüder im Geiste: Alt-Fifa-Prä­si­dent João Ha­ve­lan­ge und sein Nach­fol­ger Sepp Blat­ter im Mai 2009.
Foto: Orlando Barrio (EPA, Keystone)

Nach­dem die Staats­an­walt­schaft Zug die Em­pfän­ger in der Fifa-Schmier­geld­af­fä­re be­kannt ge­ge­ben hat­te, mel­de­te ges­tern Prä­si­dent Sepp Blat­ter zu Wort. Er ge­stand, erst als Ge­ne­ral­sek­re­tär des Fuss­ball­welt­ver­ban­des von der Be­ste­chung er­fah­ren und sie spä­ter als Prä­si­dent to­le­riert zu ha­ben. Es ha­be sich bei den Zah­lun­gen an sei­nen Vor­gän­ger João Ha­ve­lan­ge und des­sen Schwie­ger­sohn Ri­car­do Tei­xei­ra um Pro­vi­sio­nen ge­han­delt, ver­harm­los­te er. Da­bei han­delt es sich um Schmier­gel­der in der Hö­he von ins­ge­samt 160 Mil­lio­nen Fran­ken.

Die Zah­lun­gen sei­en le­gal ge­we­sen, recht­fer­tig­te dies Blat­ter in einem In­ter­view auf der Fifa-Home­page: Zu je­ner Zeit ha­be man sie so­gar von den Steu­ern ab­zie­hen kön­nen. «Man kann die Ver­gan­gen­heit nicht mit den Mass­stä­ben von heu­te mes­sen», for­dert er. «Sonst en­det man bei der Mo­ral­jus­tiz.»

Geht es nach SP-Na­tio­nal­rat Car­lo Som­ma­ru­ga, ist Be­ste­chung in einem Sport­ver­band wie der Fifa al­ler­dings bald nicht mehr nur mo­ra­lisch ver­werf­lich — son­dern straf­recht­lich re­le­vant. Mit einer par­la­men­ta­ri­schen Ini­tia­ti­ve for­dert der Gen­fer, dass Be­ste­chung künf­tig als Of­fi­zial­de­likt ge­ahn­det wird.

Bis­lang ist sie nur in Ge­schäfts­be­zie­hun­gen straf­bar, die Fi­fa wird aber wie die Uefa und vie­le wei­te­re Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen auch, nach Ve­reins­recht be­ur­teilt. Der Vor­stoss wur­de von den Rechts­kom­mis­sio­nen des Na­tio­nal- und Stän­de­rats gut­ge­heis­sen. Som­ma­ru­ga glaubt, dass ein Ge­setz «in ein bis zwei Jah­ren in Kraft sein könn­te».

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Blat­ter be­grüsst dies. «Aus fa­den­schei­ni­gen Grün­den», glaubt al­ler­dings SVP-Na­tio­nal­rat Ro­land Bü­chel, der als Mit­ar­bei­ter der Ver­mark­tungs­fir­ma ISL einst im Man­dat für die Fi­fa tä­tig ge­we­sen war. Schliess­lich wis­se Blat­ter ge­nau, wie lan­ge es daue­re, bis ein Ge­setz in Kraft tre­te — sei­ne Amts­zeit könn­te vor­her vor­bei sein. Bü­chel be­grüsst den Vor­stoss gleich­wohl, da «die Re­pu­ta­tion der Schweiz zu­neh­mend un­ter der Fi­fa lei­det». Da­ne­ben wie­der­holt er sei­ne For­de­rung, wo­nach der Sta­tus von Sport­ver­bän­den als Ve­rein über­prüft wer­den müs­se. Auch der Steu­ern we­gen, die der Schweiz und Zü­rich ent­ge­hen.

Blat­ter selbst hat und wur­de nicht be­sto­chen, das geht aus den Un­ter­su­chun­gen der Staats­an­walt­schaft her­vor. Die­se Tat­sa­che teil­te er sei­nen Fol­lo­wern auf Twit­ter trium­phie­rend mit.

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Das Wissen von Blatter

Der Fifa-Präsident geriet im Bestechungsskandal in Erklärungsnot.

