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BERN — Nach den verlorenen Parlaments- und Bundesratswahlen greift SVP-Stratege Christoph Blocher die Schwesterpartei FDP frontal an und vergleicht sie mit einer Sekte. «Sektiererisch» habe der Freisinn seiner Partei die Unterstützung versagt. Wer nicht mehr auf die politischen Inhalte achte und bei der SVP nur noch Abwehrreflexe habe, «erweckt den Eindruck einer Sekte», sagt Blocher im Interview mit der SonntagsZeitung. Sein Vorwurf: Die FDP sei mitverantwortlich für die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf und habe in den Parlamentswahlen die Zusammenarbeit torpediert.
Blocher deckelt die parteiinternen Aufwiegler und beschwichtigt Kritik an seiner Strategie, indem er den angekündigten Oppositionskurs relativiert. Statt von «Opposition» redet Blocher nun von «konstruktiver Regierungskontrolle» und spricht sich dafür aus, dass Ueli Maurer im Bundesrat bleiben soll.
Erstmals bringt Blocher seinen Rückzug aus der Parteiführung ins Spiel. «Ich bleibe nicht sicher im Präsidium», sagt er. Die SVP und er selbst würden das prüfen; «denn wir müssen unsere Partei dem neuen Auftrag anpassen».
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Die Medien orten den «Jahrhundertpolitiker» Christoph Blocher im Spätherbst seiner Karriere. Seine SVP hat bei den Bundesratswahlen soeben Schiffbruch erlitten, parteiintern regt sich der Unmut gegenüber dem Patron, erstmals auch öffentlich. Und ein Jahr lang hat er gegenüber der Öffentlichkeit seine Verbandelung mit der «Basler Zeitung» verheimlicht. Die SonntagsZeitung traf am Donnerstag im Bundeshaus auf einen vielleicht verbitterten, aber geistig präsenten Machtmenschen, der erstmals den eigenen Rückzug andeutet.
Herr Blocher, auf manchen Fotos machen Sie nach der Wahl einen deprimierten Eindruck.
Wenn man tausend Fotos macht, gibt es sicher eines, auf dem ich nicht lache. Aber bitte reden wir über Substanzielles.
Sie hatten keine glückliche Woche — die Schlappe bei der Bundesratswahl und die Kritik an Ihrer Kommunikation um die Besitzverhältnisse bei der «Basler Zeitung».
Kritik bin ich mich gewohnt, und trotzdem nehme ich sie ernst.
Der neue BaZ-Besitzer Tito Tettamanti sagt, die Verschwiegenheit sei ein Fehler gewesen. Sehen Sie das auch so?
Ja. Er hat vor allem vom Beratungsmandat der Robinvest gesprochen.
Er hat auch die Besitzverhältnisse gemeint.
Soweit nötig, wurden sie offengelegt.
Das ist absurd. Sogar die «Weltwoche» schreibt, Sie hätten «die Wahrheit zurechtgebogen».
Das Ziel war, den Verlag nicht auch noch in einem der Grossverlage versinken zu lassen. Die «Basler Zeitung» ist eine der wenigen Zeitungen, die noch unabhängig sind. Ich tat alles, was ich konnte, ohne sie selbst zu kaufen.
Das wäre ehrlicher gewesen.
Dann wäre es erst richtig losgegangen. Es ist ja eine eigentliche Hexenjagd, die mich an böse Zeiten erinnert: «Kauft nicht bei Blocher.» Man hätte von einer SVP-Zeitung gesprochen, was ich nicht will. Die Presselandschaft ist besorgniserregend: Staatsfernsehen, Staatsradio, und alle grossen Verlage hängen am Tropf des Bundes. Wo ist die Meinungsfreiheit?
Über Strohleute eine Zeitung zu kaufen, ist aber nicht sehr vertrauensbildend.
