Univeritäts­spital Zürich und die IV

Kein Zwei­fel, die IV hat den Auf­trag, zu spa­ren. Vor al­lem soll sie die Zah­lung un­ge­recht­fer­tig­ter Ren­ten stop­pen. Zu­sätz­lich soll sie ver­su­chen, Ein­glie­de­rung vor Ren­te zu stel­len, das heisst, eine Ren­te nur zu­zu­spre­chen, wenn eine Ein­glie­de­rung in den Ar­beits­pro­zess sich als un­mög­lich er­weist. Dass aber ein sol­cher Ent­scheid nicht im­mer ein­fach zu tref­fen ist, das ist auch klar.

Der Fall Isler: Verlust der IV-Rente über Nacht

(res)
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Els­beth Is­ler (59) aus Fehr­al­torf hat­te we­gen eines schwe­ren Rüc­ken­lei­dens und der da­mit ver­bun­de­nen Ar­beits­un­fä­hig­keit sechs Jah­re lang eine vol­le IV-Ren­te be­zo­gen. En­de 2009 er­hielt sie ein Auf­ge­bot ans Ärzt­li­che Be­gut­ach­tungs­in­sti­tut (ABI) in Ba­sel, wo sie von einem «flie­gen­den Gut­ach­ter» aus Wien un­ter­sucht wur­de. Die­ser ver­trat die Auf­fas­sung, sie sei zwar in ih­rer an­ge­stamm­ten Tä­tig­keit als Be­treue­rin in Be­hin­der­ten­werk­stät­ten voll­stän­dig ar­beits­un­fä­hig, kön­ne aber in einer an­ge­pass­ten kör­per­li­chen Tä­tig­keit ein Ar­beits­pen­sum von 80 Pro­zent be­wäl­ti­gen.

Das At­test hat­te Fol­gen: Die IV re­du­zier­te die vol­le Ren­te auf eine Vier­tel­ren­te, wo­durch Is­ler in fi­nan­zi­el­le Not ge­riet. Die IV hat­te mit ihr in den sechs Jah­ren nie ein Ge­spräch über Ein­glie­de­rungs­mass­nah­men ge­führt. Und nun teil­te ihr das Re­gio­na­le Ar­beits­ver­mitt­lungs­zent­rum (RAV) schon beim ers­ten Tref­fen mit, mit sol­chen Be­schwer­den sei sie im Ar­beits­markt nicht ver­mit­tel­bar.

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Der TA pub­li­zier­te die­se Ge­schich­te am 14. Sep­tem­ber 2011. Da­mals liess die Zür­cher IV-Stel­le ver­lau­ten, sie wol­le ihr «brei­tes Netz­werk zu Ar­beit­ge­bern im Kan­ton» nut­zen, um Is­ler Ar­beit zu ver­schaf­fen.

Dass das schwie­rig wer­den wür­de, war ab­seh­bar. Denn 2009, un­mit­tel­bar vor der Ab­er­ken­nung der Ren­te, hat­te ein Fach­arzt fest­ge­hal­ten, un­ter wel­chen Um­stän­den Is­ler ar­beits­fä­hig wä­re: Sie kön­ne «nicht über dem Kopf oder in ge­bück­ter Hal­tung ar­bei­ten, höchs­tens 5 bis 10 kg he­ben, nicht län­ger als 5 Mi­nu­ten an einem Ort ste­hen, nicht län­ger als 15 Mi­nu­ten am Stück sit­zen und höchs­tens 10 Mi­nu­ten ge­hen», dies bei «re­gel­mäs­si­gen Pau­sen mit der Mög­lich­keit, sich hin­zu­le­gen und ent­spre­chend den Be­schwer­den ab­wechs­lungs­wei­se zu sit­zen, zu ge­hen und zu ste­hen».

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Nor­ma­les Vor­gehen

Nor­ma­les Vor­ge­hen ist die eine Ab­klä­rung der me­di­zi­nisch-theo­re­ti­schen Ar­beits­fä­hig­keit. Wird eine sol­che ver­neint, ist die Ren­te an­ge­zeigt. Ist eine sol­che Ar­beits­fä­hig­keit oh­ne Be­din­gun­gen ge­ge­ben, er­übrigt sich eine Ren­te, wahr­schein­lich gar jeg­li­che Be­tei­li­gung der IV.