Pimp
Eine ver­schwie­ge­ne Män­ner­freund­schaft: Sepp Blat­ter (l.) 1997 mit sei­nem Vor­gän­ger João Ha­ve­lan­ge.
Foto: Getty Images
Von Thomas Kistner

Am Mitt­woch­abend schick­te der Welt­ver­band einen Ju­bel­schrei in die Welt hin­aus. «Fi­fa be­grüsst Bun­des­ge­richts­ur­teil be­tref­fend Ver­öf­fent­li­chung der ISL-Ein­stel­lungs­ver­fü­gung», lau­te­te der Ti­tel des Pres­se­tex­tes. «Die Fi­fa ist er­freut» hiess es wei­ter, dass das Pa­pier «ver­öf­fent­licht wer­den kann».

Die Party­stim­mung am Stamm­sitz auf dem Zü­rich­berg ir­ri­tiert. Tat­säch­lich hat sich die Fi­fa ge­gen die Of­fen­le­gung die­ses Do­ku­ments bis En­de 2011 ve­he­ment ju­ris­tisch ge­wehrt. Rät­sel­haft auch, wa­rum die Fi­fa Sät­ze wie die­sen künf­tig über­all le­sen will: «Nicht in­fra­ge ge­stellt wer­den kann, dass die Fi­fa Kennt­nis von Schmier­geld­zah­lun­gen an Per­so­nen ih­rer Or­ga­ni­sa­tion hat­te.» Und so steht es eben in der Ein­stel­lungs­ver­fü­gung.

Insgesamt 16 Geldempfänger
Im Mai 2010 hat­te die Zu­ger Jus­tiz ein Ver­fah­ren ge­gen zwei kor­rup­te Fi­fa-Funk­tio­nä­re so­wie die Fi­fa selbst ein­ge­stellt, nach­dem die Par­tei­en straf­re­le­van­te Vor­wür­fe ak­zep­tiert und ins­ge­samt 5,5 Mio. Fran­ken Wie­der­gut­ma­chung be­zahlt hat­ten. Hin­ter­grund wa­ren Schmier­geld­zah­lun­gen der in Kon­kurs ge­gan­ge­nen Sport­agen­tur ISL.

Dass die zwei in den Do­ku­men­ten ge­nann­ten Bra­si­lia­ner João Ha­ve­lan­ge und Ri­car­do Tei­xei­ra zu den Em­pfän­gern ge­hör­ten, war lan­ge ver­mu­tet wor­den — nun ist es amt­lich. Ins­ge­samt wer­den im Do­ku­ment so­gar 16 Geld­em­pfän­ger auf­ge­lis­tet, die­se Na­men blei­ben je­doch ver­klau­su­liert. Von den schmut­zi­gen Deals zahl­rei­cher Mit­glie­der der Fi­fa-Exe­ku­ti­ve woll­te Sepp Blat­ter lan­ge nichts ge­wusst und be­merkt ha­ben. We­der als Ge­ne­ral­sek­re­tär (von 1981 bis 1998) noch als Prä­si­dent (seit 1998). Auf dem Thron hat­te Blat­ter sei­nen Men­tor Ha­ve­lan­ge ab­ge­löst; der Bra­si­lia­ner führ­te die Fi­fa von 1974 bis 1998. «In der Fi­fa gibt es kei­ne Kor­rup­tion», stand als Ti­tel über einem In­ter­view Blat­ters in der «Welt­wo­che», das war En­de 2010, sie­ben Mo­na­te nach­dem die Fi­fa selbst als Mit­be­schul­dig­te im ISL-Kom­plex 2,5 (von to­tal 5,5) Mil­lio­nen Fran­ken Wie­der­gut­ma­chung hat­te zah­len müs­sen, um eine Ver­fah­rens­ein­stel­lung zu er­mög­li­chen.