Ich persönlich war finanziell weder direkt noch indirekt beteiligt. Das war — wie eine Zeitung schrieb — «formell richtig, aber gewagt». Eine andere nannte dies «schlitzohrig» — vielleicht. Ich bedaure, dass dies nötig war. In diesem Fall heiligt der Zweck aber die Mittel. Mit Moritz Suter hatte meine Tochter, die selbstständig handelte, eine Option zum Rückkauf, was jetzt geschehen ist.
Ihre Rumeierei schadet Ihnen. Die Öffentlichkeit fühlt sich von Ihnen hinters Licht geführt.
Wenn es richtig ist, muss man auch Dinge tun, die einem schaden. In Basel wird heute anerkannt, dass die «Basler Zeitung» viel besser geworden ist. Kaum jemand stört heute mehr, dass ich — nicht meine Tochter! — gewisse Garantien wegen des industriellen Teils gegeben habe.
Waren Sie beim Verkauf an die Holding von Herrn Tettamanti involviert?
Natürlich. Ich habe Herrn Tettamanti darum gebeten, denn er meint es ernst mit der Medienvielfalt. Er hatte aber begreiflicherweise etwas Angst um den notleidenden industriellen Bereich und die hohe Verschuldung. Ich garantierte, dass man dies hinbringt.
Nicht weniger durchsichtig erschien uns Ihre Strategie bei den Bundesratswahlen.
Die SVP wollte die 50 Jahre bewährte Konkordanz wieder herstellen. Mit 26 Prozent hat sie zwei Sitze zugut. Darum trat sie beim Sitz der 5-Prozent-Partei an. Weil sich Mitte-links durchsetzte, war nach dem zweiten Wahlgang die Konkordanz gebrochen und die SVP frei. Das sind die Mehrheitsverhältnisse.
Vor der Wahl war vor allem von prominenten Absagen wie von Spuhler und Baader die Rede: Sie haben es in den vier Jahren verpasst, überzeugende Kandidaten aufzubauen.
In einer aussichtslosen Situation stehen die Kandidaten nicht Schlange. Die SVP präsentierte Kandidaten, die die andern Parteien früher stets wählen wollten. Herr Walter wurde ja bei früheren Gelegenheiten sogar von den anderen Parteien vorgeschlagen.
Auch er war dann chancenlos.
Damit ist klar geworden: Auch einen zweiten, sehr konkordanten SVP-Kandidaten will Mitte-links nicht. Trotz aller anderer Bekenntnisse: Man will der SVP keinen zweiten Sitz zugestehen.
Trotzdem haben Sie die FDP angegriffen — auch zum Ärger vieler SVP-ler.
Als die Konkordanz mit der Wahl von Frau Widmer-Schlumpf gebrochen war, stellte sich die Situation anders dar.
Erst nach der Wahl von Herrn Burkhalter. Wer soll das verstehen?
Zugegeben, im Ablauf ist ein Fehler passiert. Aber entscheidend war dies nicht.
Mit Ihrem Angriff auf Johann Schneider-Ammann haben Sie Ihren traditionellen Bündnispartner FDP brüskiert.
Leider ist in vielen Kantonen diese traditionelle Bündnispartnerschaft in die Brüche gegangen. Dadurch haben SVP und FDP unnötigerweise Nationalratssitze eingebüsst. Und leider haben FDP-Vertreter bei der Stimmabgabe für die Bundesratswahl und vor den Wahlen gegen die SVP agiert.
Sie haben sich aber um Partnerschaften bemüht.
Klar! Die FDP steht uns doch näher als die SP! Doch in gewissen Kantonen hat sie geradezu sektiererisch Listenverbindungen und gegenseitige Unterstützung ausgeschlagen.
Die FDP als Sekte? Entschuldigen Sie.
Wenn man sich so abschliesst, wirkt dies sektenhaft. Die Frage sollte lauten, wie erreichen wir mehr bürgerliche Sitze, um Steuern zu senken, die Unabhängigkeit der Schweiz zu verteidigen, um die Probleme in der Ausländerpolitik zu lösen. Wer das vergisst und sagt «Nein, nie mit der SVP!», der erweckt den Eindruck einer Sekte.
