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ETR 610 wird «Frecciargenta»

Trenitalia bricht Versprechen

Von René Lenzin, Mailand

Die ita­lie­ni­sche Bahn­fir­ma setzt ihre neu­en Nei­ge­zü­ge nicht wie von den SBB er­hofft Rich­tung Schweiz, son­dern im In­land ein.

14 Nei­ge­zü­ge vom Typ ETR 610 hat­te die frü­he­re Cis­al­pi­no für den Bahn­ver­kehr zwi­schen Ita­lien und der Schweiz beim Bahn­bau­er Als­tom be­stellt. Nach der Auf­lö­sung der ge­mein­sa­men Ge­sell­schaft im De­zem­ber 2009 teil­ten Tren­ita­lia und die SBB die­se Zü­ge brü­der­lich un­ter sich auf. Doch nun zieht Tren­ita­lia sei­ne sie­ben ETR 610 von der Gott­hard und der Simp­lon­li­nie ab und setzt sie als Frec­ciar­gen­ta (sil­ber­ner Pfeil) im In­land­ver­kehr ein. Das wi­der­spricht ein­deu­tig den Ab­sichts­er­klä­run­gen, wie sie die SBB und Tren­ita­lia an­läss­lich der Cis­al­pi­no-Auf­lö­sung ab­ge­ge­ben ha­ben. Laut dem SBB-Spre­cher Re­to Kor­mann wa­ren ex­pli­zi­te Zu­sa­gen von Tren­ita­lia al­ler­dings «nicht Be­stand­teil der Ver­ein­ba­rung».

Pan­nen-Nei­ge­zü­ge blei­ben

Der Rück­zug von Tren­ita­lia ist in­so­fern prob­le­ma­tisch, als es für den grenz­über­schrei­ten­den Zug­ver­kehr zwi­schen der Schweiz und Ita­lien spe­ziel­le Lo­ko­mo­ti­ven für bei­de Strom­sys­te­me braucht. Kei­ne Aus­wir­kun­gen hat dies laut Kor­mann auf die Strec­ken Genf-Simp­lon-Mai­land und Ba­sel-Bern-Lötsch­berg-Mai­land. Die­se kön­nen die SBB mit ihren sie­ben ETR 610 al­lein be­die­nen. Pre­kär wür­de die Si­tua­tion nur, wenn zwei oder mehr Zü­ge gleich­zei­tig aus­fal­len soll­ten.

Hin­ge­gen ver­schlech­tert sich das An­ge­bot auf der Gott­hard­li­nie wei­ter. Ab dem Fahr­plan­wech­sel 2011 muss in Mai­land um­stei­gen, wer von Ba­sel über Lu­zern-Gott­hard nach Ve­ne­dig reist. Vor al­lem aber gibt es kei­ne Hoff­nung mehr, dass die ETR 610 bald ein­mal die pan­nen­an­fäl­li­gen al­ten Nei­ge­zü­ge ab­lö­sen könn­ten, wie es ur­sprüng­lich ge­plant war. Die un­be­frie­di­gen­de Si­tua­tion auf der Li­nie Zü­rich/Ba­sel-Gott­hard-Mai­land wird bis 2017 an­hal­ten.

Als­tom ver­han­delt im­mer noch

Im­mer noch of­fen ist die Ent­schä­di­gungs­fra­ge für die mas­si­ven Lie­fe­rungs­ver­spä­tun­gen bei den ETR 610. Als­tom schul­det den Cis­al­pi­no-Er­ben eine Kon­ven­tio­nal­stra­fe und Scha­den­er­satz. Laut Pier­re-Louis Ber­ti­na, dem Chef des ita­lie­ni­schen Als­tom-Werks in Sa­vi­glia­no, sind die Ver­hand­lun­gen «auf gu­tem Weg». Et­was zu­rück­hal­ten­der ge­ben sich die SBB: Es sei «im Sin­ne al­ler Par­tei­en, eine Ver­hand­lungs­lö­sung zu er­zie­len», sagt Re­to Kor­mann. «Recht­li­che Schrit­te we­gen eines mög­li­chen Ima­ge­ver­lusts und ent­gan­ge­ner Er­lö­se» be­hal­te man sich aber vor. Wie lan­ge die Ver­hand­lun­gen noch dau­ern wür­den, sei an­ge­sichts der Komp­le­xi­tät der An­ge­le­gen­heit nicht ab­zu­schät­zen.

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