Aber ge­nau die­se bei­den kla­ren Fäl­le sind wohl die sel­te­ne­ren. In den meis­ten Fäl­len kann nur eine be­ding­te oder teil­wei­se theo­re­ti­sche Ar­beits­fä­hig­keit fest­ge­stellt wer­den. In die­sem Fall müss­te es nor­mal sein, dass ein Pra­xis­test folgt. Im Kan­ton Zü­rich be­steht zu die­sem Zweck eine In­sti­tu­ti­on «Wis­li» in Bü­lach, wo un­ter TOP re­alis­ti­schen Be­dun­gun­gen die kon­kre­ten Mög­lich­kei­ten der Klien­ten ab­ge­klärt wer­den. Als nächs­ter Schritt der Ein­glie­de­rung folgt dann die Ar­beits­ver­mitt­lung, das heisst, es muss ein Ar­beit­ge­ber ge­fun­den wer­den, der die Per­son un­ter den not­wen­di­gen Be­din­gun­gen über­haupt an­stellt. Erst dann kann eine Ren­te ver­neint oder al­len­falls ge­kürzt wer­den. Je­der an­de­re Ent­scheid führt le­dig­lich zwin­gend zu einem So­zial­fall.

Die IV als In­sti­tu­ti­on des öf­fent­li­chen Rechts muss trans­pa­rent han­deln und da­her je­den Fall ge­nau­es­tens pro­to­kol­lie­ren. Dies soll es den Auf­sichts­or­ga­nen er­mög­li­chen, je­den Fall auf kor­rek­tes Vor­gehen und kor­rek­te Ent­schei­de hin zu über­prü­fen.

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Aber der kon­krete Fall

Rein äus­ser­lich und von sehr weit weg be­trach­tet ist der Fall “Els­beth Is­ler” eigent­lich ge­nau so ab­ge­lau­fen. Und das rein fi­nan­zi­el­le Re­sul­tat für Frau Is­ler stimmt. Es muss da­her an­ge­nom­men wer­den, dass sich die IV-Stel­le Zü­rich Mü­he ge­ge­ben hat, den Fall kor­rekt zu lö­sen. Al­ler­dings war ih­re Ren­te sechs Jah­re lang sus­pen­diert!

Bei ge­naue­rem Hin­se­hen stel­len sich aber meh­re­re Fra­gen, nicht nur “wa­rum muss­te die Frau sechs Jah­re in einer Not­la­ge le­ben?” Ein Ent­scheid hät­te doch auf Grund der be­ste­hen­den Un­ter­la­gen und der prak­ti­schen Nicht-Ver­mit­tel­bar­keit un­ter den me­di­zi­nisch not­wen­di­gen Be­din­gun­gen mit ge­nau die­ser Be­grün­dung ge­fällt wer­den kön­nen. Es hät­te gar kei­ner Mau­sche­lei­en und un­sin­ni­gen «Diag­no­sen» be­durft.

Bericht des
Tages Anzeigers© (www.zumkuckucksei.net/krup/TA-USZ-IV.html)
vom 4./6./9. Februar 2013.

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Was ging da schief?

Auch wenn in die­sem Fall die­se Mau­sche­lei­en nie­man­dem Vor­tei­le und der Pa­ti­en­tin nur we­nig Nach­tei­le ver­schafft ha­ben, so sind doch die Vor­komm­nis­se gra­vie­rend. Denn wenn die Ent­schei­de der IV auf die­se Art ge­fällt wer­den, dann steht der Will­kür Tür und Tor of­fen.

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Die Aufsichts­organe

Die Auf­sichts­or­ga­ne ma­chen es sich leicht: «Es sei­en die Be­ur­tei­lun­gen für zwei un­ter­schied­li­che Sze­na­ri­en.» — Das mag ja stim­men. Aber es gibt nur eine Be­obach­tung des Ver­hal­tens von Frau Is­ler. Und die­ses wur­de an­fäng­lich aus­schliess­lich für den Fall der Selbst­stän­dig­keit aus­ge­wer­tet: Sie sei of­fen und be­geis­tert. Sechs Jah­re spä­ter wird das­sel­be Ver­hal­ten von da­mals neu ge­deu­tet für Un­selbst­stän­dig­keit: näm­lich stur und stör­risch; einfach so aus dem Ge­dächt­nis. — Das braucht Phan­ta­sie!


Frage:
Wer ist hier eigent­lich kor­rupt?
Die Uni? — Das Spi­tal? — Die IV?
Oder al­le drei?
Und die Auf­sicht?