Es gibt tiefe Verletzungen in der FDP, gerade in Zürich, an denen Sie mit schuld sind.
Natürlich! Diese gibt es auch bei der SVP. Aber betrachten Sie die Wählerentwicklung seit 1987. Die SVP hat sich von einer 11-Prozent-Partei auf 26 Prozent entwickelt. Die Freisinnigen und die CVP sind auf dem historischen Tief angelangt. Das schmerzt begreiflicherweise. Trotzdem sollten wir uns die Hand reichen.
Dennoch, Ihnen schien es mit dem Angriff auf die FDP nicht sehr ernst gewesen zu sein.
Sie haben recht, weil hier ein Fehler passiert ist. Wichtig ist, dass unser zweiter Kandidat nicht im Dunkeln anstelle von Schneider-Ammann gewählt wurde, wie das Mitte-links plante. Dieser SVP-Kandidat wäre dann vier Jahre in Geiselhaft der Linken gestanden. Die SVP ist nun als grösste Partei von der Regierungsverantwortung weitgehend ausgeschlossen. Diese Klarheit hat auch viel Positives.
Ein guter Entscheid?
Wenigstens hat jetzt klar Mitte-links die Verantwortung für Entscheide der Regierung. Aufgabe der SVP ist es, diese Regierung zu kontrollieren, zu kritisieren und auf Missstände hinzuweisen — ausserhalb der Regierungsverantwortung bessere Lösungen zu verlangen, notfalls das Volk entscheiden zu lassen. Wenn es die SVP gut macht, erreicht sie wahrscheinlich mehr, als wenn sie mit einem konkordanten Kandidaten in der Regierung eingebunden ist.
Das tönt verbittert. Sie wissen, dass Sie jetzt jenen Stimmen Auftrieb geben, die behaupten, Sie hätten gar nie ernsthaft einen zweiten Sitz gewollt, um jetzt offiziell Opposition machen zu können.
Damit muss man leben.
Ist der vollständige Rückzug aus dem Bundesrat immer noch ein Thema?
Zu prüfen ist im Hinblick auf den Parteitag vom 28. Januar alles.
Wollen Sie Ueli Maurer zurückziehen?
Ich persönlich bin der Meinung, dass Ueli Maurer im Bundesrat bleiben soll. Er ist ein guter Bundesrat. Er hat in drei Jahren im VBS Entscheidendes verbessert. Das darf man jetzt nicht einfach aufgeben und jemandem überlassen, der alles wieder zerstört.
Wie wollen Sie denn Opposition machen? Sie haben mit Ihren Initiativen doch das Pulver verschossen.
Wie gesagt, die SVP wird eine konstruktive Regierungskontrolle installieren müssen. Die Probleme und das Versagen der Regierung liegen ja vor unserer Tür. Wir haben doch unglaubliche Missstände im Asylwesen. Denken Sie an die Personenfreizügigkeit, an die Preisgabe der Souveränität, an die dauernde Freiheitseinschränkung und, und, und. Auch Initiativen sind wichtig.
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Tages Anzeiger:
13.12.2011: Leitartikel Seite 1
13.12.2011: Kommentar Seite 2
13.12.2011: Eigentümerin Seite 5
15.12.2011: BaZ zu Tettamanti
29.10.2012: BaZ: Christoph Blocher: «Ziel ist eine ‹Basler Zeitung nackt›»
22.04.2013: Landbote zu Tettamanti
16.12.2011: Kritik an Führung
24.12.2011: Christoph Blocher — der Profi
— über die Leistung von Blocher und Ebner
Original Seiten als PDF:
24.12.2011: Christoph Blocher — der Profi
28.12.201: Leserbriefe vom 28.12.2011
01.01.2012: SonntagsZeitung: Blocher greift Nationalbank an
mit gestohlenen Bankdaten