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Sie war selbst zur Be­schul­dig­ten ge­wor­den, weil sie we­der ge­gen die kor­rup­ten Funk­tio­nä­re durch­ge­grif­fen noch da­für ge­sorgt hat­te, dass die­se den Scha­den kom­pen­sie­ren muss­ten. Wer al­so steht als ver­ant­wort­li­che Per­son hin­ter der Fi­fa, die nur hilfs­wei­se be­schul­digt wur­de: «Wird in einem Un­ter­neh­men in Aus­übung ge­schäft­li­cher Ver­rich­tung (…) ein Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen be­gan­gen und kann die­se Tat kei­ner be­stimm­ten na­tür­li­chen Per­son zu­ge­rech­net wer­den, so wird das Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen dem Un­ter­neh­men zu­ge­rech­net.» Die Fi­fa muss­te zah­len, weil ihr der «Or­ga­ni­sa­tions­man­gel» vor­ge­wor­fen wur­de.

Hat Blat­ter die­sen her­bei­ge­führt, der den Welt­ver­band zum Be­schul­dig­ten mach­te und den Fuss­ball Mil­lio­nen kos­te­te? Die Ant­wort lässt sich aus der Ein­stel­lungs­ver­fü­gung der Staats­an­walt­schaft her­lei­ten. Und des­halb wohl gab Blat­ter ges­tern Don­ners­tag dann auch plötz­lich zu, al­les ge­wusst zu ha­ben.

Blat­ter wird in den Un­ter­la­gen nicht mit Na­me, son­dern als «P1» ge­nannt. Er wuss­te, dass eine von der ISL ge­tä­tig­te Schmier­geld­zah­lung fälsch­li­cher­wei­se auf einem Fi­fa-Kon­to statt auf dem Kon­to Ha­ve­lan­ges ge­lan­det war und die Fi­fa den Be­trag um­ge­hend wei­ter­lei­te­te. Der Wal­li­ser er­fuhr im Herbst 2009 von der Staats­an­walt­schaft, dass der «ob­jek­ti­ve Tat­be­stand der un­ge­treu­en Ge­schäfts­be­sor­gung er­füllt» sei. Es sei zu be­ra­ten, ob das Straf­ver­fah­ren «ge­gen die Fi­fa als Un­ter­neh­men und/oder ge­gen die na­tür­li­chen Per­so­nen, wel­che die for­mel­le Ver­ant­wor­tung für das Vor­ge­hen der Fi­fa tra­gen wür­den, zu er­öff­nen sei».

Die Aufgabe für Mark Pieth
«Fünf Fra­gen an Blat­ter», lau­tet der Pres­se­text, den die Fi­fa-eige­ne Me­dien­stel­le ges­tern Don­ners­tag ver­schick­te. Was folgt, ist eine Vor­wärts­ver­tei­di­gung. Blat­ter be­stä­tigt, was durch die Me­dien geis­tert: Er ist P1. Die Fra­ge je­doch, wie es kam, dass die Mil­lion an Ha­ve­lan­ge un­ter sei­ner haupt­amt­li­chen Zu­stän­dig­keit von Fi­fa-Kon­ten wei­ter­ge­lei­tet wor­den war, wur­de gar nicht ge­stellt.

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Das müss­te jetzt die Auf­ga­be der neu­en Re­form­grup­pe sein, die der Com­plian­ce-Ex­per­te Mark Pieth für die Fi­fa auf die Bei­ne ge­stellt hat. Der Kri­mi­no­lo­ge steht in der Kri­tik für das bis­her recht zahn­lo­se Pro­jekt — eine ethi­sche Selbst­rei­ni­gung der Fi­fa, die un­ter Blat­ters Re­gie ab­lau­fen soll. Die­ses Bild kann Pieth nun kor­ri­gie­ren.

