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40 Prozent der Schweizer Unternehmen, die im Ausland tätig sind, werden mit Schmiergeldforderungen konfrontiert. Etwas mehr als die Hälfte davon kommt diesen Forderungen nach — also rund jede fünfte Firma. Das geht aus einer unlängst veröffentlichten Studie der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Chur hervor. Dazu wurden 510 international tätige Schweizer Unternehmen befragt.
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Für viele Schweizer Unternehmen, die im Ausland tätig sind, gehören Bestechungsgelder offenbar zum Alltag.
Schweizer Unternehmen müssen bei ihren Auslandgeschäften im grossen Stil Schmiergeldzahlungen leisten. Dies zeigt eine Studie der Hochschule für Wirtschaft und Technik (HWT) Chur, welche in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» vorgestellt wird.
Gemäss der Studie sehen sich rund 40 Prozent der Schweizer Unternehmen bei ihrer Auslandtätigkeit mit Schmiergeldforderungen konfrontiert. Und mehr als die Hälfte der Unternehmen gibt nach. Insgesamt bezahlt damit mehr als ein Fünftel der in der Studie befragten 510 international tätigen Unternehmen Bestechungsgelder im Ausland. Für die Autoren ist dies ein «überraschend hoher Anteil». Dies gelte umso mehr, als Schweizer Unternehmen gemäss anderen Untersuchungen als vergleichsweise «sauber» angesehen würden. Dies lasse erahnen, «wie hoch der Anteil der Unternehmen aus den anderen Ländern sein muss, die Bestechungsgelder bezahlen».
«Klimapflege» ist nicht strafbar
Für die Nichtregierungsorganisation Transparency International zeigt dieser Befund einmal mehr die gesetzlichen Lücken in der Schweiz auf. Zwar steht die Bestechung ausländischer Amtsträger unter Strafe. Zudem können Unternehmen, welche die notwendigen Vorkehrungen nicht getroffen haben, strafrechtlich belangt und mit einer Busse von bis zu fünf Millionen Franken belegt werden. Nicht strafbar ist hingegen die sogenannte «Klimapflege» gegenüber ausländischen Beamten. Darunter fallen etwa Zahlungen, die einen Beamten bloss mittelfristig ködern sollen, ohne dass das Unternehmen dafür eine konkrete Gegenleistung wie etwa einen Auftrag oder eine Bewilligung erhält.
Es ist aber nicht nur die fehlende Strafbarkeit der «Klimapflege», die ein härteres Vorgehen gegen fehlbare Unternehmen verhindert. Das räumt auch Delphine Centlivres von Transparency International ein. «Korruption ist eine Handlung mit zwei Tätern. Ein Opfer im klassischen Sinn fehlt hingegen.» Deshalb würden die Strafverfolgungsbehörden so selten von den Zahlungen erfahren. «Niemand wendet sich an die Justiz», so Centlivres.
Entsprechend selten sind Verurteilungen wegen Korruption im Ausland. Eine Ausnahme bildet der Alstom-Fall. Im Jahr 2011 verurteilte die Bundesanwaltschaft zwei Gesellschaften des Alstom-Konzerns im Strafbefehlsverfahren zu einer Busse von 2,5 Millionen Franken. Der französischen Energie- und Transportkonzern hatte Bestechungszahlungen an Amtsträger in Lettland, Tunesien und Malaysia geleistet. Alstom bediente sich dabei verschiedener Mittelsmänner, die einen Grossteil ihrer angeblichen Erfolgshonorare an ausländische Amtspersonen weiterleiteten. Wie aus dem Geschäftsbericht der Bundesanwaltschaft hervorgeht, leitete diese im vergangenen Jahr 24 Verfahren im Korruptionsbereich ein.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist der Auffassung, der gesetzliche Rahmen im Bereich der Auslandkorruption genüge. Bezüglich der Studie gelte es auch zu bedenken, dass die Unternehmen in allgemeiner Weise nach «informellen Zahlungen oder Geschenken» gefragt worden seien. Es seien daher nicht nur strafbare Zahlungen von Bestechungsgeldern erfasst worden, sondern auch «geringfügige, sozial übliche Vorteile», die nicht strafbar seien.
Auch die Konkurrenz schmiert
Neben dem Ausmass der aktiven Korruption zeigt die Studie der HWT Chur weitere aufschlussreiche Facetten des Phänomens. So geht ein Viertel der befragten Unternehmen davon aus, in den letzten zwei Jahren einen Auftrag an einen Mitbewerber verloren zu haben, weil dieser die Behörden schmierte. Am häufigsten sei dies in Russland vorgekommen, gefolgt von Deutschland, China und Indien.
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