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Das Wissen von Blatter

(TA)

Am Diens­tag tagt das Exe­ku­tiv­ko­mi­tee des Welt­fuss­ball­ver­bands in Zü­rich. Das Gre­mi­um be­fasst sich mit bri­san­ten The­men: Vor­ges­tern ist be­kannt ge­wor­den, dass in der Ver­gan­gen­heit Schmier­geld in Mil­lio­nen­hö­he und mit Wis­sen von Fi­fa-Prä­si­dent Sepp Blat­ter an da­ma­li­ge Funk­tio­nä­re be­zahlt wor­den ist. Nun muss die Exe­ku­ti­ve über Vor­schlä­ge des Bas­ler Straf­rechts­pro­fes­sors und An­ti­kor­rup­tions­spe­zia­lis­ten Mark Pieth ab­stim­men. Er hat mit einer un­ab­hän­gi­gen Kom­mis­sion die Auf­ga­be, der Fi­fa zu einem bes­se­ren An­se­hen zu ver­hel­fen. Pieth schlägt nun vor, neu­tra­le In­stan­zen zu schaf­fen, die Vor­gän­ge je­weils bis 15 Jah­re zu­rück auf­ar­bei­ten könn­ten — auch um­strit­te­ne Ver­ga­ben von Welt­meis­ter­schaf­ten. Sein Vor­schlag dürf­te im Ko­mi­tee aber einen schwe­ren Stand ha­ben: «Wer ir­gend­ein­mal Geld ge­nom­men hat, wird nicht be­geis­tert sein», sagt Pieth.

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Fifa-Geschäfte: Untersuchung bis 15 Jahre zurück beantragt

Der Basler Strafrechts-Professor Mark Pieth hat den Auftrag, der Fifa neue Glaubwüdigkeit zu geben. Auch die Vergangenheit soll nicht mehr tabu sein.

Von Ueli Kägi
Pimp
«Die Fra­ge ist, ob es Blat­ter ge­lingt, sei­ne Kol­le­gen zu über­zeu­gen. Wer ein­mal Geld ge­nom­men hat, wird nicht be­geis­tert sein.» Mark Pieth über sei­ne Re­form­vor­schlä­ge

Mark Pieth sagt es gleich zu Be­ginn: «Ich ha­be zwei ver­schie­de­ne Hü­te an.» Es ist der Hut der Bas­ler Uni­ver­si­tät, wo er als Pro­fes­sor Straf­recht und Kri­mi­no­lo­gie lehrt. Und es ist der Hut der Fi­fa. Seit En­de des ver­gan­ge­nen Jah­res steht er einer un­ab­hän­gi­gen Kom­mis­sion vor, dem so­ge­nann­ten «In­de­pen­dent Go­ver­nan­ce Com­mit­tee». Es soll dem ruf­ge­schä­dig­ten Welt­fuss­ball­ver­band nach Af­fä­ren um Schmier­geld­zah­lun­gen, kor­rup­tions­ver­däch­tig­te WM-Ver­ga­ben und Stim­men­käu­fe vor Prä­si­dent­schafts­wah­len ein ent­schie­den bes­se­res An­se­hen ge­ben.

In sei­nem ers­ten Be­richt hat­te Pieth über 39 Sei­ten die Män­gel im Fi­fa-Sys­tem fest­ge­hal­ten, in dem die 24 Män­ner der Exe­ku­ti­ve mit Prä­si­dent Sepp Blat­ter an der Spit­ze al­le wich­ti­gen Ent­schei­de fäl­len und Mil­liar­den­ge­schäf­te steu­ern (wenn es wie vor­ge­se­hen 24 sind, zu­letzt wur­den eini­ge we­gen Ver­feh­lun­gen im­mer wie­der aus­ge­schlos­sen oder sus­pen­diert). Und Pieth, der An­ti­kor­rup­tions­kämp­fer mit ein­wand­frei­em Ruf, hat vie­le Män­gel ge­fun­den. Un­ter an­de­rem das Feh­len «sys­te­ma­ti­scher Kon­trol­len in Be­zug auf das Kor­rup­tions­ri­si­ko».

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«Keine Liebe zu Blatter»
Pieth wuss­te, dass er mit sei­nem En­ga­ge­ment bei der Fi­fa «ein Ri­si­ko» ein­geht, weil er den Ruf des Welt­ver­ban­des kann­te. Nun kam der Don­ners­tag die­ser Wo­che und das Ge­ständ­nis von Blat­ter, al­les ge­wusst zu ha­ben von den Schmier­geld­zah­lun­gen an die Mit­glie­der des Exe­ku­tiv­ko­mi­tees im Rah­men des ISL-Bank­rotts. Pieth hat die Vor­gän­ge mit gros­sem In­ter­es­se ver­folgt. Er sagt, er sei er­freut ge­we­sen über den Bun­des­ge­richts­ent­scheid und die Ver­öf­fent­li­chung der ISL-Ein­stel­lungs­ver­fü­gung.

Die Do­ku­men­te aus dem Kon­kurs­fall des Zu­ger Sport­ver­mark­ters be­le­gen, dass sich vie­le Fi­fa-Funk­tio­nä­re Be­ste­chungs­gel­der be­zah­len lies­sen, 16 sind auf­ge­führt. Pieth fin­det es wich­tig für die Öf­fent­lich­keit, «schwarz auf weiss» zu er­fah­ren, wie bei der Fi­fa bis­her ge­ar­bei­tet wor­den sei.

Dass auch Blat­ter eine zwei­fel­haf­te Rol­le ge­spielt hat, da­ran mag sich Pieth nicht auf­hal­ten. Er sagt: «Es ist nicht mei­ne Auf­ga­be zu be­ur­tei­len, ob Blat­ter als Prä­si­dent der Fi­fa noch trag­bar ist.» Er hat ge­lernt bei sei­nen Auf­trag­ge­bern, Wi­der­sprü­che Wi­der­sprü­che sein zu las­sen. Er sagt: «Es ist auch nicht so, dass zwi­schen Blat­ter und mir eine be­son­de­re Lie­be be­steht.» Ihm liegt nur da­ran, «den Mo­ment zu nut­zen». Und die­ser Mo­ment ist mit Blat­ter ver­bun­den. Der Fi­fa-Prä­si­dent be­müht sich seit dem Som­mer 2011 um einen Wan­del im eige­nen Haus. Pieth sagt: «Man kann über Blat­ter den­ken, was man will. Wir sind in der pa­ra­do­xen Si­tua­tion, dass wir den Fi­fa-Prä­si­den­ten für die Re­for­men brau­chen, weil er die Per­son ist, wel­che die Sa­che vor­an­treibt.»

Am Dienstag fällt Entscheidung
Am Diens­tag tagt das Exe­ku­tiv­ko­mi­tee der Fi­fa. Und es wird ab­stim­men über Vor­schlä­ge, die Pieth mit sei­nem Team er­ar­bei­tet hat. Im Welt­fuss­ball­ver­band soll es in einem un­ab­hän­gi­gen Ethik­ko­mi­tee zu­künf­tig einen An­klä­ger und einen Rich­ter ge­ben. «Un­ab­hän­gi­ge und star­ke Pro­fis mit gu­tem Ruf» müs­sen es ge­mäss Pieth sein. Der Bünd­ner hat eine Lis­te mit Per­so­nen aus­ge­ar­bei­tet. Und er hat auch den neu­en Ethik­co­de vor­ge­schla­gen, über den ab­ge­stimmt wird.

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Pieth be­ton­te bis­lang im­mer, er schaue bei sei­ner Ar­beit für die Fi­fa nicht in die Ver­gan­gen­heit, das sei nicht sei­ne Auf­ga­be. Ihm ge­he es da­rum, Struk­tu­ren zu schaf­fen, um der Fi­fa eine neue Glaub­wür­dig­keit zu ge­ben. Das sagt er auch jetzt noch, nach dem Don­ners­tag: «Wir sind kein Ge­richt. Es ist nicht mei­ne Auf­ga­be, Prob­le­me der Ver­gan­gen­heit ab­zu­klä­ren. Ich ha­be nie be­haup­tet, dass ich der gros­se Auf­räu­mer sein wer­de. Wir sind Ge­burts­hel­fer, um die neu­en Struk­tu­ren in Kraft zu set­zen.»

Auch WM-Vergaben im Visier
Was er er­zählt, ist gleich­wohl nur die hal­be Wahr­heit. Und des­halb schmun­zelt Pieth auch und er­klärt: «Sie kön­nen mich be­zich­ti­gen, dass ich ein Schelm bin.» Dass er nicht in die Ver­gan­gen­heit schau­en will, das mag für ihn per­sön­lich stim­men. Mit dem Ethik­co­de hat er aber ein Reg­le­ment ge­schaf­fen, das es den neu ge­schaf­fe­nen Fi­fa-In­stan­zen er­lau­ben wür­de, bis 15 Jah­re zu­rück­zu­schau­en und die Ver­gan­gen­heit auf­zu­ar­bei­ten — mit Kon­se­quen­zen für die Funk­tio­nä­re. Und auch mit mög­li­chen Kon­se­quen­zen für Aus­rich­ter von Welt­meis­ter­schaf­ten, die sich die Or­ga­ni­sa­tion des Tur­niers er­kauft ha­ben sol­len.

Frei­lich fragt sich Pieth, ob die Exe­ku­tiv­mit­glie­der be­reit sein wer­den, sei­ne Vor­schlä­ge und den Co­de an­zu­neh­men. Er kennt den Wi­der­stand, den Blat­ter mit sei­nem neu­en Kurs un­ter den al­ten Funk­tio­nä­ren der Fi­fa aus­ge­löst hat. Pieth sagt: «Die gros­se Fra­ge ist, ob es Blat­ter ge­lingt, sei­ne Kol­le­gen zu über­zeu­gen. Wer ir­gend­ein­mal Geld ge­nom­men hat, wird nicht be­geis­tert sein.» Aus­ser­dem hat Pieth Op­po­si­tion auch bei jün­ge­ren Funk­tio­nä­ren und mög­li­chen Blat­ter-Nach­fol­gern aus­ge­macht, die dem Prä­si­den­ten den Triumph des ein­ge­lei­te­ten Wan­dels nicht gön­nen wür­den.

Noch kein Drittel ist geschafft
Bringt Blat­ter die Re­form­vor­schlä­ge durch, wä­re für Pieth mit der Ein­set­zung einer Fi­nanz­auf­sicht, einer un­ab­hän­gi­gen Ge­wal­ten­tei­lung und dem Ethik­co­de ein Drit­tel des We­ges ge­schafft, den er für die Fi­fa vor­sieht. Wei­ter er­rei­chen will er Trans­pa­renz bei den Löh­nen (noch im­mer ist un­klar, wie viel Blat­ter ver­dient — es ist min­des­tens eine Mil­lion Dol­lar); eine Amts­zeit­be­schrän­kung; eine Al­ters­gren­ze, ex­ter­ne Per­so­nen im Exe­ku­tiv­ko­mi­tee; eine Mehr­jah­res­pla­nung zum Ein­satz von Ent­wick­lungs­gel­dern, da­mit die­se im Wahl­kampf nicht zum Stim­men­kauf be­nützt wer­den kön­nen. Ein Jahr gibt er sich noch Zeit, um die Zie­le zu er­rei­chen.

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Stimmung gegen Blatter

«War das im Sinne der Fifa oder im Sinne von Blatter?»

(Aufgezeichnet: ukä.)

Jean-Pier­re Méan ist Prä­si­dent von Trans­pa­ren­cy In­ter­na­tio­nal Schweiz. Für ihn ist Fi­fa-Prä­si­dent Blat­ter nicht mehr trag­bar.

Kor­rup­tions­be­kämp­fung und Kor­rup­tions­prä­ven­tion sind die Zie­le von Trans­pa­ren­cy In­ter­na­tio­nal Schweiz. Der nicht ge­winn­orien­tier­te Ve­rein be­obach­tet die Vor­gän­ge in der Fi­fa schon lan­ge skep­tisch. Prä­si­dent Jean-Pier­re Méan äus­sert sich zu ver­schie­de­nen The­men: Die Po­si­tion von Sepp Blat­ter

«Ich kann es kurz und bün­dig sa­gen: Für mich ist Sepp Blat­ter als Fi­fa-Prä­si­dent nicht mehr trag­bar. Er als je­mand, der von den Zah­lun­gen an die Fi­fa-Funk­tio­nä­re ge­wusst hat und nichts da­ge­gen un­ter­nahm, ist nicht glaub­wür­dig. Er ist nicht die rich­ti­ge Per­son, um das Haus in Ord­nung zu brin­gen. Blat­ter gibt nur zu, was er zu­ge­ben muss. Er ver­fährt nach der Sa­la­mi­tak­tik, und ich fra­ge mich: Steckt noch mehr da­hin­ter? Es braucht jetzt einen Wech­sel an der Spit­ze der Fi­fa — nicht nur bei Blat­ter, viel­leicht auch bei an­de­ren Funk­tio­nä­ren. Blat­ter sag­te in sei­ner Ent­schul­di­gung, dass man da­mals sol­che Zah­lun­gen noch ha­be von den Steu­ern ab­zie­hen kön­nen und dass sie nicht straf­bar ge­we­sen sei­en. Das stimmt nicht. Sol­che Zah­lun­gen wa­ren straf­bar, al­ler­dings nur auf An­trag. Ein Prä­si­dent, der sol­che Zah­lun­gen dul­det, be­geht si­cher­lich Feh­ler im Ma­na­ge­ment.»

Un­ge­treue Ge­schäfts­füh­rung «Ich wür­de Sepp Blat­ter nicht der un­ge­tre­uen Ge­schäfts­füh­rung be­schul­di­gen, stel­le mir aber trotz­dem eine Fra­ge: Wa­rum hat sich die Fi­fa da­mals an der Zah­lung über 5,5 Mil­lio­nen Fran­ken be­tei­ligt und da­mit die Un­ter­su­chung der Zu­ger Be­hör­den en­den las­sen? Sie hat mit der Zah­lung Scha­den­er­satz für die Schmier­gel­der ge­leis­tet, die João Ha­ve­lan­ge und Ri­car­do Tei­xei­ra er­hal­ten ha­ben. Hat sie mit der Über­wei­sung auch Scha­den­er­satz für das Ver­hal­ten sei­tens der Fi­fa be­zahlt? War das im Sin­ne der Fifa oder eher im Sin­ne von Blat­ter?» Kor­rup­tion bei der Fi­fa

«Es gibt An­zei­chen, dass bei der Fi­fa ge­wis­se Leu­te auch heu­te noch für Schmier­geld­zah­lun­gen em­pfäng­lich sind. Wahr­schein­lich aber ist die­se Kul­tur auf­grund der Me­dien­ex­po­nie­rung der Fi­fa nicht mehr so stark, die Leu­te sind vor­sich­ti­ger ge­wor­den. Prä­si­dent Blat­ter je­doch hat mehr­mals ge­sagt, in der Fi­fa ge­be es kei­ne Kor­rup­tion. Er hat die Kor­rup­tion nicht als sol­che ge­se­hen, weil er viel­leicht nicht sehr em­pfind­lich war.» Ge­setz­li­che An­pas­sun­gen

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«Der Fall ISL zeigt, wie schlecht die Ver­fol­gung von Be­ste­chung einer Pri­vat­per­son in der Schweiz ge­re­gelt ist. Sie ist im Ge­setz über den un­lau­te­ren Wett­be­werb ge­re­gelt, sie wird nur auf An­trag, aber nicht von Am­tes we­gen ver­folgt. Im Fall ISL konn­ten die Par­tei­en einen Ver­gleich ab­schlies­sen. Die­se Art der Kor­rup­tion kann bei uns nur dann ver­folgt wer­den, wenn ein Wett­be­werbs­ver­hält­nis tan­giert wird. Die Städ­te aber, die Sport­ver­an­stal­tun­gen or­ga­ni­sie­ren, ste­hen ge­mäss dem Bun­des­rat nicht in einem Wett­be­werbs­ver­hält­nis. Die Ver­ga­be einer Fuss­ball-WM al­so fällt nicht unter das Ge­setz. Wir ha­ben in der Schweiz 60 Sport­ver­bän­de. Es ist eine Bla­ma­ge, wenn wir sa­gen müs­sen, dass bei einer WM-Ver­ga­be un­ser Ge­setz nicht greift. Die Pri­vat­kor­rup­tion muss im Straf­ge­setz­buch als Of­fi­zi­al­de­likt ge­re­gelt wer­den wie in an­de­ren Län­dern auch.»